Am 120. Geburtstag von Julius Raab fand im Parlament eine Gedenkfeier für den Staatsvertragskanzler statt. Dabei war insbesondere die Festrede von Ex-Verfassungsgerichtshofpräsident Karl Korinek hervorzuheben. Der historische Reichsratssitzungssaal war bis auf den letzten Platz besetzt. Interessant daher, wer NICHT anwesend war: der Großteil der Regierungsmannschaft der ÖVP. Die Partei des „Baumeisters der Republik“ begnügte sich damit, ihren Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zu entsenden. Christoph Leitl würdigte als Präsident der WKO vor allem Raab als Initiator und Funktionär der Wirtschaftskammer.
Das ist freilich immerhin schon mehr, als der Partei zum 100. Geburtstag beziehungsweise auch zum 10. Todestag von Josef Klaus eingefallen ist.
Und den 100. Geburtstag von Heinrich Drimmel am 16. Jänner 2012 wird man in der Lichtenfelsgasse wahrscheinlich auch „übersehen“.
Man kann schon richtigerweise einwenden, das wir derzeit größere Sorgen haben als Gedenktage zu feiern, aber irgendwie ist es ein Zeichen für den Zustand einer Partei, wie sie mit ihrer Geschichte umgeht (insbesondere, wenn man an die Bruno-Kreisky-Jubelfeiern Anfang dieses Jahres denkt).
Noch etwas macht nachdenklich: Alle Festredner haben bei der Charakterisierung der integeren Persönlichkeit Julius Raabs nicht vergessen zu erwähnen, dass es damals eben Politiker gab, die – ohne auf Zwischenrufe zu achten – in der Lage waren, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn sie zur Überzeugung gelangt waren, das Richtige zu tun. Die unausgesprochene Frage, wo denn derartige Persönlichkeiten heute zu finden wären, blieb nicht nur unausgesprochen, sondern auch unbeantwortet.