Raus aus dem Euro!

Im Zuge der Schuldenkrise, die Euroland fest im Griff hält, mehren sich im Heimatland Metternichs die Stimmen – vorzugsweise aus Kreisen notorischer Europaskeptiker – die einen Ausstieg aus dem Euro befürworten, um zum Schilling zurückzukehren. Das klingt, angesichts der dramatischen Situation der Gemeinschaftswährung, im ersten Moment verlockend.

Allerdings gilt es zu bedenken, dass das lastende Schuldenproblem von der Frage der Währungsunion unbedingt zu trennen ist. Die im Rahmen der entstehenden Transferunion bereits übernommenen Haftungen Österreichs wären durch einen Austritt aus der Eurozone nämlich keineswegs aus der Welt geschafft – ebensowenig wie seine massive selbst produzierte Staatsverschuldung.

Es ist keine Frage, dass in der Vergangenheit begangene Fehler zu jener zunehmend außer Kontrolle geratenden Lage geführt haben, in der sich die EU heute befindet. Ein Blick in die Vergangenheit: Dass ohne die Teilnahme der Wirtschaftslokomotive Deutschland das Projekt einer Gemeinschaftswährung gestorben wäre, noch ehe es das Licht der Welt erblickt hätte, liegt auf der Hand.

Deutschland musste in jedem Fall mit an Bord. Die Mehrheit der Deutschen war allerdings – dank ihrer zum Teil noch sehr wachen Erinnerungen an Hyperinflation und Währungsreform, die im 20 Jahrhundert zwei Mal zu einer nahezu vollständigen Entwertung ihrer Geldvermögen geführt hatten – nicht bereit, ihre harte DM zugunsten einer künstlichen Weichwährung aufzugeben. Daher wurde ihnen die Chimäre eines Gemeinschaftsgeldes verkauft, das dieselbe Qualität haben sollte wie die DM. Dass die Mehrzahl der Deutschen dennoch zu keiner Zeit bereit war, auf ihre Mark zu verzichten, war den politisch Verantwortlichen klar. Eine Volksabstimmung zu diesem Thema wurde daher wohlweislich vermieden.

Deutschland und die Stabilitätslüge

Der Euro war von seinen Anfängen an ein Projekt der Nomenklatura. Diese politische Elite hatte sich bereits damals – vor mehr als zehn Jahren – meilenweit von jener Basis entfernt, die sie vermeintlich repräsentiert. Sie traute dem dummen Volk den notwendigen „Blick für das Große, Ganze“, für die „höheren Ziele“ – und das angebliche „Friedensprojekt Euro“ niemals zu. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Selbstverständlich war die Vorstellung einer Gemeinschaftswährung, die ebenso hart sein sollte wie die DM, nicht nur gänzlich illusorisch, sondern zu keiner Zeit jemals gewünscht – insbesondere nicht von Frankreich. Dem eifersüchtig auf die wirtschaftlichen Erfolge Deutschlands schielenden Rivalen ging es vielmehr darum, den Boches ihre „Massenvernichtungswaffe DM“ aus der Hand zu schlagen.

Den Gegnern einer Europa beherrschenden deutschen Hartwährung kam dabei die Gunst der Stunde in Form der Deutschen Wiedervereinigung zur Hilfe. Die Zustimmung Frankreichs wurde – zumindest vorgeblich – an die Aufgabe der DM zugunsten eines europaweit einzuführenden Schwundgeldes gebunden. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Frankreich – angesichts der Zustimmung der Sowjets und der USA zum Vereinigungsprojekt – über die notwendige Macht zu dessen Verhinderung verfügt hätte.

Zur Beruhigung der deutschen Öffentlichkeit konnte das in Deutschland damals maßgebliche Duo Kohl/Waigel immerhin einige Bedingungen in den Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1992 einbringen, die sicherstellen sollten, dass die über die neue Währung wachende EZB die konservative Geldpolitik der Deutschen Bundesbank fortsetzen würde.

Wie wir heute wissen, wurden die als Stabilitätsgarantie gedachten „Maastrichtkriterien“ indessen von den allerwenigsten Mitgliedern der Eurozone je konsequent eingehalten – auch nicht von den hinter ihrer Formulierung stehenden Deutschen, die wiederholt die zulässigen Verschuldungsgrenzen von drei Prozent jährlicher Neuverschuldung, gemessen am BIP, verletzten.

Anders als etwa das linke Wiener Magazin „Profil“ im Juli analysierte, bestand der Kardinalfehler der Politbüros aber nicht etwa in der „willkürlichen Festlegung von Stabilitätskriterien“, sondern vielmehr in deren Nichtbeachtung. Denn der alte römische Rechtsgrundsatz Pacta sunt servanda gilt bis heute unverändert. Verträge nicht zu erfüllen, ist schlicht rechtswidrig.

Heute ist es, nachdem die „Maastrichtkriterien“ der kollektiven Nichtbeachtung zum Opfer gefallen waren, keine Überraschung mehr, dass auch andere innergemeinschaftliche Abmachungen, wie etwa das Verbot gegenseitiger Schuldenübernahmen oder des Ankaufs von Staatspapieren durch die EZB, beiseite geschoben werden, wenn die politische Opportunität es gerade zu gebieten scheint. Welche verheerenden Auswirkungen dieses Vorbild politischer Eliten, die ohne jedes Schuldbewusstsein routinemäßig lügen und gar nicht daran denken, Verträge auch einzuhalten, auf die Mentalität der Bürger hat, kann man sich unschwer ausmalen.

Fazit: Die Einführung des Euro war von der politischen Klasse als Vehikel zur Vorantreibung der von den europäischen Völkern mehrheitlich abgelehnten politischen Vereinigung gedacht. Das Kalkül: Ohne Nivellierung, insbesondere in sozialer und fiskalischer Hinsicht, würde die Sache nicht funktionieren. Denn eine Gemeinschaftswährung bringt es eben nun einmal mit sich, dass jenen Ländern, die zuvor ihrer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit mittels autonomer Währungspolitik gegensteuern konnten, dieses Mittel nicht mehr zur Verfügung steht.

Griechenland, Spanien, Portugal – aber auch Italien und Frankreich (das hinsichtlich seiner Wirtschaftskraft am meisten überschätzte Land innerhalb der Eurozone) sind dadurch betroffen. In dem Moment, da es zu Problemen kommt, haben die Eurozentristen sofort das Argument zur Hand, schleunigst kollektive Lenkungsmaßnahmen ergreifen zu müssen, um einen Zerfall der Union zu verhindern. Damit aber ist eine weitere, „alternativlose“, Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte verbunden.

Deutschland – der ewige Gefangene seiner jüngeren Geschichte – ist, wie die im Zuge der Schuldenkrise getätigten Aussagen seiner politischen Führer und die in der Vorwoche erfolgte Abstimmung über die „Eurorettung“ im deutschen Bundestag belegen, nur allzu gerne bereit, sich künftig von Brüsseler Bürokraten regieren zu lassen. Oder korrekter formuliert: das Land ist mit einer politischen Klasse geschlagen, die ausschließlich darauf bedacht scheint, es allen Nachbarn recht zu machen – und darüber die Interessen des eigenen Volkes verrät (für Österreich gilt recht genau dasselbe).

Raus aus dem Euro – geht das?

Zur Frage der Möglichkeit einer Rückkehr zu nationalen Währungen: Selbstverständlich ist die von den Eurozentristen aufgestellte Gleichung Kein Euro = kein Europa purer Nonsens. Eine Gemeinschaftswährung ist keineswegs unabdingbare Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben der Völker. Allerdings muß man sich – ganz besonders als Bürger eines Kleinstaates wie Österreich – über die Konsequenzen eines solchen Schrittes im Klaren sein.

Das Beispiel der Schweiz veranschaulicht das Problem: Obwohl dieses Land in vieler Hinsicht besser dasteht als Österreich, hat man es dort kürzlich für nötig befunden, die nationale Währung de facto aufzugeben, sich dem Euro zu unterwerfen und eine fixe Wechselkursbindung (ein Euro gleich 1,20,- SFr) einzugehen. In der Schweiz fühlte man sich dem im Zuge der Euro-Schuldenkrise einsetzenden Aufwertungsdruck auf den Franken offenbar nicht länger gewachsen. Die exportorientierte Industrie befürchtete schwere Verluste, da sie zunehmend Schwierigkeiten hatte, ihre Waren auf dem Weltmarkt abzusetzen.

Auch alle starken „Aussteiger“ aus dem Euro hätten vermutlich mit diesem Problem zu kämpfen. Die Wiedereinführung einer nationalen Währung, die dann indessen erst wieder fix an den Euro gebunden würde, ergäbe aber überhaupt keinen Sinn. Ferner erscheint die Vorstellung unrealistisch, Österreich könnte aus dem Euroraum austreten, wenn nicht zumindest Deutschland zugleich denselben Schritt tun würde. Deutschland aber wird dies – siehe die eben erfolgte Abstimmung zur „Eurorettung“ im Bundestag – wohl niemals wagen und sich lieber – zum Schaden seiner Bürger – in die Rolle als ewiger Zahlmeister der Transferunion fügen.

Ob das Geld nun Euro, Mark oder Schilling heißt, ist letztlich eine reine Geschmacksfrage. Etwas viel Wesentlicheres sollte bedacht werden: Die Qualität – die Werthaltigkeit und Beständigkeit der Währung. Immerhin hat selbst der als Inbegriff von Solidität geltende Schweizer Franken seit 1945 rund neunzig Prozent seiner Kaufkraft verloren.

Denn der Franken ist – wie einst der Schilling und heute der Euro – ungedecktes „Fiat Money“. Kein realer Wert, keinerlei materielle Deckung, sondern lediglich naive Hoffnungen „garantieren“ seine Kaufkraft. Und die hängt – in der Schweiz wie im Rest der Welt – ausschließlich von der Willkür der jeweiligen Machthaber ab. Und genau das ist der, wie sich nicht erst seit gestern zeigt, langfristig unhaltbare Zustand, nicht der Name, auf den die Währung hört.

Wenn also schon über die Rückkehr zu einer soliden Währung nachgedacht wird, dann aber gründlich: Abschaffung des Teilreservesystems der Geschäftsbanken und 100-prozentige Deckung der Währung durch Edelmetall! Das ergäbe einen Sinn. Denn allein Kaufkraft und Stabilität des Geldes zählen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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