Kurzanalyse Oktober 2011: Dänemark-Berlin-Österreich

Bei der öffentlichen Interpretation der Berliner Senatswahlen und der dänischen Nationalwahlen ist ein Phänomen völlig untergegangen: Die beiden „Wahlsieger“ – der Berliner SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit  und die dänische Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt – verloren gegenüber der vorangegangenen Wahl Stimmen und Mandate. Die dänische Sozialdemokratie erzielte überhaupt ihr schlechtestes Ergebnis seit über 100 Jahren, während der bisherige Ministerpräsident Lars Rasmussen mit seiner rechtsliberalen Venstre nicht nur wiederum stärkste Partei wurde, sondern sogar zulegte. Es kommt dennoch zum Machtwechsel, weil das Mitte-Links-Bündnis über mehr Parlamentssitze verfügt als das Mitte-Rechts-Bündnis.

Ergebnisse der dänischen Parlamentswahlen (in Klammern die Veränderungen gegenüber 2007):

Liberale (Venstre)

26,7

(+0,4)

Sozialdemokraten

24,9

(-0,6)

Dänische Volkspartei

12,3

(-1,6)

Sozialliberale (Radikale Venstre)

9,5

(+4,4)

Sozialistische Volksparte

9,2

(-3,8)

Rot-grüne Einheitsliste

6,7

(+4,5)

Liberale Allianz

5,0

(+2,2)

Konservative Volkspartei

4,9

(-5,5)

In Berlin wiederum sind fünf Phänome zu betrachten:

  1. Bestätigung von Wowereit mit seinem bisher schlechtesten Wahlergebnis.
  2. Die Grünen, die nach Fukushima und der Baden-Württemberg-Wahl, die den ersten grünen Ministerpräsidenten Deutschlands brachte, mit Renate Künast zunächst sogar als bürgermeisterverdächtig galten, blieben trotz Zuwächsen sogar hinter der CDU, die zulegte, zurück und wurden drittstärkste Kraft. Für eine rot-grüne Koalition, die den rot-roten Senat ablöst, reichte es immer noch.
  3. Die Wahlergebnisse im früheren Westen und Osten der ehemals geteilten Stadt divergieren stark – wie man an dem SED/PDS-Nachfolger Die Linke besonders deutlich sieht, die eine klare Ost-Partei ist.
  4. Die FDP wurde nahezu atomisiert und ist – wie bei de facto allen Regional-Wahlen seit ihrem Eintritt in die Bundesregierung – aus dem Abgeordnetenhaus geflogen. Die mangelnde Koalitionsmehrheit auf Bundesebene wird auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel immer ungemütlicher.
  5. Der Erfolg der „Piraten“ aus dem Stand sollte allen etablierten Parteien inklusive der Grünen schwer zu denken geben. Die eigentlich kaum organisierten Piraten sind bereits im schwedischen Reichstag vertreten und erzielten auch bei der deutschen Bundestagswahl 2009 einen Achtungserfolg.

Zweitstimmen bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl 2011:

 

Berlin insgesamt

West-Berlin

Ost-Berlin

Partei

2011

2006

2011

2006

2011

2006

SPD

28,3

30,8

28,0

31,4

28,8

29,8

CDU

23,4

21,3

29,5

27,7

14,2

11,4

Grüne

17,6

13,1

20,4

14,8

13,5

10,5

Linke

11,7

13,4

4,3

4,2

22,6

28,1

Piraten

8,9

n.k.

8,1

n.k.

10,1

n.k.

NPD

2,1

2,6

1,6

1,7

2,9

4,0

FDP

1,8

7,6

2,3

9,3

1,2

4,9

Sonstige

6,2

11,1

5,9

10,9

6,6

11,4

Letzte Umfrage zur Bundestagswahl (DER SPIEGEL, KW39; in Klammern das Ergebnis 2009):

CDU/CSU

31

(33,8)

SPD

31

(23,0)

Grüne

18

(10,7)

Linke

7

(11,9)

Piraten

5

(n.k.)

FDP

4

(14,6)

Österreich

In Österreich verheißt die Umfragesituation den beiden die Koalition bildenden  Parteien SPÖ und ÖVP nichts Gutes. Die Feststellungen der letzten Analyse, dass Stillstand und Parteienstreit Wasser auf die Mühlen der allerdings selbst nicht strahlenden Opposition sind, bestätigen sich.

Umfragen Parteien Nationalratswa

Datum

Institut/Medium

SPÖ

ÖVP

FPÖ

BZÖ

GRÜNE

NRW2008

Endergebnis

29,26

25,98

17,54

10,70

10,43

6.8.11

Market/Standard

29

25

25

6

12

7.8.11

Gallup/Österreich

28

24

25

5

15

7.8.11

Karmasin/KleineZ.

29

23

26

5

13

12.8.11

Karmasin/profil

29

23

24

5

15

18.8.11

IMAS

26

25

25

5

13

21.8.11

Gallup/Österreich

27

25

25

5

13

4.9.11

Gallup/Österreich

28

24

24

5

14

5.9.11

Market/Standard

28

25

25

6

12

11.9.11

Gallup/Österreich

30

22

24

4

15

18.9.11

Gallup/Österreich

29

23

25

5

13

2.10.11

Gallup/Österreich

29

24

26

4

13

Fiktive Kanzler-Direktwahl

Datum

Institut/Medium

Faymann

Spindelegger

Strache

Glawischnig

18.4.11

Karmasin/profil

22

13

12

6

20.5.11

OGM/Kurier

24

18

16

 

18.7.11

Karmasin/profil

22

16

15

7

31.7.11

Gallup/Österreich

27

19

20

 

12.8.11

Karmasin/profil

23

16

12

7

21.8.11

Gallup/Österreich

28

19

16

 

5.9.11

Market/Standard

30

15

8

 

18.9.11

Gallup/Österreich

26

18

 

 

Anders verhält es sich in der Steiermark, wo sich SPÖ und ÖVP entschlossen, eine Reform- und Sanierungspartnerschaft ernsthaft anzugehen. Auch hier setzt es Verluste (teilweise auch bundesbedingt), allerdings werden die Oppositionsparteien deutlich in Schach gehalten.

Landtagswahl

Datum

Institut/Medium

SPÖ

ÖVP

FPÖ

GRÜNE

KPÖ

BZÖ

LTW 2010

Endergebnis

38,26

37,19

10,66

5,55

4,41

2,98

3.4.11

IMAS/Krone

34

31

14

11

7

2

April 11

OGM/Kleine Z.

33

30

18

11

6

2

18.9.11

OGM/Kleine Z.

36

31

18

8

5

2

Landeshauptmann-Direktwahl

Datum

Institut/Medium

Voves

Schützenhöfer

Kurzmann

Kogler

Klimt-W.

18.9.11

OGM/Kleine

38

19

2

2

2

Nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Unzufriedenheit mit der Bundespolitik formieren sich immer mehr zivilgesellschaftliche Initiativen.

Verwiesen sei beispielsweise auf den Demokratiebefund der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform www.mehrheitswahl.at;

aber auch auf www.meinoe.at, www.vbbi.at, www.verwaltungsreform-jetzt.at, www.respect.at oder www.bildungsplattform.or.at/

Professor Herwig Hösele war Präsident des Bundesrates (ÖVP) und ist als Geschäftsführer der "Dreischritt GmbH" und der "public opinion GmbH" publizistisch tätig. Er erstellt vor allem politische und strategische Analysen.

Rückfragen unter h.hoesele@dreischritt.at bzw. 0664 / 18 17 481.

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