Jahrzehntelang rechtfertigte man Europas Schuldensucht, um den Lebensstandard zu subventionieren, als „keynesianisch“. Die nach dem britischen Ökonomen John Maynard Keynes benannte Denkrichtung erkannte in der Depression der 1930er Jahre die zu geringe „gesamtwirtschaftliche Nachfrage“. Die Staaten sollten sich deshalb kurzfristig verschulden und mit Staatsaufträgen in die Bresche springen.
War die Konjunktur dann angesprungen, waren die Kredite zu tilgen. Als Lehrbeispiel gilt hier der Hoover-Damm – so die hehre Theorie. Zur Anwendung gelangte in Europa allerdings nur die österreichische Variante, der so genannte „Austro-Keynesianismus“: Kurz vor Wahlen verspricht man neue Sozialleistungen, Pensionserhöhungen und Aufträge für die Staatswirtschaft – nach der Wahl erhöht man Steuern und nimmt neue Schulden auf, ohne die alten aber je zu tilgen.
EU-Schuldenwahnsinn: Eine Tilgung war nie vorgesehen
1971 versprach Kreisky den Österreichern eine Heiratsbeihilfe von sagenhaften 15.000 Schilling, wenn man ihn zum Kanzler machte. Nach der Wahl nahm man dafür Kredite auf, um das Wahlversprechen zu erfüllen. Für eine zehnjährige Anleihe, die man 1972 aufnahm, musste man bis 1982 jährlich fünf Prozent an Zinsen zahlen. 1982 hätte sie getilgt werden müssen.
Hätte. Stattdessen nahm man eine neue Anleihe auf und zahlte damit die alte zurück. Für die neue Anleihe zahlte man nun bis 1992 weitere zehn Jahre wieder jährlich Zinsen. So war es 2002 und so wird es auch 2012 nicht anders sein. Im Jahr 2072 hätte man – bloß für den einen Wahlsieg aus dem Jahre 1972 – 100 Jahre lang jährlich ca. fünf Prozent Zinsen bezahlt. In 100 Jahren 500 Prozent. Und die Schulden bestünden immer noch.
Neue Schulden für den Wahlsieg
Von 1981 an stellte die griechische PASOK-Partei nach jeder Wahl 50.000 neue Staatsdiener mit drei-Jahres-Zeitverträgen an, um ihnen für den Fall des nächsten Wahlsieges die Pragmatisierung zu versprechen. Eine „keynesianische Investition in die Infrastruktur“ nennt die Politik solch Stimmenkauf auf Pump. Jeder vierte Grieche arbeitet heute beim Staat, je nach Schätzung sollte man auch mit vierzig Prozent weniger gut auskommen können.
Einmal versprach man (vor Wahlen) Busfahrern, die pünktlich zur Arbeit kämen, 310 Euro und Eisenbahnern, die sich die Hände wuschen, eine Prämie von 420 Euro monatlich. Nach den Wahlen nahm man dafür dann neue Schulden auf. 200 Millionen Euro Umsatz macht die griechische Eisenbahn, dafür braucht sie jährlich 1.000 Millionen Subventionen auf Pump. Zurückgezahlt wird nicht.
Frankreichs Sozialisten versprachen 1997 eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden. Babyprämien als Wahlgeschenk gab es von Labour (2.500 Euro), den spanischen Genossen (3.500 Euro) und der SPÖ (10.000 Schilling). Putin erhöhte am Wahlvortag die Kleinpensionen um 25 Prozent, um vier Milliarden Euro wird alleine dadurch die Verschuldung Russlands jährlich wachsen.
Europas subventionierter Lebensstandard
Politiker, die sich ab den 70ern dem Schuldenmonopoly verweigerten, die bezichtigt man „sozialer Kälte“. Doch hatte man im Party-Rausch der letzten 40 Jahren einige unschöne Details der Schuldenökonomie übersehen: Die neuen Sozialleistungen hatten im Jahr ihrer Einführung stets die Preise angetrieben, an realer Kaufkraft war immer weniger geblieben als erhofft. Die teils exzessiven Neuverschuldungen der Staaten trieben auch die Kreditzinsen für Private in die Höhe. Die investierten damit entsprechend weniger.
Das Bürgertum wurde von mächtigen Staatsapparaten ausgebremst, volkswirtschaftlich nennt man dies „Crowding Out“. Die Staatskredite waren für Europas Sozial-Politiker ein allzu leicht verdientes Geld. Offiziell flossen sie in (volkswirtschaftlich fragliche) Großprojekte wie Eisenbahntunnels, tatsächlich subventionierte man (in Österreich) das Leben von 250.000 Eisenbahner (-pensionisten).
Unter dem Mäntelchen des Keynesianismus bezahlte man auch die Defizite von Kreiskys Planwirtschaft. Damit erhielt man aber zweitklassige Produkte künstlich am Leben und verhinderte das Wachstum international konkurrenzfähiger Produkte.
Fazit: Österreich blieb lange Jahre in der zweiten Reihe.
Europas ungezügelte Subventionitis
Europas Schuldenberg ist heute außer Rand und Band. Ein Wohlfahrtsstaat hat das BIP zwar künstlich aufgebläht, geringe Reallöhne zeugen jedoch von seinen hohen Kosten. Längst übersteigen die Zinsbelastungen für die Wahlsiege von gestern Österreichs Schulbudgets von heute. Europas Bauern, Eisenbahner, Rentner (und sogar Firmen) sind heute Subventionsempfänger.
Wer besser leben will, der schreit heute nach Staatszuschuss und nicht nach Leistung. Nun sitzt das Staatsgeld heute bekanntermaßen aber nicht mehr so locker wie in der guten alten Zeit und so orten so manche Antragsteller eine Verschwörung von Banken, Spekulanten oder Ratingagenturen. Doch haben die genannten Bösewichte keinen Cent von unseren Schulden aufgenommen. Das waren alles wir Europäer selber.
Außer einem Schuldenfiasko und einer zornigen Jugend wird von Europas „Austro-Keynesianismus“ nicht viel übrigbleiben. Doch hat es den Schuldenkollaps gebraucht, um ein neues Geschäftsmodell für Europas Politik zu entwerfen. Vielleicht ist dies der Startschuss für das Entstehen einer liberalen Zivilgesellschaft. Ähnlich der der Schweiz. Dort wählen die Bürger traditionell die Politiker, die ihnen vor Wahlen am wenigsten versprechen.
MMag. Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist und Autor des ersten „Globalisierungskritik-kritischen“ Buches in Europa: „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“.