Die Regierungsparteien haben sich am 22. September 2011 auf ein „Antiterrorismuspaket“ geeinigt, das die Bekämpfung des Terrorismus und die Befugnisse der Polizei in ihm regeln soll [1]. Der Gesetzblock soll die Bekämpfung des Terrorismus erleichtern und damit einen besseren Schutz für die Bevölkerung bieten. Der Schutz der Sicherheit der Bürger ist eine der Kernaufgaben des Staates. Auch wenn man als Liberaler den Standpunkt vertritt, es solle so wenig wie möglich gesetzliche Regelungen geben, rechtfertigt diese außer Frage stehende Kernaufgabe des Staates die Verbesserung des Schutzes der Bürger durch eine solche gesetzliche Regelung. Andererseits muss es Anliegen jedes freiheitsliebenden Bürgers sein, eine missbräuchliche Anwendung der geplanten Gesetze gegen Personen zu verhindern, die der Regierung und den Behörden suspekt sind.
Daraus leitet sich die Notwendigkeit einer genauen Definition des Begriffes „Terrorismus“ ab, die bisher national und international unterblieben ist. Der Text des Gesetzesvorschlages definiert im §278b (1) [2] terroristische Vereinigungen mit der Planung und Durchführung terroristischer Straftaten. Diese werden in §278c (1) des bisherigen Strafgesetzbuches [3] als Straftaten wie Mord, Erpressung usw. unter den besonderen Merkmalen „wenn die Tat geeignet ist, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, und mit dem Vorsatz begangen wird, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören“ definiert. Im Absatz 3 werden Taten, die auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten ausgerichtet sind, ausgenommen. Damit sind aber Sezessionskriege, wie die im ehemaligen Jugoslawien als Terrorismus zu werten. Die Definition ist also noch immer zu breit ausgelegt, wie es der Fall der militanten Tierschützer nachweist.
Ob dabei die Absicht dahintersteht, den Personenkreis, der unter diesen Maßnahmenkatalog fallen soll, möglichst breit zu halten, soll hier nicht näher erörtert werden. Jedenfalls regt sich gerade in liberalen Kreisen Widerstand gegen allzu strikte Regelungen, die aber andererseits dem eigenen Schutz dienen sollen. Dieser Widerstand sollte weniger dem Inhalt der Maßnahmen gelten, sondern der möglichen Breite der Anwendung. Eine präzise Definition des Begriffes „Terrorismus“ könnte also die Wirksamkeit des Gesetzespaketes auf den wirklich gefährlichen Teil des kriminellen Spektrums konzentrieren, daher auch entsprechend schärfere und damit wirkungsvollere Maßnahmen einschließen.
Diese Definition wäre also der Schlüssel zur gezielten und wirkungsvollen Bekämpfung aller Kräfte, die ihre politischen, religiösen und ethnischen Ziele durch massive Gewaltanwendung umsetzen wollen. Ohne diese Definition laufen alle Gruppierungen und Ethnien, die ihre Zielsetzungen lediglich mit außerparlamentarischen Mitteln anstreben, Gefahr, unter die verschärften Gesetzesbestimmungen zu fallen, wie es erst unlängst den militanten Tierschützern ergangen ist.
Die Islamistischen Djihaddisten erklären offen, sie befänden sich in einem heiligen Krieg gegen den Westen und seine Kultur. Nach den im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Definitionen kann man den bewaffneten Kampf der Islamistischen „Gotteskrieger“ durchaus als Krieg einschätzen [4]. Es soll daher hier versucht werden, aus dem Kriegsvölkerrecht eine Definition für Terrorismus abzuleiten, die anschließend auf Allgemeingültigkeit auch außerhalb kriegerischen Geschehens überprüft werden soll.
Das Kriegsvölkerrecht kennt Kombattanten und solche Kämpfer, die nicht unterscheidbar von Zivilpersonen kämpfen, ihre Waffen nicht offen, oder sogar die Uniform des Kriegsgegners tragen. Letztere Kampfweise wird in Österreich meist als „Verdeckter Kampf“ bezeichnet. Die so kämpfenden Kräfte verlieren dabei den Schutz des Kriegsvölkerrechtes. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal soll hier das von der jeweiligen Konfliktpartei vornehmlich bekämpfte Ziel eingeführt werden: Solche Parteien können vornehmlich die Streit- und Sicherheitskräfte, also Kombattanten und ihre materiellen Ressourcen bekämpfen oder aber Teile der Zivilbevölkerung beziehungsweise ihre Gesamtheit.
Daraus ergeben sich folgende Kombinationen:
- Kampf von Kombattanten gegen Kombattanten. Dies stellt die traditionelle Form des Krieges dar, in dem Streit- und Sicherheitskräfte oder auch uniformierte paramilitärische Verbände zum Schutz und im Interesse der von ihnen vertretenen Ethnien oder anderer Gruppierungen gegeneinander kämpfen.
- Kampf von verdeckt kämpfenden Kräften gegen Kombattanten und umgekehrt. Landläufig als „Partisanenkampf“ bezeichnet, ist diese Kampfweise in den letzten Jahrzehnten auf Seiten der verdeckt Kämpfenden besonders dadurch gekennzeichnet, dass sie sich innerhalb der Bevölkerung verstecken und damit der feindlichen Waffenwirkung entziehen versuchen. Dabei werden Opfer in der eigenen Zivilbevölkerung in Kauf genommen, als Mittel der Propaganda ausgeschlachtet, und in vielen Fällen bewusst herbeigeführt. Der Schutz der Bevölkerung als Kernaufgabe der Streit- und Sicherheitskräfte wird in das genaue Gegenteil, nämlich die Schutzschildfunktion der Zivilbevölkerung gegenüber den bewaffneten Kräften verkehrt.
- Verdeckter Kampf vorwiegend gegen die Zivilbevölkerung einer anderen Ethnie, Staats- oder Religionszugehörigkeit.
- Kampf von Kombattanten vorwiegend gegen die Zivilbevölkerung. Als Beispiel sei hier der gegen die Bevölkerungszentren des Feindes geführte Bombenkrieg angeführt.
Diese Fälle sollen hier ohne jede moralische Wertung im Hinblick auf die dabei auftretende Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung analysiert werden:
In den Fällen 1 und 2 ist das gezielte Herbeiführen von Verlusten in der Zivilbevölkerung des Gegners für die Konfliktparteien meist taktisch nachteilig, weil es den Kampfwillen des Gegners eher fördert als schwächt. So haben Kräfte der Deutschen Wehrmacht im 2.Weltkrieg an der Front gegen die Rote Armee wegen des durch diese in den von ihr besetzten Räumen an den Tag gelegte Verhalten gegenüber der deutschen Zivilbevölkerung wesentlich nachhaltiger gekämpft, als an der Westfront. Militärische Kommandanten werden also in der Regel gegen Kriegsverbrechen durch die von ihnen geführten Kräfte durchaus aus taktischen, wenn schon nicht aus moralischen Gründen entschieden vorgehen. Verluste in der gegnerischen Zivilbevölkerung werden zwar in Kauf genommen, wenn damit eigene Verluste vermindert werden können, aber nicht maximiert, wenn die Kommandanten einigermaßen rational führen.
Die Fälle 3 und 4 werden nur angewandt, wenn die Wirkung gegen die Zivilbevölkerung einen taktischen/operativen/strategischen Vorteil für die eigene Seite bringt. Der Krieg fordert aber immer die Maximierung des eigenen Vorteils, sonst ist er nicht zu gewinnen. Also werden in diesen Fällen die Verluste der gegnerischen Zivilbevölkerung immer zu maximieren sein, wie der Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung im 2.Weltkrieg nachweist, der schlussendlich in zwei Atombombenabwürfen gegen Städte ohne jede militärische Bedeutung gipfelte, die dann auch zur endgültigen Erreichung der strategischen Zielsetzung führten. Damit ist der Satz von Clausewitz, der Krieg tendiere immer zur maximalen Gewaltanwendung, klar nachgewiesen, wobei nochmals darauf hinzuweisen ist, dass diese Maximierung in Richtung des eigenen Vorteils zu erfolgen hat, also nur dann gegen die Zivilbevölkerung wirksam wird, wenn deren Reduzierung der eigenen Partei Vorteile bringt oder zu bringen scheint.
Der Fall 3 mit der offensichtlichen Absicht der Maximierung der Verluste unter der Zivilbevölkerung ist eindeutig den Djihaddisten aber auch der japanischen AUM-Sekte oder den italienischen Brigate Rosse zuzuordnen; die verübten Anschläge richteten sich fast ausschließlich gegen besondere Ansammlungen von Zivilpersonen und zielten ganz offensichtlich auf maximale Verluste unter ihnen ab. In den durch reguläre Streitkräfte oder zumindest durch Untergrundkräfte in Kombattantenstatus ausgefochtenen Kriegen der letzten Dezennien wurden Opfer unter der gegnerischen Zivilbevölkerung in der Regel in Kauf genommen, kaum jemals absichtlich herbeigeführt und schon gar nicht maximiert.
Daraus leitet sich eine mögliche Definition für den Begriff Terrorismus ab: Terrorismus liegt vor, wenn verdeckt kämpfende Gruppierungen vorwiegend die Zivilbevölkerung angreifen und dabei der Versuch evident wird, die Verluste unter dieser zu maximieren.
Diese Definition setzt keinen Krieg voraus, eine ethnische oder religiöse Gruppierung könnte ohne formales Vorliegen eines Kriegszustandes, bei Vorliegen aller Kriterien als Terroristen eingestuft und bekämpft werden - die Definition erscheint also allgemeingültig. Einzelpersonen fallen nicht unter diese Definition. Im eigenen Land hätte diese Bekämpfung vorwiegend durch Polizeikräfte reaktiv, also prinzipiell erst nach Setzen einer kriminellen Handlung, die die maximale Gewaltanwendung nachweisen kann, und damit defensiv und zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung unter minimaler Gewaltanwendung, im Ausland nach Vorliegen einer völkerrechtlichen Rechtfertigung offensiv mit Streitkräften unter Vermeidung unnötiger Verluste der dortigen Zivilbevölkerung, aber unter Vorrang der Vermeidung eigener Verluste zu geschehen.
Unter dieser Definition könnten islamistische Djihaddisten genauso bekämpft werden, wie Sekten nach dem Muster der AUM, oder besonders radikale politische Gruppierungen, nicht jedoch Gruppierungen oder Einzelpersonen, die nach Ansicht der politischen Eliten dem Staat und ihrer Rolle in ihm lediglich in außerparlamentarischer Form gefährlich werden könnten. Sie schränkt den Kreis der unter diesem Titel zu bekämpfenden Gruppierungen und Personen auf den potentiell gefährlichsten Teil des kriminellen Spektrums ein, kann und soll daher ein entsprechendes „Waffenarsenal“ zugeordnet bekommen, um der Bevölkerung wirkungsvollen Schutz zu bieten.
Gesetzliche Einschränkung der freien Meinungsäußerung, wie sie der §283 der Gesetzesvorlage vorsieht, fallen keineswegs unter diese Kategorie, weil die Strafandrohung sich weder nach der bisherigen, noch nach der hier vorgeschlagenen Definition auf terroristische Gruppierungen beschränkt, sondern viel breiter greift. Unter dem Titel Bekämpfung des Terrorismus darf nur die Werbung für einen Eintritt in eine Organisation, die nachweislich den verdeckten Kampf unter Maximierung ziviler Opfer propagiert, der Eintritt selbst, die Finanzierung und alle Straftaten innerhalb einer derartigen Organisation unter Strafandrohung gestellt werden. Dieser Paragraph und alle übrigen der Vorlage, die Taten von Einzelpersonen oder Gruppierungen betreffen, die nicht der Definition entsprechen, wären jedenfalls in der Gesetzesvorlage zu streichen. Die bisherigen einschlägigen Gesetze gegen Verleumdung, Üble Nachrede und die diversen Anstiftungen zu Straftaten müssen ausreichen. Außerhalb des Terrorismus hat sich die aus diesen Straftaten resultierende Bedrohung der Gesellschaft nicht substanziell verändert.
Wieweit es notwendig ist, die Befugnisse der Sicherheitskräfte für den Kampf gegen solche Organisationen gesetzlich zu erweitern, wäre noch zu hinterfragen. Eine mögliche Erweiterung hätte sich jedenfalls auf Gruppierungen zu beschränken, die im dringenden Verdacht stehen, der angeführten Definition für Terrorismus zu genügen.
[1] Siehe hiezu Die Presse vom 21.9.
[2] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_00674/fname_184141.pdf
[3] http://www.internet4jurists.at/gesetze/bg_stgb01.htm#%C2%A7_275.
[4] Die Bundeszentrale für Politische Bildung in Deutschland definiert zum Beispiel: „Krieg bezeichnet einen organisierten, mit Waffen gewaltsam ausgetragenen Konflikt zwischen Staaten bzw. zwischen sozialen Gruppen der Bevölkerung eines Staates“ (http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=GV0OHL).
Details zur Bürgerinitiative Österreich finden Sie unter www.buergerinitiative-oesterreich.at
(oder kurz www.biö.at)