Es braucht mehr Unternehmertum und wieder mehr Freiheit und weniger Gleichmacherei: Was jetzt Not tut, ist eine Anleitung zum neuen „Mindset“.
Immobilienkrise, Kirchenkrise, Politikkrise, Eurokrise, Managerkrise, Schuldenkrise: Man könnte die Liste endlos fortsetzen, mit einem Wort: Krisen haben Hochkonjunktur. Und es scheint kein Ende in Sicht. Unbestritten ist: Es läuft etwas schief in unserem Wirtschaftssystem. Vielen Bürgern stößt die Ahnungslosigkeit der Verantwortlichen unangenehm auf, an manchen Orten macht sich Panik breit und es dämmert vielen, das etwas faul ist im System. Doch was tun? Wen fragen? Unterschiedlicher könnten die Kommentare in den verschiedenen Medien gar nicht sein.
Die Problemverlagerung zu einer speziellen Gruppe könnte ein bekannter, doch in einer Sackgasse endender, Lösungsansatz sein. Einst war eine Volksgruppe der Sündenbock, heute ist es eine ökonomische Gruppierung. Dieser Ansatz ist zu einfach und nicht plausibel, denn das Problem liegt tiefer. Es liegt an unserer grundsätzlichen Einstellung, und dafür sind wir alle mitverantwortlich.
Wir sind in wesentlichen Bereichen unserer Gesellschaft mangelhaft oder gar falsch „geprägt“. Wenn es uns jetzt nicht gelingt, die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Irrtümer zu überwinden, wird die Krise kein beziehungsweise ein schreckliches Ende haben.
Es gibt immer die Möglichkeit zu Handeln, eine Tat zu setzen, die notwendige Umkehr anzutreten, Verantwortung zu übernehmen für die ungewisse Zukunft. Vier Ansatzpunkte könnten ein Anfang sein, um konkrete Schritte einzuleiten.
Go ahead: Gleichheit ist die Zwillingsschwester der Gerechtigkeit
Thomas Mann schrieb: „Freiheit ist die Zwillingsschwester der Verantwortung“, es ist ein gesellschaftlicher Irrtum dies auf die Gleichheit und Gerechtigkeit übertragen zu wollen. Den Grundgedanken eines gerechten Systems in der von der Politik gesteuerten Umverteilung zu verankern, ist zu einer der politischen Hauptantworten in der Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise geworden. Mit höheren beziehngsweise neuen Steuern will man die „Wohlhabenden“ und alle anderen treffen, denen Schuld an der Krise gegeben wird – und so Gerechtigkeit schaffen. Dass dies allen Ernstes Resonanz findet, hat nicht nur mit einer hochgezüchteten Neidkultur zu tun, sondern auch damit, dass uns jahrzehntelang eingebläut wurde, Gerechtigkeit sei eine Funktion der Gleichheit.
Je gleicher eine Gesellschaft – in der politischen Praxis übersetzt mit: je weniger wir den „Wohlhabenden“ lassen – desto gerechter ist die Gesellschaft. Gemessen am Gini-Koeffizient, der Gleichheit (der Einkommensverteilung der Staaten im Vergleich) misst, müssten wir in Österreich freilich in einem der gerechtesten Länder der Welt leben. Denn Österreich ist eines der am meisten umverteilenden Länder. Aber Gleichheit hat eben nicht viel mit Gerechtigkeit zu tun.
Warum eigentlich Gleichheit? Rahim Taghizadegan bringt dies auf den Punkt: „Die Gleichheit wurde zum zentralen Ideal unserer Zeit. Sogar das große Wort der Gerechtigkeit wird heute fast nur noch synonym mit Gleichheit verwendet. Ungleichheit gilt als Inbegriff der Ungerechtigkeit. Die willkürliche Ungleichbehandlung und damit schlechtere Behandlung einzelner Menschen oder Volksgruppen, bis hin zum Massenmord, gab der Ungleichheit einen schlechten Namen. Als einzig akzeptabler Gegenpol erschien dabei die Gleichheit. Dabei wird jedoch stets die gleiche Würde des Menschen mit gleichen Ergebnissen verwechselt. Schließlich ist es gerade die Achtung der gleichen Würde der Menschen, die Respekt vor deren Verschiedenheit gebietet.“
Der zentrale Wert für eine positive gesellschaftliche Entwicklung ist und bleibt jedenfalls die Freiheit. Sie braucht Vielfalt und nicht Gleichheit. Statt Ungleiches zwangsweise zu nivellieren, müssen wir einen produktiven, klugen gesellschaftlichen Umgang mit Ungleichheit finden. Ungleichheit bringt uns weiter. Denn aus der Ungleichheit speisen sich jene dynamischen Veränderungs- und Entwicklungsprozesse, die für Wachstum und Wohlstand unverzichtbar sind.
Die Ökonomen der Österreichischen Schule waren etwas realistischer in ihren Annahmen. Sie lassen sich nicht dadurch verwirren, dass der Mensch gleich an Würde ist (oder sein sollte), um daraus zu folgern, Menschen seien sich tatsächlich völlig gleich. Gerade unsere Unterschiede sind doch interessant und werten uns auf. Die berechtigte und lobenswerte Sorge um den Schwächeren hat in der Ökonomie oft zu Scheuklappen geführt.
Go ahead: „homo oeconomicus“ als Ausgangspunkt für Wirtschaftsdynamik
Julius Friedrich Gans von Ludassy war der erste Ökonom der den Begriff des „homo oeconomicus“ prägte, „um vor einer unrealistischen Volkwirtschaftslehre zu warnen die sich mit Scheinmenschen befasst“. Woher kam dieses Denken, das einen Scheinmenschen erschuf und ein Kunstobjekt kreierte? In der Menschheitsgeschichte erscheint nämlich der einzelne Mensch nicht ins Gewicht zu fallen.
Auch heute haben viele das Gefühl, einzeln kaum etwas bewegen zu können. Die Massengesellschaften unserer Zeit erwecken den Eindruck, wir wären alle bloß entbehrliche Zahnrädchen in einem großen Getriebe. Manche mögen sich nur noch als Mitläufer empfinden, doch diese Vorstellung ist eine selbsterfüllende Prophezeiung: Das Leugnen der Freiheit beseitigt auch ihre letzten Reste.“
Unserer – mit einer Sozialquote um die 30 Prozent äußerst sozialen – Marktwirtschaft ordnen ihre Kritiker gerne ein überaus fragwürdiges Menschenbild zu: Den gierigen, dummen und rücksichtslosen Ökonomie-Menschen. Wir sollten das nicht hinnehmen. Über Werthaltungen und Menschenbilder braucht es in der Tat eine breite Diskussion – und zwar eine, die realistische Muster zu bieten hat. Die Österreichische Schule der Ökonomie kann dafür Orientierungspunkte bieten. Denn sie formuliert jenseits des viel beschworenen, aber nie realen „homo oeconomicus“ ein realistischeres Menschenbild. Sie versteht unter Ökonomie die Lehre vom menschlichen Handeln. Sie eröffnet einen humanen Zugang, der sich am persönlichen Handeln und den persönlichen Zielen des Menschen orientiert.
Der einzelne Mensch ist Ausgangspunkt. Das Handeln, als die konkrete Entscheidung zwischen gegebenen Möglichkeiten, ist Gegenstand ihrer Forschung.? „Handeln ist bewusstes Verhalten. Handeln ist Wollen, das sich in Tat und Wirken umsetzt und damit verwirklicht.?Handeln liegt in der Natur des Menschen und seiner Welt, Handeln- Müssen ist dem Menschen durch die Bedingungen, unter denen er lebt, vorgeschrieben“, so Ludwig von Mises.? Dieses Handeln manifestiert sich im Menschenbild des freien Unternehmers. Freies und eigenverantwortliches Unternehmertum zu fördern und zu fordern ist daher mehr denn je ein Gebot der Zukunft.
Zum freien Unternehmertum gehört auch ein verantwortungsvoller und ehrlicher Umgang mit dem Risiko – ganz im Sinn der Tugenden des traditionellen Kaufmannes, der weiß, dass sich große Geschäfte nicht mit kleinen Risiken machen lassen. Erfolgreiche Unternehmer sind alles andere als übermütig; meist sind sie sogar extrem vorsichtig – eben weil sie Eigenes aufs Spiel setzen. Vorsicht und Mut widersprechen sich nicht.
Mehr freies und eigenverantwortliches unternehmerisches Denken und Handeln in allen gesellschaftlichen Bereichen zu fördern und zu fordern ist wohl die wichtigste Lehre aus allen Krisen. Dies verstärkt zu propagieren und deutlich zu machen, liegt heute mehr denn je in der Verantwortung von Meinungsbildnern und Entscheidungsträgern. Nur eine realistische Einschätzung des Handelns von Menschen schafft Wachstum.
Go ahead: Konsumiere dich reich
Wir leben in einer „instant society“, die dazu erzogen wurde auf Knopfdruck jeden Wunsch erfüllt zu bekommen. Das lässt sich durch viele gesellschaftliche Bereiche hindurch beobachten. In kaum einem anderen Bereich hat es aber so gravierende Folgen wie in der boomenden Kreditwirtschaft. Was auch immer wir uns an materiellen Gütern wünschen: Der billige Kredit macht es möglich!. „In nur 10 Minuten zum Geld – Herzenswunsch – in zehn Minuten erfüllt! Der Superschnell- Kredit. (Auszug aus der neuen BAWAG P.S.K Werbung)“
Konsumieren auf Pump stand am Beginn der amerikanischen Finanzmarktkrise, und an der dahinter stehenden Mentalität hat sich nichts geändert. Sie prägt auch heute das politische Handeln. Die Ergebnisse werden nur dramatischer: Wir leben in einer unverantwortlichen Weise von den Schulden, die wir den nächsten Generationen aufbürden. Europa und die USA haben über Jahrzehnte über ihre Verhältnisse gelebt. Es ist absurd, aber wahr, dass die reichsten Staaten der Welt die meisten Schulden angehäuft haben.
Innerhalb der letzten 40 Jahre hat sich die österreichische Schuldenquote von 18,8 Prozent auf 72,3 Prozent fast vervierfacht. Die Zinszahlungen werden höchst wahrscheinlich bis zum Jahr 2015 auf über zehn Mrd. Euro ansteigen. Doch nicht nur die Staatsschulden plagen uns. Diese Haltung hat sich nahtlos auf den Bürger übertragen. Es gilt am sogenannten schönen Leben teilzuhaben, doch wer die Zeche zahlen wird? – meist der Schuldennehmer selbst am wenigsten; und die Banken unterstützen diese Grundhaltung.
Unsere Schulden, und hier schließt sich der Kreis zum Gleichheitsirrtum, sind das Ergebnis der hohen Umverteilung. Die Schulden, die Österreich jahrzehntelang auf den Finanzmärkten aufgenommen hat, wurden vor allem für Sozialleistungen und Förderungen verwendet. Für Zukunftsinvestitionen blieb und bleibt kein Geld mehr. Nach Berechnungen der Industriellenvereinigung sind die öffentlichen Ausgaben für Investitionen in Österreich in den vergangenen 35 Jahren um über zwei Prozentpunkte des BIP zurückgegangen, während die Ausgaben für Transfers im gleichen Zeitraum um fast neun Prozentpunkte des BIP anstiegen. Schulden machen eben nicht heute reich, sondern morgen arm. Haushaltspolitische Vorsicht darf nicht bestraft, sondern muss belohnt werden – von der ganzen Gesellschaft.
Go ahead: Vertraue dem System der Wohlstandsversorgung
Nicht nur die Schuldenberge, die der Staat verursacht, sollten uns davon abhalten, seinen Umfang und seine Aktivitäten in Frage zu stellen. Die Idee, dass „der Staat“ voll und ganz für die soziale Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger sorgt, hat ebenso wenig Zukunft, wie die individuelle Vorstellung, dass man sich in jeder Lebenslage auf den „Vater Staat“ verlassen kann. Staatsgläubigkeit macht abhängig.
Mathias Horx hat das „Angebot“ des Sozialstaats sehr klar charakterisiert: „Wenn es dir schlecht geht, musst du gar nichts tun. Du kannst dich vor den Fernseher setzen und beruhigt abwarten, bis die Konjunktur wieder anspringt und wieder ein „Arbeitsplatz“ zur Verfügung steht.“ Das funktioniert heute nur nicht mehr, es ist auch unsozial, Menschen das abzunehmen, was sie – gewiss mit Ausnahmen – selbst können: Aktiv und tätig zu werden, sich eine Arbeit zu suchen.
Der Sozialstaat muss Aktivität und Eigenverantwortung fördern, statt sie zu hemmen. Die Ökonomen der Österreichischen Schule sind anti-kapitalistisch, wenn damit die Ablehnung der herrschenden Unordnung gemeint ist, und dennoch dem anmaßenden Antikapitalismus unserer Tage abgeneigt. Denn seit den frühesten Anfängen der Moderne haben all die ahnungslosen Interventionen die Lage immer nur noch schlimmer gemacht.
Eben weil sich die Österreichische Schule des Moralismus enthält, überlasst sie es den Einzelnen, sich selbst zum Besseren zu verändern und anderen ein Vorbild zu sein, anstatt darauf zu warten, dass eine bessere Gesellschaft oder ein besserer Staat den neuen Menschen hervorbringt, wie ihn die Moralisten gerne hätten. Die ehemalige deutsche Grün-Politikerin Adrienne Goehler fragt zu Recht: „Ist denn das Soziale beim Staat überhaupt nur am Besten oder auch nur leidlich gut aufgehoben? Welche Bedingungen braucht es, damit das soziale Engagement vom Staat an die Gesellschaft zurückgegeben werden kann? Welche gesellschaftlichen Transformationen brauchen wir, damit das Subjekt von Verantwortung erkennbar wird, und wer sollen diese Subjekte sein?“
Um solche Fragen beantworten zu können, müssen wir umdenken, was unser mentales Verhältnis zum Staat betrifft: Staatlicher Interventionismus be- und verhindert vielfach die Freisetzung unternehmerischer Kraft für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Um sie muss es jedoch gehen. Die große Herausforderung liegt heute darin, eine Kultur der Freiheit zu entfesseln, die ihren Namen auch verdient. Wir müssen in jeder Hinsicht unternehmerischer werden, um Krisenresistenz zu gewinnen. Gelingt das nicht, sind dramatische ökonomische und soziale Verwerfungen vorprogrammiert.
Mag Nikolaus Kimla ist Geschäftsführender Gesellschafter der uptime Systemlösungen GmbH und Initiator des „GO AHEAD business summit 11 – Die Kernschmelze des Finanzsystems.
All die in diesem Text angesprochenen Ideen stehen im Zentrum dieses Kongresses am 30. September und 1. Oktober im Palais Niederösterreich (ausführliches Programm unter www.go-ahead.at/summit). Für Abonnenten des Tagebuchs gibt es unter exklusiven „2 für 1“-Bedingungen Zutritt zum Kongress: Bei Bezahlung der Kongressgebühr von 690 € plus USt kann eine zweite Person unentgeltlich mitgenommen werden. Anmeldungen für diese Aktion unter Verweis auf das Tagebuch-Abo bei Martha Neumeister (01 713 6180 13) m.neumeister@uptime.at.