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In der Präambel des Entwurfs für den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) heißt es unter Punkt 3: „Die strenge Einhaltung des Rahmenwerks der Europäischen Union, der integrierten makroökonomischen Überwachung, insbesondere des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, des Regelwerks für makroökonomische Ungleichgewichte und der EU-Regeln zur wirtschaftspolitischen Steuerung sollen der erste Schutzwall gegen Vertrauenskrisen bleiben, die die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt berühren.“

Die Schlagzeile im Wirtschaftsteil der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 24. 9. 2011 lautete: „Kostspieliger Kampf der EZB gegen den Kontrollverlust.“ Die Balkenlettern im „Economist“ der Wiener „Presse“ vom 28. 9. 2011 melden: „EU droht Banken mit Enteignung“.

Überwachung, Steuerung, Sorge um Kontrollverlust, geplante Enteignung. Das sind die Phänomene, die gegenwärtig auf der Agenda der politischen Eliten Eurolands ganz oben stehen – allesamt Elemente einer sowjetischen Planwirtschaft. Die zitierten Begriffe gemahnen eher an das „Kommunistische Manifest“, als an die gedankliche Basis einer Union freiheitlich verfasster Gesellschaften. Wie viel tiefer kann die EU, deren Vorläufer als eine den Wohlstand der Nationen mehrende Freihandelszone begonnen hat, noch sinken?

Die im Zuge der „Eurorettung“ von den dafür verantwortlichen Ökonomen und Politikern gezeigte Inkompetenz spottet jeder Beschreibung. Die Nachrichten, die seit Offenbarwerden der elenden finanziellen Lage Griechenlands verbreitet wurden, bilden eine erhellende Dokumentation der Orientierungslosigkeit der maßgeblichen Akteure, sowie der von ihnen betriebenen Desinformation der Öffentlichkeit.

Ein Vergleich der bei Ausbruch der griechischen Finanztragödie getätigten Aussagen mit dem aktuellen Stand der Dinge macht sicher: Hier paart sich vollständiger Mangel an Einsicht in die der Krise zugrundeliegenden Ursachen mit dem Fehlen jeglicher Moral. Macht und Verantwortung voneinander zu entkoppeln, wie der Ausschluss jeder Haftung für persönlich schuldhaftes Fehlverhalten, hat unschöne Folgen. Dass nicht die für Verschuldungsexzesse politisch Verantwortlichen in den Schuldnerländern – und die für allzu sorglose Kreditvergaben Zuständigen in den Geberländern – zur zivil- und strafrechtlichen Verantwortung gezogen, sondern stattdessen unbeteiligte Steuerzahler enteignet werden, ist ein Signal, wie es verheerender nicht sein könnte.

Unschuldige für die Verfehlungen Dritter zu bestrafen, ist einer zivilisierten Gesellschaft unwürdig. Wer ernsthaft meint, mit einer derart zynischen Politik dem „Friedensprojekt Euro“ einen guten Dienst zu erweisen, hat nichts begriffen.

Wer nun fragt, wie es möglich ist, dass als Konsequenz des erwiesenen Scheiterns der Planungsbürokratien eine weitere Ausdehnung ihrer Entscheidungsbefugnisse – bis hin zur Enteignung redlich erworbenen privaten Vermögens – auf den Weg gebracht werden kann, ohne dass sich ein Sturm der Entrüstung erhebt; wer fragt, wieso die Herolde der Systemmedien, die sich ansonsten über jeden noch so unbedeutenden „Skandal“ wochenlang zu entrüsten pflegen, der anmaßenden, abgehobenen und katastrophal in die Irre führenden Finanzpolitik der Eurokratie kaum eine kritischen Bemerkung widmen; der sollte nicht aus dem Blick verlieren, dass die Politik auf der Ebene der einzelnen Wohlfahrtsstaaten nicht anders läuft.

Auch hier ist keine Rede vom Zusammenhang zwischen Rechten und Pflichten, Macht und Verantwortung. Kein „politisch Verantwortlicher“ haftet je persönlich für seine Fehler. Kein die Zukunft der Jungen durch exzessive Verschuldung verbauender „Sozialexperte“ steht je für die Folgen der von ihm betriebenen gewaltsamen Umverteilung von den Produktiven zu den Unproduktiven vor dem Kadi. Im Gegenteil: der Konsum – also der den Wohlstand mindernde Kapitalverzehr – wird geradezu als Tugend gepriesen – quer durch alle Parteien.

Das dem medizinischen Vokabular entlehnte Wort von einer möglichen „Ansteckung“ anderer Staaten durch die griechische Krankheit ist in aller Munde. Allerdings stellt die strikte Quarantäne des Kranken gewöhnlich die erste Maßnahme zur Unterbindung einer Infektion Dritter dar! Schließlich ist dem Patienten nicht damit gedient, wenn am Ende auch seine Pfleger dahinsiechen. Im Falle Griechenlands indessen soll das nicht gelten – man nimmt den Patienten besonders innig zur Brust – was prompt zum befürchteten Ergebnis der kollektiven Ansteckung führen wird. Anstatt das gefährliche Leiden durch Isolation des Betroffenen an der Ausbreitung zu hindern, wird die gesamte Eurozone planmäßig infiziert – durch einen „Rettungsschirm“, der in Wahrheit eher einer Bazillenschleuder gleichkommt.

Mittlerweile wurde immerhin ein Tabu gebrochen: Der bis vor wenigen Wochen von den Politbonzen ausgeschlossene „Haircut“ (eine euphemistische Bezeichnung für die teilweise oder vollständige Enteignung der Gläubiger Griechenlands), wird hinter gut gepolsterten Türen vorbereitet. Weshalb nicht der kürzlich von außerhalb der Nomenklatura eingebrachte Vorschlag eines Abtauschs neuer Kredite gegen Sicherheiten eingehend geprüft wird, ist schleierhaft.

Jeder Private hätte so vorzugehen – und es ist nicht einsehbar, weshalb das erprobte Muster nicht auch im Falle maroder Staaten funktionieren sollte. Über genügend attraktive – und entsprechend werthaltige „Assets“ – z. B. Eilande, Kulturgüter und Transportmittel, verfügt die Heimat des listigen Odysseus ja. Weshalb diese (oder die Rechte zu deren kommerzieller Nutzung) nicht als Faustpfand an die Gläubiger übertragen? Das wäre ein Weg, den zu beschreiten möglich wäre, ohne bestehende Eigentumsrechte zu verletzen, wie das bei einem „Haircut“ der Fall wäre.

Indessen sind die „Eurokraten“ viel zu sehr von ihrem Genie und der Realisierbarkeit ihrer Vorstellungen von einer zentral gelenkten Planwirtschaft überzeugt, um auch nur irgendeinem alternativen Gedanken ernsthaft näherzutreten. Hayeks 1944 gezeichneter „Weg zur Knechtschaft“ mutet unserer Tage an wie eine hochaktuelle Momentaufnahme.

http://www.n-tv.de/wirtschaft/kolumnen/Bloss-nicht-verkaufen-article3726876.html

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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