In der Vergangenheit habe ich sehr viel und oft über bevorstehende Krisen geschrieben. Nun befinden wir uns zweifelsohne in und vor der größten Krise, die die westliche Welt seit dem Zweiten Weltkrieg heimgesucht hat.
Ich möchte mich in diesem Gastkommentar aber den Folgen dieser Krise widmen. Wie wird unsere Welt in zehn Jahren aussehen? Werden wir Einfluss auf die Entwicklung haben? Wird es besser, schlechter? Eine Frage sei gleich vorweg beantwortet: Wir haben alle, jeder Einzelne, Einfluss auf das Geschehen der nächsten Jahre.
Vor allem möchte ich mich den Auswirkungen der Krise auf die Staaten widmen, denn eines ist gewiss: Sie sind allesamt hoffnungslos mit der Situation überfordert.
Ob man nun in die USA blickt, wo Präsident Obama seit einem Jahr nichts mehr anderes tut, als an die europäischen Staaten zu appellieren, Griechenland nicht fallen zu lassen und wo dem Chef der Nationalbank Bernanke nichts besseres einfällt, als den Markt mit Dollar zu fluten. Oder ob man den Blick auf Europa wirft, wo eine taumelnde und sich in Auflösung befindliche EU seit einem Jahr wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der griechischen Schlange erstarrt ist und den Märkten nur noch hinterherhinken kann.
Nach Österreich braucht man den Blick erst gar nicht werfen – hier hat sich noch kein relevanter Vertreter der Regierung zur Situation geäußert, außer dadurch, Allgemeinplätze, die aus Brüssel vorgegeben werden, nachzuplappern („Wir brauchen Eurobonds und eine Transaktionssteuer“).
Fast zwangsläufig muss man sich die Frage stellen, ob denn der Staat in seiner momentanen Ausformung überhaupt fähig ist, die Probleme des neuen Jahrtausends zu bewältigen. Will jemand diese Frage positiv beantworten, ist ihm mein Beileid gewiss, denn Hinweise dafür sind so rar gesät wie professionelles Verhalten unserer Volksvertreter.
Hingegen sind Hinweise dafür, dass der moderne Nationalstaat in seiner aktuellen Ausgestaltung absolut nicht mehr fähig ist, neuen Krisen zu begegnen, geschweige denn für seine Bürger vorteilhaft darauf zu reagieren, massenhaft vorhanden.
So ist der Staat alleine schon in seinen Kernaufgaben heillos überfordert. Die Kriminalitätsraten schießen in den Himmel, Diebstähle werden nur noch selten aufgeklärt, die Bürger finden keinen ausreichenden Schutz mehr auf den Straßen, die Polizei kapituliert in den meisten Fällen nur noch in Form eines Achselzuckens.
Auch bei der Justiz sieht es nicht gut aus. Auch wenn das Zivilrechtssystem zweifelsohne noch einiges taugt (das hat es allerdings schon immer), so ist doch die Strafrechtspflege zum Subjekt und Spielball der Politik verkommen. Es vergeht keine Woche, in der nicht wieder Verdachtsmomente bezüglich Korruption und Parteienjustiz aufkommen.
Auch das Militär ist in Europa, und erst recht in Österreich, keiner Erwähnung wert. Aber auch bei den Aufgaben, die sich der Staat in den letzten Jahrzehnten angemaßt hat, versagt er zusehends. Staatliche Einrichtungen wie die Arbeiterkammer machen schon längst nicht mehr das, wozu sie geschaffen wurden – nämlich die Arbeiter zu vertreten. Vor geraumer Zeit sind diese Objekte zu ausschließlich selbsterhaltenden Steuergeldkassierern geworden. Der Grund dafür ist bei staatlichen Einrichtungen immer derselbe: Menschen, die am Markt nicht nachgefragt werden, bekommen Arbeit, werden vom Staat abhängig und enden deshalb darin, um die eigenen Pfründe zu kämpfen. Das ist bei den ÖBB so, bei den Gewerkschaften, bei den Kammern und bei all den anderen staatlichen Versorgungszentren für nicht Selbsterhaltungsfähige.
Auch die Geldschöpfung ist den Staaten schon längst aus dem Ruder gelaufen. Die Finanzwirtschaft hat sich längst von den Staaten emanzipiert und wendet sich nun gegen sie, indem sie gegen die Politik spekuliert.
Im Gegensatz dazu bilden sich immer mehr private Organisationen, die „staatliche“ Aufgaben übernehmen. So stehen schon vielerorts private Sicherheitsleute Wache und nicht die Polizei. So entscheiden sich immer mehr Vertragspartner für die Schiedsgerichtsbarkeit, weil sie im Gegensatz zu staatlichen Entscheidungen in fast allen Ländern der Erde exekutierbar ist.
So bilden sich in den USA immer mehr private Arbeitnehmerorganisationen, die den Hausarbeits- und andere Niedriglohnsektoren vertreten (wie zum Beispiel die „National Domestic Workers Alliance“ www.domesticworkers.org/).
Die Staaten müssen sich schön langsam die Frage gefallen lassen, wozu sie denn überhaupt noch taugen. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die derzeitige Entwicklung gegen die Staaten erst durch die Nationalstaaten selbst ermöglicht wurde. Doch ist der moderne Nationalstaat nun am Ende? Hier muss man einen Schnitt machen. Denn um diese Frage zu beantworten muss man auf zwei Szenarien eingehen, die möglich erscheinen.
Szenarien für die Zukunft der Staaten
Erstens ist es leider möglich, dass die Staaten die bevorstehende Krise dazu nutzen werden, sich ihre Macht zurückzuholen, wenn nötig mit Gewalt. Doch genau das wäre der falsche Weg, wenn man die Menschheit nicht ständig ihre Fehler wiederholen lassen will. Eine Entwicklung in Richtung stärker werdender Staat wäre ein gewaltiger Rückschritt in die Zeiten von Krieg, Nationalismus und Misstrauen – sie würde nur dafür sorgen, dass das ganze Spiel von vorne losgeht. Der Staat hätte wieder mehr Einfluss auf die Gesellschaft, die Gesellschaft würde sich daraufhin wieder mehr auf den Staat verlassen, der Staat würde wieder an der Aufgabe, eine moderne Zivilgesellschaft zu errichten, scheitern und wir wären in 80 Jahren wieder dort, wo wir heute sind.
Das muss nicht so sein. Moderne Staaten sollten auf eine ganz andere Weise von der Krise profitieren. Sie sollten den Bürger bei seinem Weg in die Selbstverantwortung begleiten, um so durch stärker und flexibler werdende Wirtschaften höhere Steuereinnahmen zu lukrieren. Der beste Nebeneffekt wäre, dass sich die Zivilgesellschaft zunehmend selbst organisiert. Die Angst von Regierungen, dadurch an Macht zu verlieren, würde sich als völlig unbegründet erweisen. Denn, wie vorhin festgestellt, ist so eine Zivilgesellschaft nur möglich, wenn sie einen sicheren rechtsstaatlichen Rahmen vorfindet, frei von Rechtsunsicherheit, frei von Gewalt, von Willkür, frei von Kriegen.
Aus dieser Erkenntnis folgt automatisch der Weg dorthin. Denn die Staaten sollten sich endlich aus dem Leben der Bürger heraushalten, das sie ja sowieso niemals organisieren, geschweige denn kontrollieren können. Stattdessen sollten Staaten ihren Bürgern ausreichenden Schutz vor Faktoren bieten, die den rechtsgeschäftlichen Verkehr und somit die Wirtschaft negativ beeinflussen könnten.
Es wäre somit dringend geboten, die Polizeiarbeit zu modernisieren, die Exekutive stark aufzustocken und die organisierte Kriminalität mithilfe internationaler Zusammenarbeit noch stärker in die Schranken zu weisen. Offene Grenzen helfen hierbei übrigens überhaupt nicht. Vielmehr muss man einen geringfügigen Abbruch des internationalen Handels in Kauf nehmen, um die einheimische Bevölkerung ausreichend zu schützen. Auch Massenmigration mag eine Möglichkeit sein, um die Wirtschaft zu stärken. Doch darf die Politik hier die Wirtschaft nicht vor die eigene Bevölkerung stellen, welche sich zunehmend durch fremdländische Sitten in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlt.
Gleichzeitig muss endlich die Justiz den modernen Anforderungen angepasst werden. Speziell ausgebildete Staatsanwälte und Richter sind ebenso notwendig wie eine ausreichende Personalausstattung, sowie Amtszeiten, die die Verfahrensverläufe be- nicht entschleunigen.
Wenn Du Frieden willst, rüste für den Krieg, heißt es. Getreu diesem Motto sollten auch endlich wieder nationale Heere so gut aufgestellt sein, dass ein vernünftiger Staat nicht mehr auf die Idee kommen kann, hier vielleicht durch Gewalt etwas zu erzwingen.
Ansonsten sollte für einen modernen Staat endlich die Einsicht kommen, dass er unfähig ist, das moderne, schnelllebige Dasein seiner Bürger zu organisieren. Vor allem sollte er sich endlich aus der Ausbildung seiner Bürger heraushalten, denn diese entgleitet dem Staat sowieso schon heute, weil das angestaubte staatliche System nicht mehr in der Lage ist, die Kinder auf eine Universität oder den Arbeitsmarkt hinreichend vorzubereiten und sie dementsprechend auszubilden. Stichwort Kosten von Nachhilfe, Zuwachs an Privatschulen, et cetera.
Besser wäre es, er würde seinen Bürgern die Ausbildung selbst überlassen.
Auch was den Arbeitsmarkt betrifft, hat der Staat seine besten Zeiten hinter sich. Im Gegenteil, staatliche Maßnahmen wie Mindestsicherung und andere Sozialleistungen halten Menschen so lange vom Arbeitsmarkt fern, dass sie erst gar nicht den Wiedereinstieg schaffen.
Ein moderner Staat kann sehr viel tun, um seine Bürger sicher, gestärkt und gerüstet aus der Krise herauszuführen und sie in eine vielversprechende Zukunft zu begleiten. Er kann aber auch mit falschen Entscheidungen dafür sorgen, dass wir in der Entwicklung Jahrzehnte zurückfallen und einen ärgerlichen Zyklus von vorne beginnen. Ob uns die Volksvertreter in die eine oder andere Richtung navigieren, entscheiden Sie!
Philipp Starl ist Obmann der Rechtsliberalen Partei Österreichs und studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften.