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Keine „Facebook-Revolution“ – Das Blutvergießen in Syrien und der Libanon

Das dramatische Geschehen in Syrien wird im Libanon besonders sorgenvoll beobachtet, denn das eigene Schicksal ist eng mit dem des großen Nachbarn verknüpft. Und nun gab es tatsächlich in der libanesischen Hafenstadt Tripoli mehrere Tote bei bewaffneten Zusammenstößen zwischen pro- und antisyrischen Gruppen.

In beiden Ländern gibt es zahlreiche religiöse und teils sogar ethnische Gruppen, bloß mit etwas unterchiedlicher Verteilung. Aber auch mit einem wesentlichen Unterschied: Syrien hatte in den letzten Jahrzehnten ein straffes autoritäres System, während es im Libanon mangels starker Armee und Zentralregierung immer wieder zu Konflikten bis hin zu Bürgerkriegen und (parteiischen) Militär-Interventionen Frankreichs, der USA, Israels oder Syriens kam.

Nachdem die „Regierung der nationalen Einheit“ unter Ministerpräsident Saad Al-Hariri im Jänner auseinandergebrochen war – Streit über das Haager Sondertribunal hatte die Minister der Hisbollah und einer verbündeten Christenfraktion zum Rücktritt bewogen – ist nun endlich wieder eine Regierung zustandegekommen. Und zwar – was angesichts der akuten Probleme in Syrien erstaunen mag – eine ausgesprochen prosyrische: Ministerpräsident Nadschib Mikati, traditionsgemäß ein Sunnit, ist ein persönlicher Freund des syrischen Präsidenten Baschar Al-Asad und hat in das 30köpfige Gremium nicht weniger als 18 Personen berufen, die von der Hisbollah oder ihren Verbündeten nominiert wurden. Was Syrien und der Iran mit Genugtuung, aber die USA und Israel mit „Besorgnis“ registrieren.

Trotz der dürftigen Nachrichtenlage aus Syrien lässt sich eines bereits jetzt sagen: Anders als in Tunesien und Ägypten, wo die Unruhen von den Großstädten getragen wurden, handelt es sich in Syrien primär um Aufstände an der wirtschaftlich vernachlässigten Peripherie, in den Hochburgen von Muslim-Brüdern und Salafiten. Anderswo blieb es dagegen relativ ruhig – und das liegt nicht nur an der Allgegenwart von Polizei und Geheimdienst.

Es spricht einiges dafür, daß die Behauptungen des Regimes über bewaffnete Infiltranten nicht aus der Luft gegriffen sind. Und in Damaskus sowie im Wirtschaftszentrum Aleppo, wo man von der wirtschaftlichen Öffnung der letzten Jahre am meisten profitiert hat, wird das Regime tatsächlich von vielen unterstützt.

Mehrere Bischöfe haben inzwischen ausländische Medien der parteiischen Berichterstattung bezichtigt. Der chaldäische Bischof von Aleppo, Antoine Audo, nannte im Gespräch mit „Kirche in Not“ namentlich die BBC und Al-Jazeera. Er ergänzte, die Aufständischen suchten nur „Destabilisierung und Islamisierung“, während „80 Prozent der Bürger und alle Christen“ hinter der Regierung stünden.

Tatsächlich fürchten die meisten Syrer eine Situation wie im Irak. Und daß man im Westen – wie beim hochgejubelten „arabischen Erwachen“ ganz allgemein – auch zu Syrien fragwürdige Informationen vorgesetzt bekommt, illustriert der soeben aufgeflogene Schwindel um eine „Lesbe“ in Damaskus: In ihrem „Internet-Blog“ hatte sie laufend Leidensgeschichten kolportiert, die von Medien begierig weitergegeben wurden. Aber in Wahrheit hatte den Blog ein in Schottland lebender Amerikaner betrieben.

Daß der Umsturz in Tunesien und in Ägypten relativ „glatt“ gegangen war – die fast tausend Toten in Ägypten sind schon vergessen – hat andere Machthaber zu dem Schluss geführt, gleich hart durchgreifen zu müssen. Und außer der Angst der Syrer vor dem, was „nachher“ kommen könnte, hat das Regime noch weitere Trümpfe: Die Armee blieb loyal. Die Opposition ist zersplittert und führungslos.

China und Russland vertreten – wie im Fall Libyen – das Prinzip der „Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“ und blockieren alle nennenswerten UNO-Aktionen. Russland hat zudem in Tartus seine einzige Marinebasis am Mittelmeer. Eine NATO-Intervention – wie sie in Libyen ohnehin auf bestem Weg zum politischen und militärischen Fiasko ist – würde einen Flächenbrand auslösen. Und die Öl- und Gasreserven Syriens sind zu unbedeutend für Abenteuer.

Dr. Richard G. Kerschhofer lebt als freier Publizist in Wien

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