„Im Namen der Ordnung“ hat Horst Schreiber für die Universität Innsbruck
die oft schrecklichen Erinnerungen Tiroler Heimkinder aufgezeichnet und
im Studienverlag veröffentlicht (ISBN 978-3706549974). Das Land Tirol
hat das Projekt unterstützt und damit ein Zeichen gesetzt: es hat sich
„seinen“ Gewalt- und Missbrauchsfällen gestellt. Zuletzt hat sich
Landeshauptmann Platter in aller Form bei den Opfern entschuldigt, und
ihnen damit das vielleicht Wichtigste gegeben: Ein Gefühl ernst genommen
zu werden.
Auch der Wiener Bürgermeister Häupl und der Oberösterreichische
Landeshauptmann Pühringer haben sich bei den Opfern ihrer Vorgänger
entschuldigt. Sie haben Untersuchungskommissionen eingesetzt und teils
erhebliche Entschädigungszahlungen geleistet.
Lediglich der Bundesstaat selbst, die Republik Österreich, wehrt sich bis
heute mit aller Kraft dagegen, dass die Fälle aus dem Umfeld staatlicher
Einrichtungen ans Tageslicht kommen. Insbesondere aus den Internaten,
den Bundeskonvikten und Bundeserziehungsanstalten, sind schwere Fälle
von Gewalt und Missbrauch an Kindern dokumentiert. Zeitungsberichte
verweisen unter anderem immer wieder auf Vorfälle aus dem Bundeskonvikt
Lienz.
Besonders schlimme Gewalt- und Missbrauchsfälle gab es im
Bundeskonvikt Waidhofen/Ybbs, die jetzt im Buch „Internatsgeschichten“
dokumentiert sind (Freya Verlag, ISBN 978-3990250297). Eine Reihe
Betroffener haben unter anderem berichtet, wie sie in den 1970er Jahren
beim Direktor des Internats regelmäßig zur „Untersuchung“ ihrer
Genitalien antreten mussten. Im Juni 1975 gab es dann auch noch eine
Explosion in diesem Internat, bei der zwei Kinder schwer verletzt wurden
und bis heute an den Folgen leiden. Dem Direktor gelang es damals, den
Vorfall zu vertuschen.
Gegen solche Berichte und Dokumentationen geht die Republik Österreich
bisher mit heftiger Zurückweisung vor. Dem Autor der
„Internatsgeschichten“ hat die Finanzprokuratur als Anwalt der Republik
auch gleich ein Dokument mit dem Titel „E-Mail an Gegner.doc“
übermittelt. Ende Dezember 2010 hat das verantwortliche
Unterrichtsministerium schließlich doch eine formelle Untersuchung
eingeleitet, aber bis zuletzt keinen einzigen Zeugen oder Betroffenen
befragt.
Am 2. März 2011 hat die Finanzprokuratur dann das Verfahren mit
einem kurzen Brief an den Autor beendet. Darin hält sie gleich drei Mal
fest, dass „keine Anhaltspunkte für rechtswidriges oder schuldhaften
Verhalten von Bundesorganen gefunden wurden“. Auch an der vertuschten
Explosion im Internat konnten die Behörden kein Problem entdecken, denn
„Unterlagen liegen dazu nicht auf“. Abschließend urteilt die
Finanzprokuratur ganz amtlich: „Im übrigen sind die Ansprüche bereits
verjährt.“
Immer wieder fordert auch die kirchliche Opferschutzkommission von der
österreichischen Regierung, sich diesen Vorfällen zu stellen. Noch vor
einem Jahr meinte die damalige Justizministerin Bandion-Ortner dazu,
„man könne nicht für jedes und alles eine Kommission einrichten“. Dieser
Kommentar wurde dann auch noch im Parlament diskutiert. Zu Jahresbeginn
2011 hat es Gespräche zwischen Regierungsvertretern und den Fachleuten
der Opferschutzkommission gegeben. Seither ist Schweigen.
Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe: http://www.woho.at