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In London heiraten zwei junge Menschen – und die halbe Welt gerät in Aufregung. Warum eigentlich?
Wichtig für den weiteren Verlauf der Weltgeschichte oder auch nur der britischen Historie ist diese Hochzeit sicher nicht. Das ist viel eher der verzweifelte Kampf der noch immer recht neuen Regierung in London gegen die überbordenden Schulden des Landes. Das sind die gewaltigen Migrationsprobleme in England und Schottland. Das ist der von den Briten etwas leichtfertig zusammen mit Frankreich vom Zaun gebrochene Krieg gegen Gaddafis Libyen.
Dennoch wäre es dumm und arrogant, die Begeisterung über die Heirat am britischen Königshof ins Lächerliche zu ziehen. Als Minderheitenprogramm der sogenannten intellektuellen Kreise stehen bei derlei Gelegenheiten jedoch meist verächtliche Kommentare auf dem Kalender.
Diese Begeisterung zeigt aber stärker denn je die Sehnsucht einer großen Mehrheit nach einer heilen Welt, nach der Ordnung eines Familienleben und dem Glück eines strahlenden jungen Paares. Sie zeigt sicher auch eine Nostalgie der überwiegend älteren Prinzen-Schauer nach der eigenen Jugend, ebenso wie den Traum mancher junger Mädchen nach dem Märchenprinz, der vielleicht doch noch an der nächsten Ecke wartet. Sie zeigt aber auch die Bewunderung für eine Nation, die mit sich, mit ihrer Staatsform und ihrer Geschichte derzeit in totalem Einklang ist.
Man denke nur als Kontrast zu dieser heilen an die letzte Eheschließung eines amtierenden österreichischen Staatsoberhaupts. Die ist in so heimlicher Peinlichkeit durchgeführt worden, dass selbst der amtierende Außenminister die Nachricht erst aus dem Radio erfahren hat. Was ich selbst staunend miterlebte, da ich ihn gerade interviewte.
Lassen wir doch den Menschen ihre Sehnsüchte für ein paar (hoffentlich) schöne Stunden, die absolut niemandem weh tun. Und lassen wir ihnen doch auch den neidvollen wie bewundernden wie voyeuristischen Blick hinauf an die Spitze der vermeintlichen Glücks- und Machthierarchie.
Wobei dieser Blick ja immer mit der Ahnung verbunden ist, dass es dort ganz oben ganz genauso zugeht wie bei Frau Nachbarin. Trotz aller Abschirmung durch die Hofschranzen läuft dort ein sehr ähnliches Programm: Streit, Konflikte, Untreue, scheiternde Ehen, seltsam werdende Menschen, wie etwa der Vater des Bräutigams einer ist.
Dass die europäischen Königshäuser allesamt nichts mehr mit Macht zu tun haben, will man hingegen nicht wissen. Der Prunk transportiert nach wie vor den Eindruck von Macht, der in Wahrheit in krassem Gegensatz zur Realität steht. Ist doch der englische König seit langem nur noch der Vorleser von Botschaften, deren Text und Inhalt jemand ganz anderer bestimmt hat.
Ginge es freilich nach des Volkes Willen, so würde heute den Monarchen mehr Macht zukommen als noch ein paar Jahrzehnte früher. Denn das Image der demokratisch gewählten Politiker hat sich stark verdüstert. Ihr Bild ist vor allem durch die Medien stark ramponiert, während aus den Königshäusern fast nie etwas Politisches zu berichten ist. Das führt die Monarchien am Tiefpunkt ihrer wahren Macht einem neuen Höhepunkt an Wertschätzung zu.
Die Untertanen einer Majestät glauben: Da ist noch irgendetwas, an das man sich anhalten kann. Sie wollen sich einfach der Sicherheit hingeben, dass man an diesem Halt auch wirklich Halt finden könnte. Bei einem nach einem meist schmutzigen Wahlkampf gekürten Bundespräsidenten ist das hingegen viel weniger der Fall.
Voll Amüsement erinnere ich mich, wie die 68er, die heute noch beispielsweise den prinzenbegeisterten ORF beherrschen, jahrelang allüberall die Königshäuser lächerlich gemacht haben. Wie in fast allen Monarchien von linken Kreisen Debatten über eine Abschaffung der Monarchie geführt wurden. Dabei ging es in den meisten Ländern im Vergleich zu Österreich noch gesittet zu, während hier der biblische Hass der Sozialdemokraten auf die Habsburger zu wilden Exzessen führte, wie etwa der Landesvertreibung des einstigen Kaiserhauses. Dieser Hass schlägt sich bis heute in so mancher grundrechtswidrigen Diskriminierung der Angehörigen dieses Hauses nieder. Die Diskriminierung ging so weit, dass Otto Habsburg nur dank eines wohlwollenden – und immer diskret gebliebenen – Mäzens sein Leben fristen konnte, während sich in den einstigen Palästen der Familie deren Hasser breitgemacht haben.
Eine solche Prinzenhochzeit bietet den Menschen aber noch etwas: einfach gute Nachrichten ganz ohne tiefere Hintergedanken. Und dafür gibt es einen riesigen Markt. Zahllose Umfragen zeigen, dass – ja nach Weltlage – rund die Hälfte der Menschen an Politik generell desinteressiert ist. Diese übrigens überdurchschnittlich oft weibliche Hälfte fühlt sich von Ö3-Nachrichten (oder dem ebenfalls mickrigen Pendant der Privatsender) fast schon überinformiert. Die Fernsehanstalten wie Magazine sind daher ganz begeistert, wenn sie ihrem Publikum einmal auch ohne Rosamunde Pilcher und ihre romantischen, alles andere als kitschscheuen Sagas ein Angebot aus der wirklichen Welt anbieten können.
Diese Sehnsucht nach der guten Nachricht wird von den traditionellen Medien sehr schlecht bedient. Dort findet sich nämlich fast immer nur das Böse, all das, was schlecht geht in der Welt: Krieg, Streit, Schulden, Verbrechen, demographische Katastrophen, politischer Hass, oder der aggressive Zynismus von Journalisten, mit dem etwa soeben ein Armin Wolf einen jungen Staatssekretär fertigzumachen versucht hat (und dabei übrigens wie schon oft gescheitert ist).
Nicht einmal das Hausmeister-Argument „Aber was, das alles kostet!“ ist in Hinblick auf Königshäuser und Prinzenhochzeiten ein valides. Für die Briten kommen die Kosten des royalen Aufwands als Tourismus-PR und Standort-Marketing vielfach wieder herein. Die Selbstvermarktung Großbritanniens durch das Königshaus ist weit effizienter als das, was die Gemeinde Wien auf der alleruntersten Ebene mit Life Ball und Donauinselfest um unser Steuergeld tut.
Resümee: Ich verstehe jeden voll, der sich bei der Hochzeit jener zwei jungen Engländer gelangweilt abwendet. Aber das gibt ihm in keiner Weise das Recht, sich über die Begeisterung und die Sehnsüchte anderer lustig zu machen.