Die Fakten sprechen gegen Darabos

Bundesminister Darabos hat sein Wunschmodell für ein neues Heer vorgestellt. Er beruft sich durchaus zu Recht auf das Unbehagen über das Heer, und er trägt nur begrenzt Schuld daran. Dass er daraus jedoch falsche Schlüsse zieht, dieser Verantwortung kann er sich nicht entziehen.

Eine der wesentlichen Ursachen für das Unbehagen ALLER, denen die Landesverteidigung und das Bundesheer ein Anliegen sind, liegt in der wahltaktischen Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate und der Aussetzung der Milizübungen. Diese Maßnahme der Regierung Schüssel erfolgte im klaren Widerspruch zum Parteienkonsens der Reformkommission unter Helmut Zilk. Damit haben Schüssel und sein Verteidigungsminister Platter den Wehrdienst dem Unsinn deutlich näher gebracht. Denn statt mehr Soldaten für die Truppe verdoppelte sich schlagartig die Zahl der Systemerhalter, das sind die Köche, Fahrer, Mechaniker, Wachen usw., die mangels Vertragsbediensteter durch Rekruten gestellt werden müssen. Eine spannende Ausbildung reduzierte sich auf wenige Rekruten, und die mussten einen sinnlosen Streifendienst im Burgenland leisten. 

Es kam dazu, dass dort, wo Ausbildung auch für Rekruten Sinn machte, wie z.B bei den Rettungssanitätern, diese Ausbildung gegen Ende des Präsenzdienstes auch schon zu Ende war (weshalb die Rettungsorganisationen einen 6-Monate-Dienst ablehnten).

Interessant und sinnvoll blieben für die Rekruten einzig die realen Katastropheneinsätze und ihre Vorbereitung.

Dazu kam der Tod der Milizorganisation. Ihr Einsatz, der regelmäßig geübt ein großes Reservepotential darstellt, war mit der Aussetzung der Wiederholungsübungen durch Schüssel/Platter schlagartig vorbei. Es gab sie nicht mehr. Übrig blieb eine professionelle Kadermiliz, jedoch ohne Soldaten. Gleichzeitig regen sich die „Besserwisser“ darüber auf, dass das Bundesheer zu viele „Häuptlinge“ und zu wenige „Indianer“ hat.

Unter diesen Umständen ist der Ruf – auch von Seiten der der Landesverteidigung gegenüber wohlgesonnenen Bürger – nach einer Beendigung dieser Zeit nachvollziehbar, die für die Sicherheit des Landes als ziemlich nutzlos erfahren wird. Dieser Zustand ist ebenso für die Berufssoldaten schwer erträglich geworden, auch weil ihnen die Schuld zugeschoben wird. Nur tauchen jetzt offensichtlich die falschen Rückschlüsse in großer Zahl auf.

Zu den Präferenzen

Ein für jeden Pisa-Tauglichen nachvollziehbarer Fehlschluss ist die Präsentation von Modellen, bevor die politische Hauptfrage der parlamentarisch abgesicherten Sicherheitsdoktrin (sprich Zielvorgabe) beschlossen ist. Man fährt zwar schneller los, weiß aber nicht wohin.

Dann werden sieben Modelle vorgestellt, eines sofort als Wunschmodell bezeichnet und als Diskussionseinladung alle Offiziere mit personellen Konsequenzen bedroht, die eine abweichende Meinung haben. Das ist weder logisch noch sozial noch demokratisch.

Auch die Zahlen der Modelle ist durch nichts nachvollziehbar. Schon gar nicht die Aussagen von „gleicher Leistung bei gleichen Kosten“, wenn auf die Mitwirkung von jährlich rund 26.000 jungen Österreichern einfach verzichtet wird.

Dass alle Berufsheere Probleme bei der Rekrutierung haben, ist eine Tatsache. Je kleiner das Land, umso größer die Probleme, das weiß man allzu gut aus Schweden trotz des doppelt so hohen Finanzeinsatzes (1,3 Prozent des BIP gegenüber Österreich mit 0,7).

Dem Trend folgen?

Apropos Trend: In einem Interview gibt der Abgeordnete Bartenstein, immerhin ehemals Bundesminister, als Begründungen für die Abschaffung der Wehrpflicht an, dass man sich dem internationalen „Trend nicht entziehen“ könne. Das ist bezeichnend für den Fluch unserer Politik: sich nicht von Sachzwängen sondern von Strömungen leiten zu lassen. Deswegen, weil alle in eine Richtung schwimmen, muss man noch lange nicht wie die Lemminge nachschwimmen.  Schon gar nicht, wenn alle Schwimmer längst erkannt haben, und hinter vorgehaltener Hand auch zugeben, dass es in die falsche Richtung geht. Gilt das übrigens auch für den Trend, dass die meisten EU-Länder auch NATO-Mitglied sind und ALLE neuen EU-Länder dies als erstes wünschen?

Dass Bartenstein nebenbei die schlechten Erfahrungen seiner Söhne als Begründung heranzieht, richtet sich von selbst: Gerade in die Zeit seiner Ministerschaft fällt die unsägliche Verkürzung der Dauer des Grundwehrdienstes und damit die Erhöhung der äußerst unattraktiven Systemerhalterdienste, in die seine Söhne nun verstrickt sind.

Von wegen Trend

Das PISA-Wunderland FINNLAND sieht in der Wehrpflicht den integralen Bestandteil seines staatlichen Selbstverständnisses und denkt nicht daran, davon abzugehen.

Die SCHWEIZ hält Wehrpflicht und Milizsystem zur Umsetzung ihrer Sicherheitspolitik für unverzichtbar.

BELGIEN bezeichnet den Verlust des Kontaktes zur Bevölkerung als Hauptgrund für die Nachwuchsprobleme.

Das gilt auch für Ungarn, die Slowakei und Slowenien. Verstärkt wird dies aus der Sicht dieser Länder noch durch die ständige Reduktion der Finanzmittel, die sich zusätzlich negativ auf die Nachwuchsgewinnung auswirkt (und die auch bei uns niemals ausgeschlossen werden kann).

Fragliche Kostenneutralität

Dass das von Darabos favorisierte Modell auf den Cent genau so viel kostet wie das bisherige, ist wohl ein außergewöhnlicher Zufall. Die Frage sei aber erlaubt, welchen wirtschaftlichen Kriterien gefolgt wird, wenn man ein Heer mit 50.600 Mann gegen eines mit 33.800 tauscht, das gleich viel kostet? Das hat auch Vizekanzler Pröll klar zum Ausdruck gebracht, wenn er meint, man bekomme für das gleiche Geld eine schlechtere Armee.

Ob die für den „Worst case“ bereit gehaltenen zusätzlichen 23.000 „beorderten Milizsoldaten“, die keiner Wiederholungsübungspflicht unterliegen, den hohen Anforderungen der so gepriesenen Professionalisierung des Bundesheeres entsprechen, darf bezweifelt werden. Schamvoll verschwiegen wird auch, dass alle derzeit noch aktiven, im neuen Bundesheer aber nicht mehr benötigten Berufssoldaten – laut Darabos immerhin 11.000 Mann – natürlich ihr volles Gehalt bis zur Erreichung des Pensionsalters erhalten, ohne dafür eine Leistung für das Allgemeinwohl zu erbringen. Dass gerade mit diesen Offizieren und Unteroffizieren die für eine Berufsarmee so dringend benötigte Kompetenz verloren geht, sei auch nicht verschwiegen.

Auch stellt sich die Frage, was mit der beschlossenen Reduzierung des Wehrbudgets bis 2014 geschieht? Derzeit, und in den kommenden Jahren, stehen die 2,18 Mrd. gar nicht mehr zur Verfügung. Es gibt die angekündigten „gleichen Kosten“ nur auf dem Papier.

Die Zahlen von Darabos beziehen sich ausschließlich auf das Bundesheer. Nirgends sind die Zahlen ausgeworfen, welche die flankierenden Maßnahmen zwingend erforderlich machen (Ersatz der Systemerhalter im Bundesheer oder der Zivildiener durch andere Personen).

Wehrpflicht wird "nur" ausgesetzt

Wenn behauptet wird, dass die Wehrpflicht ja nur ausgesetzt werden, dann handelt es sich nur um einen reinen Etikettenschwindel, um möglicherweise der Änderung der Verfassung zu entgehen. Der Minister meint hierzu, dass sie ja jederzeit wiederaufgenommen werden könne. Da stellt sich sofort die Frage, wer denn dann die wieder eingezogenen Wehrpflichtigen wo ausbilden soll; wo sind die für diesen Fall bereitgehaltenen Waffen, das erforderliche Gerät etc., wenn jetzt schon alles leichtfertig verscherbelt wird?

Nebstbei: Kann man in Österreich Teile der Verfassung einfach aussetzen? Könnte das dann auch kurzfristig mit der Meinungsfreiheit (etwa für Generäle) gehen? Oder die Bundesländer? Sie würden erst dann wieder eingeführt, wenn man sie braucht …

Die Bundesverfassung sieht übrgens die Wehrpflicht für alle männlichen Staatsbürger bindend vor (im Gegensatz zu Deutschland, wo es eine Kann-Bestimmung ist). Also nichts mit dem Etikettenschwindel.

Wehrpflicht oder Wehrdienst?

Offensichtlich kennt der Herr Minister den gravierenden Unterschied nicht.

Im Art. 9a (3) des Bundes-Verfassungsgesetzes heißt es „Jeder männliche österreichische Staatsbürger ist wehrpflichtig“. Gemäß § 11 (1) Wehrgesetz besteht die Wehrpflicht aus (1) der Stellungspflicht, (2) der Pflicht zur Leistung des Präsenzdienstes, (3) den Pflichten des Milizstandes und (4) den Melde- und Bewilligungspflichten.

Wenn nun die Wehrpflicht ausgesetzt wird, heißt das nicht mehr und nicht weniger, als, dass damit auch die Stellungspflicht, die Pflichten des Milizstandes und die Melde- und Bewilligungspflicht ausgesetzt werden. Das bedeutet in Bezug auf die Stellungspflicht, dass keine Musterungen mehr durchgeführt werden. Das ist zunächst ein schwerer Schaden für die Volksgesundheit, werden doch bei der Stellung oftmals bislang unbekannte Krankheiten aufgezeigt, die dadurch rechtzeitig behandelt werden können.

Für das Darabos’sche Modell heißt es vielmehr, dass keinerlei Daten mehr über die zukünftigen Generationen junger Männer aufliegen. Wer bitte soll dann im Anlassfall zum Wehrdienst eingezogen werden? Das haben schon Maria Theresia und Josef II. erkannt, als sie die Konskription eingeführt haben.

Nur von Freunden umgeben

Österreich sei nur von Freunden umgeben: So argumentiert nur jemand, der noch immer nicht begriffen hat, dass wir in einem gemeinsamen Europa leben. Und dass sich dieses einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik verschrieben hat. Für uns als Europäer ist mit Landesverteidigung daher nicht unser schönes kleines Land allein gemeint, sondern Europa. Und dieses ist wahrlich nicht nur von Freunden umgeben. Wenn dem so wäre, stellte sich die Frage, warum dann Hunderttausende (Friedens-) Soldaten von UNO, NATO und EU am Balkan, im Nahen Osten, in Asien und in Afrika stehen – und einige von dort nur mehr im Sarg in die Heimat zurück kommen? Und warum das NATO-Land Griechenland plötzlich einen „Eisernen Vorhang“ gegenüber dem NATO-Land Türkei errichtet?

Überall auf der Welt (auch innerhalb der EU) nehmen leider die gewaltsamen Auseinandersetzungen in erschreckendem Ausmaß zu. Und überall erschallt sofort der Ruf nach Soldaten, damit diese „vor Ort“ den Frieden bewahren und/oder gegebenenfalls robust (mit Waffengewalt) wieder herstellen. Diese dürfen dann, meist ohne klaren Auftrag, und zunächst auch nicht im erforderlichen Umfang, und ohne entsprechende Ausrüstung in den Einsatz gehen. Überall stoßen die an den Einsätzen beteiligten Länder/Armeen auf Grund sinkender Freiwilligkeit an ihre personellen Grenzen. Es wird daher in Zukunft weit mehr Soldaten bedürfen, um auf der Welt einen halbwegs friedlichen Zustand zu erhalten.

Bedrohungslage kann sich jederzeit ändern

Im gleichen Atemzug überrascht der Minister mit der Feststellung, die Wehrpflicht werde ja „nur“ ausgesetzt, da sich die Bedrohungslage jederzeit ändern kann. Einen größeren Widerspruch gibt es nicht. Der Herr Minister kann sich also auf einmal vorstellen, dass morgen alles anders ist. Vergessen sind auf einmal die „lieben“ Nachbarn. Unter diesem nicht gerade optimistischen Ansatz wird ein bestehendes (wenn auch mit großen Mängeln versehenes) System gegen eines getauscht, von dem keiner weiß, wie und ob es jemals funktionieren wird. Da waren die Indianer schon klüger, als sie meinten „Wechsle niemals die Pferde in der Mitte des Flusses“.

Jede neue Bedrohung verlangt aber nach zusätzlichen Mitteln zu deren Abwehr. Es ist für jedermann nachvollziehbar, dass bei Gefahr einer neuen Grippe durch das Gesundheitsministerium Hunderttausende Impfungen um teures Geld gekauft werden (um sie dann, wenn die Gefahr gebannt und das Ablaufdatum gekommen ist, zu vernichten). Niemand wird dabei fordern, dass die für die Beschaffung benötigten finanziellen Mittel durch Einsparungen in anderen Bereichen der Gesundenvorsorge aufgebracht werden. Genau so muss der Bevölkerung nahe gebracht werden, dass bei neuen militärischen Bedrohungen auch neue Waffen und Schutzausrüstungen beschafft werden müssen.

Katastropheneinsatz

Natürlich betont der Verteidigungsminister bei jeder Gelegenheit, dass der Katastropheneinsatz ganz wichtig ist (er teilt dies mit „90 Prozent der Bevölkerung“). Verständlich, schließlich hat unsere Bevölkerung seit 1991 Gott sei Dank keine andere Gefahr in Österreich erlebt. Es darf daher in Erinnerung gebracht werden, dass die Hauptaufgabe von Streitkräften allemal noch im militärischen Einsatz zum Schutz des Landes und dessen Bevölkerung besteht, wie dies Bartenstein in seinem bereits zitierten Interview richtig zum Ausdruck bringt.

Natürlich darf nicht übersehen werden, dass die Naturkatastrophen in beängstigender Intensität und Unberechenbarkeit zunehmen. Und die Hilfe für in Not geratene Menschen, für Kranke und Behinderte, für Kinder und alte Menschen fordert eine immer umfassendere und personalintensivere Betreuung. Dazu kommt, dass auch die Unfälle aller Art an Zahl und Umfang zunehmen. Das ist aber ein Argument für einen verpflichtenden Sozialdienst. Das Heer kann hier nur unterstützend einwirken und wird es auch stets tun.

Aber Österreich und Europa brauchen innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen genügend Soldaten (und zivile Helfer), ansonsten machen wir uns mitschuldig am Leid der Katastrophenopfer und an Konflikten mit Vertreibungen und Völkermorden.

Identität des Soldaten

Einmal mehr muss klargestellt werden, dass sich die Identität des Soldaten von seinem militärischen Auftrag und nicht von seiner Rolle als Katastrophenhelfer ableitet. Daher hat die Bevölkerung uns auch als Soldaten wahrzunehmen. Der Katastrophenschutz ist eine „Friedensdividende“ einer Armee, und nicht mehr.

In diesem Zusammenhang darf auch in Erinnerung gebracht werden, dass die österreichischen Soldaten bei ALLEN Auslandseinsätzen in ihrer dienstfreien Zeit Hilfe für die unschuldig in Not geratene Bevölkerung leisten. Das reicht von der (militär-)medizinischen Versorgung bis zum Wiederaufbau von Schulen. Aber alles im Schutze der Waffen der im Dienst befindlichen Kameraden.

An dieser Stelle muss auch der unfassbaren (und unwidersprochenen) Entgleisung der grünen Abgeordneten zum Nationalrat Windbüchler-Souschill in der Sendung „Im Zentrum“ vom 16. Jänner entgegen getreten werden. Diese Frau, die immerhin auf die Bundesverfassung vereidigt ist, erklärt in aller Öffentlichkeit, dass sie froh sei, dass die Wehrpflicht aufgehoben wird, und damit „endlich Schluss mit der Ausbildung zum Töten“ sei. Niemals wurde im Bundesheer zum Töten ausgebildet. Die Ausbildung hat Schutz und Hilfe zum Inhalt. Der Waffengebrauch erfolgt ausschließlich im Zuge der Notwehr oder Nothilfe und unterliegt dabei den Bestimmungen des (Kriegs-)Völkerrechts.

Oft wird behauptet: Es gäbner zu viele Kommanden, zu wenig Truppe. Auch diesem Vorwurf muss einmal entgegen getreten werden. Österreich hat Brigade- und Bataillonskommanden für internationale Einsätze eingemeldet. Die Truppe wird dabei jeweils von den einzelnen Mitgliedsstaaten (UNO, NATO, EU) gestellt. Die Erfahrungen aller truppenstellenden Armeen haben gezeigt, dass das Personal nach einem harten Einsatz mehrere Jahre Zeit zur Regenerierung benötigt. Man darf nicht vergessen, dass Kampf-, wie auch Katastropheneinsätze die beteiligten Soldaten (und Sozialhelfer) an ihre psychischen und physischen Grenzen führen. Es ist daher unverantwortlich diese Personen öfter als etwa alle fünf Jahre in einen Auslandseinsatz zu schicken – Freiwilligkeit hin oder her. Dabei sind auch die Auswirkungen auf die Familien zu beachten. Es bedarf daher u. a. mehrerer funktionstüchtiger Kommanden, um den Einsatz über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten zu können. 

Kein Mangel an Professionalität

Immer wieder wird als Argument für die Berufsarmee angeführt, dass die Komplexität der Waffensysteme einen so hohen Grad an Ausbildung voraussetzt, dass sie nur mehr von Berufssoldaten bedient werden können. Für ein System wie z.B. die Luftabwehr gilt dies, aber nicht für eine Fliegerabwehrwaffe, die kann jeder Taliban (und bald jedes Schulkind) mit PC-Erfahrung bedienen.

Technik hilft, wie auch das Beispiel der Freiwilligen Feuerwehr zeigt: Man möge sich einmal die Komplexität der Ausrüstung jeder kleinen Dorffeuerwehr ansehen. Und wer wagt es, den Männern und Frauen der Freiwilligen Feuerwehren ihre „Professionalität“ abzusprechen? Erreicht wird dies durch eine intensive Ausbildung und ständige Wiederholungsübungen. Dazu kommt, dass es den Gemeinden einfach Wert ist, sie optimal auszurüsten. Auch hier sind Wege für das Bundesheer zu öffnen: Alle Länder stellen Katastrophen-Einsatzgeräte dem Bundesheer zur Verfügung, wie dies Niederösterreich und Wien schon tun.

Die gleichen Argumente wie für die Freiwillige Feuerwehr gelten für die Miliz. Ohne deren Professionalität wäre kein einziger Auslandseinsatz möglich gewesen. Gerade weil die Milizsoldaten auch ihre zivile Kompetenz in den Dienst der Sache einbringen.

Letztlich war es Bruno Kreisky, der die große Bedeutung der Miliz erkannte und in der Verfassung verankern – „in Stein meißeln“ – ließ. Ob auch dieser Stein zu Butter wird?

Freiwilligen-Miliz ist Söldner-Miliz

Und eines muss  allen Österreichern klar sein: Ohne Wehrpflicht gibt es keine ernstzunehmende Miliz. Die Miliz war bisher ein Pflichtteil des Heeres und jeder, der dazu einberufen wurde, konnte auf diese Pflicht verweisen und dies seinem Arbeitgeber stichhaltig begründen. Das wirkte sich auch arbeitsplatzsichernd aus. Wer in der Miliz Führungsaufgaben übernahm, tat dies aus Berufung und nicht, weil er damit Geld verdiente. Das ist der Stoff, aus dem eine ernstzunehmende Miliz entsteht.

Eine Freiwilligen-Miliz ist eine Söldner-Miliz. Geld allein wird in erster Linie weniger Qualifizierte anlocken. Aus welchem politischen Umfeld diese dann kommen ist ein eigenes Kapitel. Möglicherweise verfügen sie über genügend Paint-Ball-Erfahrung, aber die Gefahr der Versammlung einer hohen Zahl von Linksextremisten wird dabei nicht allzu hoch sein. Sicher werden aber die Hochqualifizierten nun von ihren Arbeitgebern als Hobbyisten bewertet werden, und nicht nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten um ihre beruflichen Chancen fürchten müssen. Wenn die Hochqualifizierten aber nicht kommen, dann kommt auch ihre hohe Kompetenz nicht, und diese ist nicht mit Geld aufzuwiegen.

Es gilt aber auch eine Lanze für die Rekruten zu brechen: Wer locker jährlich auf rund 26.000 junge Österreicher verzichtet, verzichtet auch locker auf ihre Kompetenz und ihr Engagement. So hätte etwa keine einzige Not- oder Behelfsbrücke ohne Grundwehrdiener je gebaut werden können. Selbst der höchste General war zuvor einmal Rekrut und nur über diesen Weg ist höher qualifiziertes Personal zu gewinnen. Dass wir sie heute im öden Systemerhalterdienst und auf nächtlichen Streifzügen im Burgenland vergeuden, ist die Todsünde an dieser Jugend.

Schutz der kritischen Infrastruktur

Der Krieg ist ein Chamäleon, statt in Panzern in Breitkeilen findet er heute asymmetrisch in Terrordrohungen und mittels Terrorangriffen statt. Das Innenministerium hat in Österreich rund 1.200 Objekte als schutzwürdig definiert. Für deren Sicherung stehen im Bedrohungsfall keine Exekutivkräfte zur Verfügung, die hätten dann sowieso alle Hände voll zu tun. Mit einem Berufsheer stünden zwar einige Spezialisten, aber keine relevante Anzahl an militärischen Assistenzen zur Verfügung. Der ursprüngliche Assistenzeinsatz an der ungarischen Grenze von 1991 bis 2007 hat eindrucksvoll bewiesen, dass ein Heer mit Rekruten sowohl rasch als auch auf Dauer und mit ausreichender Stärke solch einen Einsatz bestehen kann. Ein Berufsheer könnte dies weder mit gleicher Leistung und schon gar nicht mit gleichen Kosten.

Um den Bedarf an derartigen Sicherungskräften für gefährdete Objekte darzustellen, sei ein Beispiel aus der Schweiz herangezogen: Vor wenigen Tagen hat eine Objektschutzübung am Flughafen Zürich-Kloten stattgefunden. Dabei kamen 5.000 Soldaten zum Einsatz. Bei der abschließenden Übungsbesprechung wurde der tatsächliche Bedarf auf Grund der Ausdehnung des zu schützenden Objektes mit 10.000 Mann angegeben.

Die politischen Konsequenzen

Für welches Modell immer sich Politiker und/oder Volk letztlich entscheiden, es wird auf das Eintreffen der politischen Konsequenzen ankommen. Bislang sind bei allen Heeresreformen die angekündigten politischen Konsequenzen nur „auf halben Wegen und zu halber Tat“, wie schon Grillparzer den Fluch des edlen Hauses Österreich beschrieb, gezogen worden. Es kamen zu wenig Geld, Personal, Gesetze usw. Woher soll jetzt der Glaube kommen, dass ohne die Söhne des Volkes und bei nur wenigen Freiwilligen, die als Wählerpotential irrelevant sind, die politischen Ansagen zuhauf eintreffen werden? Oder geht es nur um das Abschieben einer Sicherheitsverantwortung an einige unentwegte Freiwillige?

Kompensiert wurde das Ausbleiben der politischen Konsequenzen stets durch die schier unglaubliche Improvisationskunst der Soldaten aller Dienstgrade, ob des Berufs- oder Milizstandes. Und der Rekruten. Nur so war es möglich, dass seit 1956 bisher jeder Auftrag an das Bundesheer im In- und im Ausland erfolgreich durchgeführt werden konnte. Das sind mehr als 50 Jahre erprobtes Mischsystem mit Rekruten – auch unter wechselnden Bedrohungen!

Da jetzt schon von allen Seiten gegen die erforderlichen „flankierenden“ Maßnahmen zu Felde gezogen wird (Stichwort Gehälter dürfen nicht über denen der Polizei liegen), dann kann man sich ausrechnen, wie das „Match“ ausgeht.

Sozialdienst und Österreichjahr

Immer wieder, zuletzt von Wirtschaftskammerpräsident Leitl, wird ein verpflichtender Sozialdienst als Ersatz für den ausgesetzten Wehr- und Zivildienst gefordert. Vergessen(?) wird dabei, dass dies der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. Diese verbietet Zwangsverpflichtungen. Ausgenommen sind ausschließlich der Wehrdienst und gegebenenfalls dessen Ersatzdienst (in unserem Fall der Zivildienst). Das bedeutet, dass es ohne Wehrdienst keinen verpflichtenden Sozialdienst geben kann und darf.

Das gilt auch für den Vorschlag der  Jungen ÖVP, die den Grundwehr- und Zivildienst durch einen „Österreichdienst“ aller jungen Männer ersetzen will. Dabei sollen die beiden Dienste einander gleichgestellt werden. Bei aller Wertschätzung für beide Dienste muss nochmals auf die Gesetzeslage hingewiesen werden, die eindeutig den einen Dienst als Norm, und den anderen als Ausnahme sieht. Es muss aber auch in Erinnerung gebracht werden, dass jetzt schon jeder taugliche junge Mann in Österreich die freie Wahl hat. Eine einfache Erklärung genügt, um den Zivildienst ableisten zu können. So gesehen haben wir bereits jetzt ein Freiwilligenheer.

Voll unterstreichen kann man hingegen die Forderung der Jungen ÖVP, die  Untauglichkeitskriterien abzuschaffen. Es kann wohl von jedem, der arbeitsfähig ist, auch dieser „Bürgerdienst“ abverlangt werden.

Resumee

Fasst man die vielen positiven Vorschläge, die in den letzten Tagen vorgebracht, und auf die hier schon eingegangen wurde, zusammen – und geht man von der verfassungsrechtlich geforderten Gleichstellung aus – so kann man eigentlich nur zu einem Schluss kommen:

Als Lösung bieten sich eine allgemeine Dienstpflicht für alle Männer und Frauen an. Ob  „Österreich-Jahr“  oder „Bürgerdienst“: Es müssten alle Bereiche in gleicher Weise und Wertigkeit umfasst sein: Militärdienst, Feuerwehr, Rettungswesen, Sozialdienst, um nur einige aufzuzählen.

Dies müsste Hand in Hand mit einer (Wieder-) Einführung von Wiederholungsübungen für alle Betroffenen gehen. Damit wäre eine „Wehrgerechtigkeit“ gegeben. Kein Jugendlicher hätte dadurch einen Nachteil. Im Hinblick auf das steigende Pensionsalter und die Lebenserwartung ist das Jahr auch seitens des Arbeitsmarktes verkraftbar.

Im Gegenteil, dieser erhält dadurch ein wenig „ältere“ und „erfahrenere“ Mitarbeiter. Für Krisen aller Art stünden unverzüglich Kräfte in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Eine interessante und fordernde Ausbildung wird dann auch zur Motivation für eine freiwillige Verlängerung oder eine Funktion in der Reserve und für einen Auslandseinsatz (wieder in der gesamten Bandbreite) dienen. Somit ist auch der Nachwuchs für Militär, Feuerwehr, Rettung, Sozialdienst etc. gesichert. Jeder Staatsbürger leistet damit neben der Steuerpflicht auch eine Dienstpflicht für die Gesellschaft und damit seinen Beitrag für den Frieden im Land und auf der Welt.

Ja zur Veränderung

Österreich verfügt derzeit über ein jahrzehntelang erprobtes System für ein kleines Land, das keinem militärischen Bündnis angehört: Eine gesunde Mischung aus Berufs-, Zeit- und Milizsoldaten, basierend auf einer allgemeinen Wehrpflicht. Im Frieden klein und überschaubar, kann es jederzeit bei Gefahr rasch hochgefahren und dauerhaft eingesetzt werden. Eine Berufsarmee wäre für ein kleines neutrales Land im Frieden zu groß, im Ernstfall zu klein und beide Male teuer. Bestenfalls in einem Bündnis wäre ein Berufsheer für ein kleines Land sinnvoll.

Es wäre ein Gebot der Stunde, die Todsünde an der Jugend in Uniform einzugestehen und sie vom unattraktiven Systemerhalter-System und von den nächtlichen Streifzügen im Burgenland zu befreien. Es wäre jedoch ein echter Fehlschluss, sie von einem Gelöbnis auf Österreich und dem Dienst an Österreich zu befreien.

Wenn Österreich all das Geld, das alleine die Umstellung von einem bekannten, aber verbesserungswürdigen System auf ein unbekanntes kostet, in die Verbesserung des bestehenden investieren würde, hätten wir – bei der hohen Qualität unsere Soldaten – ein wirklich herzeigbares Heer. Aber offensichtlich ist das das Letzte, was gewisse Politiker wollen.

Nachsatz

 „Was du tust, tue es klug und bedenke das Ende!“ (König Salomo, vor rund 3000 Jahren)

Prof. Urrisk-Obertynski hat 40 Jahre als Berufsoffizier gedient und neben vielen anderen Aufgaben mit rund 35 ausländischen Armeen Ausbildungskooperationen verhandelt. Er ist ein gesuchter Vortragender über Sicherheitspolitik sowie Wehrethik und hat 18 Bücher über österreichische Militärgeschichte geschrieben.

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