Dass Prag unser Wien im Tourismusranking längst überholt hat, wissen die gelernten Österreicher längst, die über das hohe Preisniveau in der Bruderstadt stöhnen. Auch ist bekannt, dass überall in Böhmen und Mähren herrliche Kunst- und Kulturschätze zu heben sind. Auf der Wiener Ferienmesse haben sich die 14 Regionen der Tschechischen Republik dementsprechend präsentiert. Es lohnt speziell ein Blick auf eine Region, die uns ganz nahe ist – hinter Znaim und Teltsch und rund um Iglau.
Im Vorjahr gab es die grenzüberschreitende Initiative vom Land Niederösterreich und Südmähren, wo erstmals ein Besucherpfad auf der Grenze hin und her wechselte. 2010 ergriff die tschechische Region Vysocina die Initiative und begann gemeinsam mit österreichischen Werbeagenturen einen Marketingplan für die Region „Hügelland“ – so heißt Vysocina übersetzt – zu entwickeln. Noch mögen sich viele Österreicher fragen, wozu man eine Gegend besuchen soll, die klimatisch und landschaftlich dem Waldviertel sehr ähnlich ist. Für diejenigen, die auf ihren Ausflügen nach Prag und Dresden bisher stramm durchgefahren sind, könnte sich jedoch mit einem Halt in der Region Vysocina eine aufregende, neue, reichhaltige Welt erschließen.
Der Kraj Vysocina umfasst eine Fläche von 6795 Quadratkilometern und wird von Iglau (Jihlava) aus verwaltet (Einwohner: 515.411). Fast genau durch die Mitte des Hügellandes führt die europäische Autobahn D1, E50/E65 Berlin – Prag – Brünn – Wien/Pressburg (Bratislava) – Budapest. Und ebenso bildet das Land eine europäische Hauptwasserscheide zwischen Nordsee und Schwarzem Meer. Der Westen der Region ist historisch Teil von Böhmen, der Osten liegt in Mähren. Grob gesehen fassen die Städte Teltsch und Trebitsch das Hochland im Süden ein, die Städte Havlicku Brod und Zdár nad Sázavou im Norden – und Iglau „herrscht“ in der Mitte.
Gleich drei Auszeichnungen mit dem Label „Weltkulturerbe“ der Unesco befinden sich in der Vysocina und das hebt sie selbst bei unserem damit reich gesegneten nördlichen Nachbar hervor: 1.) der historische Stadtkern von Teltsch, 2.) die Wallfahrtskirche Zelena Hora (Grüner Berg) bei Zdár nad Sázavou, 3.) das jüdische Viertel von Trebitsch sowie die nahe gelegene Basilika des Hl. Prokop im 1101 errichteten Benediktinerstift.
Vor-Ort Znaim
Nähert man sich der Vysocina aus dem Raum Wien, dann empfiehlt es sich, die auf dem Weg gelegene Stadt Znaim zu besichtigen. Und wer schon alles zu kennen scheint, sollte sich durch den Untergrund von Znaim führen lassen. Von fast 100 km mittelalterlichen Gängen und Kavernen in einer harten Granit- und Gneisplatte – sie dienten auch als Lager für Textil- und Pelzhändler – ist ein Kilometer begehbar und mit 14 Stationen auch für Kinder zu einem Erlebnis gestaltet worden. Geister melden sich in der Dunkelheit, Särge liegen am Weg, Folterinstrumente künden von einer schrecklichen Zeit; Mönche, Elfen, Zwerge begegnen dem Erforscher des Untergrundes. Die ältesten hier gefundenen Artefakte stammen aus dem Jahr 1402. Kommt man ganz nahe dem Hauptplatz wieder ans erlösende Tageslicht, dann empfiehlt sich für das Mittagessen eines der vorzüglichen Restaurants vor Ort, wie die „Goldene Gießkanne“. Wer übernachten will, findet im 3-Stern Althan Palais Hotel eine stilvolle Unterkunft im historischen Adelspalais direkt im Zentrum.
Übrigens lässt sich Znaim auch sehr gut mit der Bahn erreichen und die ÖBB bieten entsprechende Packages, wie vergangenen Herbst das Adventpaket für nur 24 Euro, das zur Zugfahrt noch eine Stadtbesichtigung und ein tschechisches Weihnachtsmenü samt Punsch und dazu ein Weihnachtgeschenk miteinschloss (Das normale EURegio-Ticket kostet € 15 hin und retour). Die Anfahrt erfolgt über die berühmte Nordwestbahnbrücke über das Thayatal. Der erste Zug gelangte am 1. November 1871 von Wien aus in die Essigkurkenstadt. Und so wie damals ist die Aussicht auf Znaim vom über die Brücke anrollenden Zug spektakulär. Und wer das erlebt hat, will auch noch einmal von der Stadt aus, auf dem Weg von der Nikolaikirche, den Felsen über der Thaya entlang zum Zentrum den „Gegenschuss“ genießen – den herrlichen Blick vom Stausee den genüberliegenden Bergrücken entlang bis zur Eisenbahnbrücke. In der besten Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg passierten täglich 40 Züge diese Stahlkonstruktion. Heute sind es um den Faktor 10 weniger. Aber man kann immer noch Iglau/Jihlava mit der Bahn erreichen und damit so in das Herz der Vysocina gelangen.
In Iglau hat der in der Nähe geborene Komponist und Dirigent Gustav Mahler seine Jugend verbracht, daher ist das beste Hotel im Zentrum der Stadt nach ihm benannt (www.hotelgmahler.cz). Nicht weit von Jihlava liegt Zdár nad Sázavou, eine Industriestadt mit 24.000 Einwohnern, und sie hegt einen ganz besonderen kulturellen Schatz: Selesna Hora – den Grünen Berg. Ein ehemaliges Zisterzienserkloster, gegründet 1252, liegt ihm zu Füßen und befindet sich heute wieder im Besitz der Familie Kinský (Wie erinnerlich haben wir in Wien ein Palais Kinsky). In einem supermodern gestalteten Ausstellungsraum stellen hier die Kinskýs einen Teil ihrer hervorragenden Gemäldesammlung aus und tragen so dazu bei, dass Touristen Selesna Hora in der Vysocina besuchen. Auf dem Gipfel des Hügels befindet sich eine große Kapelle, der Dom des Hl. Johannes von Nepomuk, eingefriedet von einem sternförmigen Gemäuer, dessen knallrotes Dach aus der Vogelperspektive einen interessanten Anblick bietet. Zumindest auf Ansichtskarten lässt sich das bewundern.
Aber auch in umgekehrter Richtung bietet sich dem Besucher der Wallfahrtskirche Spektakuläres. In das Gewölbe über dem Kirchenraum ist eine riesige rote Zunge gemalt. Sie erinnert an den Heiligen Nepomuk, der dem König gegenüber sein Schweigegelübde in Bezug auf das Beichtgeheimnis hielt, obwohl ihm das Folter und Tod brachte. Die Nepomukkirche ist in ihren ungewöhnlichen Formen und Ecken ein architektonisches Kleinod. Seit 1994 wird dieses Juwel der Barockkultur bei der UNESCO als Weltkulturerbe gelistet.
Doppeltes Weltkulturerbe Trebitsch
Weitere Kulturhighlights finden sich in Trebitsch. Die Auslöschung des jüdischen Stadtteils im Zweiten Weltkrieg wird Juden, Tschechen, Deutschen und Österreichern für ewige Zeiten in Erinnerung bleiben. 811 Bürger – praktisch alle – sind von dem Schtettel in die Konzentrationslager gebracht worden. Was auf Besucher zunächst als schön renovierte Romantik wirkt, enthält einen blutenden Stachel, der im Besucherzentrum sichtbar wird, das in einer ehemaligen Synagoge eingerichtet wurde. Ein legoartiges Modell zeigt die Lebensbereiche der jüdischen Siedlung, kleine Lichter leuchten, was immer man anklickt; die Mazzes-Bäckerei, der koschere Fleischhauer, der Brunnen, das Armenhaus, die Mühle, die Synagoge usw.
Die Familie Waldstein hat hier Besitzungen gehabt. Und Hussitenführer Zischka ist mit einer großen Schar Kämpfer durch das Tal gezogen, hat aber die 2003 zum Weltkulturerbe eingetragene Basilika St. Prokop in Ruhe gelassen. Die wurde zwischen 1240 und 1260 errichtet und ist einzigartig mit ihren romanisch-gotischen Bögen. Von der Ferne fällt der Turm der Kiche des Heiligen Martin ins Auge. Schuhfabrikant Bata hat hier produzieren lassen und am Jihlava-Fluss so wie in Zlin seine berühmten Sozialquartiere gebaut.
Stadtensemble Teltsch
Telc, 1353 gegründet, gehört zu den ältesten Städten in der Tschechischen Republik und ist touristisch ein sehr beliebter Ort. Graffitos und Fresken auf den geschmückten Giebeln der Bürgerhäuser auf dem Marktplatz sind durch italienische Architektur inspiriert und sehen bis heute wie in den berühmtesten Zeiten unter der Herrschaft der Herren von Hradec aus. Aufgrund ihrer baulichen und archtitektonischen Einzigartigkeit wurde die Stadt 1992 in das Verzeichnis der Weltkultur- und Naturerbe der Unesco eingetragen. 1339 findet man schon die Herren von Neuhaus erwähnt, die hier ein Schloss errichten, das später zu einem Renaissance-Prachtbau mit großzügigem Park und Teichen evolviert. Mit seinen heute 6000 Einwohnern blickt Teltsch auf eine reiche Geschichte zurück. Erste Erwähnungen findet man im Jahr 1333, 1339 kamen die Herren von Hradec in die Region zwischen Böhmen und Mähren. Später fanden sich hier die Lichtenstein von Kastelkorns ein und regierten später als Podstatsky-Lichtenstein bis 1945.
Am Marktplatz fallen Touristen in die Stadtgalerie ein, die stilvoll im alten, eben renovierten Feuerwehrhaus eingerichtet wurde. Es empfiehlt sich, den spätromanischen, 49 m hohen Heiligen Geist-Turm zu besteigen, der einen panoramischen Rundblick über das in 500 m Seehöhe gelegene Welterbe Teltsch bietet – auf Schloss, Park, das Jesuitenkolleg, diverse Brunnen, Pestsäule, auf Teiche und Stege.
Teltsch ist aber nicht nur feine Kulisse. In der Region Horácko gibt es an traditioneller Kultur und Gewerben keinen Mangel. So gab es zuletzt Adventkonzerte, eine lebende Weihnachtskrippe und traditionelle Weihnachtslieder der Region. Bald wird man den Frühling begrüßen: Mit örtlichen Ensembles wird die Frühjahrssaison eröffnet, Gewerbe präsentiert, Ostereier geschmückt und Osterrruten geflochten. Der Mai ist von Folklorevorführungen im Zentrum der Stadt bestimmt. Es folgen ein Märchentag, ein Treffen von Blasmusikkapellen. Kunst und Film stellen sich ein und die Französisch-tschechische Muskikakademie präsentiert die Kunst junger Studenten. In der Ferienzeit bieten Festspiele eine Vielfalt an Erlebnisssen, und den Jahrmarkt der Region Horácko. Es folgen historische Kostümfeste, z.B. die Ankunft des heiligen Wenzel oder man folgt der Einladung von Zachariás von Hradec und Katerina von Wallenstein.
Kurort St. Katerina in den Böhmisch-Mährischen Höhen
Nordwestlich von Teltsch, hinter kleindörflichen Strukturen mitten in Fichtenwäldern liegt das frühere Kloster, und heutige modernste Resort „Svatá Katerina“. Es wurde vor zwei Jahren glanzvoll renoviert. Von hier aus kann man nach Lust und Laune in alle Richtungen reiten – die Nummer 1 im Tourismus der Vysocina – wunderbar Langlaufen in kristallig glitzerndem Pulverschnee, Wandern und Radfahren über und zwischen den Hügeln der Vysocina, und zwischendurch immer wieder Kulturelles erleben. Kern des Geschens ist aber eine Heilquelle erster Güte und mit vorzüglichem Geschmack. Die spritzige Quelle kommt mit 6 Grad aus dem Boden. Seit Jahrhunderten schon wird sie als Trink- und Badekur verwendet. Das Wasser aus dem St. Katarina-Brunnen enthält Schwefel, Eisen, Natrium, Kalzium- und Kaliumkarbonat, Silikat, Sulfat, Chlorid und auch natürliche heilende Radioaktivität. Der Erholungsort verfügt über 170 Betten in luxuriösen Zweibettzimmern mit Zubehör. Der Wellnessbereich verfügt über eine finnische Sauna, Aromatherapie-Sauna, Kräuterdampfbad, Salzdampfbad, 7 Massagekabinen, dazu alle sportlichen Einrichtungen inklusive 6 Pferde in der Nähe des Tennisplatzes und ein Golfplatz. 70 Mitarbeiter finden hier Beschäftigung.
Die Vysocina ist Zielgebiet 1 der EU, und wir wissen von unserem Burgenland wie gut diese Brüsseler Einstufung einer Region tut. 350.000 Gäste beherbergt das „Hügelland“ jährlich, 90 Prozent davon sind Tschechen, der Rest Deutsche, Holländer, Briten, Franzosen und Österreicher. Sie alle verbringen dreieinhalb Nächte in dem Land mit dem „Reinheitssiegel“ der besten Luft Tschechiens. Im Resort Svatá Katerina freilich kommt zur reinen Waldluft das reiche Angebot an Wellness-Therapien und bekömmlich-gesundes Essen hinzu. Wie wäre es mit Hühnerleber und Zwiebeln auf Toast als Vorspeise zum Beispiel, oder Schweinsschnitzel mit Pilzen und Karlsbader Knödeln bzw. Hühnerschenkel mit Paprika und Reis? Und eine Früchtepalatschinke zur Nachspeise? Kalorien sind immer mit angegeben und ein diätologischer Dienst steht bereit.
Die Fahrzeuge der Gäste werden auf dem eigenen Parkplatz im 3 km entfernten Pocatky bewacht. Die Einfahrt in den Erholungsort ist aus Umweltgründen verboten. Dafür steht ein Shuttle-Bus bereit. Fernsehgeräte wird man in den Zimmern vergeblich suchen. Schonung, Heilung und Kraft-Tanken stehen im Vordergrund. Die Wochenenden im Winter sind übrigens immer ausgebucht – es empfiehlt sich die rechtzeitige Anfrage und Reservierung. (www.katarinaresort.cz)
Paul Fischer hat 21 Jahre im Journalismus gearbeitet; er startet nun eine zweite Karriere als Reiseleiter.