Schon lange nicht mehr haben so viele Menschen in Österreich von einer Systemreform gesprochen. Täglich fordern weitere namhafte Persönlichkeiten Reformen betreffend Bildung, Gesundheit, Verwaltung, Wahlrecht und Föderalismus. Doch die Katze scheint sich in den Schwanz zu beißen. Das System ist reformresistent. Es gibt ja in Österreich leider immer weniger Menschen mit Macht oder Einfluss, die nicht irgendwie auch vom gegenwärtigen System profitieren.
Wir wählen alle fünf Jahre eine Partei – und nennen das Demokratie. „Tatsächlich ist Österreich heute ein Parteien- und Verbändestaat“, steht hingegen sogar auf Seite 1 einer Ausgabe des Bundesverfassungsgesetzes (Klecatsky-Morscher, 1993), als Fußnote zu Artikel 1, der eigentlich so lautet: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus."
Wenn wir wählen, wählen wir Parteien. Diese nennen das „repräsentative“ Demokratie und verwenden es als Argument gegen eine „direkte Demokratie“, die diesen Namen auch verdiente. Und gegen ein Wahlrecht, das dem Wählerwillen wirklich gerecht würde, indem es ihn möglichst differenziert abbildet – und möglichst viele Wahlmöglichkeiten schafft.
Unser Parteienwahlrecht sei eben „gerecht“, heißt es dann. Denn Politiker sind in Österreich keine Stellvertreter ihrer Wähler, sondern Parteienvertreter! Also muss es für die Parteien gerecht sein…
Und das soll so bleiben – zumindest in diesem Punkt sind sich alle Parteien einig. Und auch darin, dass die Mittel aus der Parteienfinanzierung nicht gekürzt, sondern möglichst ständig erhöht zu werden haben – obwohl Österreich bereits jetzt Weltmeister in Sachen Parteienfinanzierung aus Steuergeldern ist.
Hinzu kommt ein Medienoligopol und Expertenkartell – ein geschlossenes System, das nach außen beinahe hermetisch abgeriegelt ist. Wie soll sich da jemals etwas ändern – ohne dass es vorher eine Katastrophe gibt?
Freiwillig werden die Parteien und ihre Nutznießer nicht auf Macht und Geld verzichten. Also muss von den Bürgern gezielt Druck ausgeübt werden. Bisher haben vor allem Protestparteien (und die Partei der Nichtwähler!) von der Unzufriedenheit der Bürger profitiert – doch diese konnten oder wollten nichts ändern.
Nun gibt es immer mehr Bürgerinitiativen und Volksbegehren. Erstere können zumindest lokal einiges – wenn auch nicht sehr viel – bewirken. Die Volksbegehren hingegen bewirkten bisher so gut wie gar nichts! Sie sind nur ein Ventil für den Volkszorn – und kommen den Parteien daher eigentlich eher gelegen. „Sollen sie nur begehren…“ Der Parteienstaat Österreich bräuchte aber dringend ein echtes demokratisches Regulativ. Einerseits sollten wohl alle Politiker einzeln und persönlich gewählt werden, nicht nur als Anhängsel einer Partei. Hier müssten sich vielleicht auch die Mitglieder und Funktionäre einmal in ihren eigenen Parteien emanzipieren!
Andererseits aber könnte man Volksabstimmungen gleichsam ins Parlament tragen. Ein ganz neues Modell demokratischer Partizipation. Eine Kooperation von Volk und Politik – von direkter und parlamentarischer Demokratie – könnte das Verhältnis zwischen Politik und Volk vielleicht revolutionieren. Derzeit ist direkte Demokratie in Österreich ein Werkzeug der Parteien; die Bürger können von sich aus nur wenig erreichen. Daher sollten Volksbegehren endlich "wirksam" gemacht werden. Und zwar umso wirksamer, je mehr Bürger sie unterstützt haben.
Am besten geschieht dies, indem – bei einer dann zwingenden Abstimmung über das betreffende Thema im Parlament! – auch die Proponenten des Volksbegehrens mitstimmen könnten. Sie sollten dabei umso mehr Mandate bekommen, je mehr Bürger das jeweilige Anliegen unterstützt haben – und zwar zusätzlich zu den 183 gewählten Abgeordneten! Wenn also etwa ein Mandat, wie bei der letzten Nationalratswahl, ungefähr 27.000 Stimmen gekostet hat, dann bedeuteten zum Beispiel 270 000 Unterschriften zehn zusätzliche Mandate für die Betreiber des Begehrens. Eine faire Formel, die es weder zu leicht, noch zu schwer macht, ein Anliegen umzusetzen. Man könnte dann noch darüber diskutieren, ob die Abstimmungen geheim sein sollten.
„Man müsste, man könnte, man sollte…“ – aber wie? Es ist eben leider schwierig. Doch der Souverän ist nicht machtlos. Wir haben das Geld, die Wählerstimmen, die Kreativität und die Fähigkeiten, endlich etwas zu ändern. All die vielen „Volksbegehrer“ könnten sich wenigstens einmal verbünden und zuallererst gemeinsam ein Riesenvolksbegehren (vielleicht mit zwei Millionen Unterschriften?) starten. Mit dem Ziel, den Instrumenten der direkten Demokratie überhaupt einmal die gebührende Wirkung zu verschaffen…
Also ein Volksbegehren für eine wirksame direkte Demokratie in Österreich! Stichwort: Volksbegehren über 600 000 Unterschriften sollen zu einer verbindlichen Volksabstimmung führen. Oder aber eben zu „Überhangmandaten“ (siehe oben) für die jeweiligen Proponenten bei einer zwingenden Abstimmung im Parlament über den Inhalt des Begehrens.
Und wenn alles nichts nützt? Dann hieße es, Geld und Unterschriften zu sammeln für die Kandidatur einer echten Reformpartei, die sich all der unerledigten Fragen annimmt. Für einen Bürgerkonvent, der Reformideen entwickelt, die wirklich auf die Interessen des Volkes eingehen. Und vielleicht auch für ein neues, unabhängiges Medium – als Forum dieses Prozesses.