Wenn die deutsche Nachrichtenillustrierte „Der Spiegel“ eine reißerische Titelgeschichte über Israel ankündigt, dann kann man sich offenbar inhaltlich entweder auf aufgeblasenen Nonsens oder auf antiisraelische Propaganda gefasst machen. Die „Spiegel-Storys“ sind stets einzig dazu geeignet, Israel-feindliche Stimmung zu verbreiten und ihr Nahrung zu geben.
In der Nummer 3/2011 titelt der Spiegel „Davids Rächer“. Im Hintergrund prangt der blaue David-Stern; und die Überschrift „Israels geheime Killer-Kommandos“ zeigt schon die Tendenz. Es ist allerdings wesentlich lohnender, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob es sich bei den sogenannten „Kommandoaktionen“ Israels um eine legitime Form der Selbstverteidigung oder um Staatsterrorismus handelt, als sich mit der Spiegel-Kaffeesud-Leserei zu beschäftigen.
Offenbar hat der Redakteur zu viel James Bond gesehen und will nun Spionagegeschichten schreiben. So beschäftigt den Spiegel die wichtige Frage der Legitimität, des „Warum“ wenig, lieber zählt man eine angebliche Tat des Mossad nach der anderen auf, um am Ende in reiner Spekulation und Effekthascherei unterzugehen. Die Tendenz des Beitrags wird ohnehin in wenigen Zeilen klar.
So schreibt der Spiegel beispielsweise: „Er (Anm. Jizchak Schamir) zögerte nicht, Dutzende Juden umzubringen (…)“, oder: „In den 63 Jahren seiner Existenz hat Israel bei der Tötung seiner Gegner eine hohe Kunstfertigkeit erworben (…)“. Der Artikel ist voll von Anmerkungen, die in eine einzige Richtung gehen: Der Staat Israel soll als „Mörderstaat“ denunziert werden. Vor allem ist der Artikel eine Ansammlung von „hätte“, „könnte“, „möglicherweise“, also oben bereits erwähnter unseriöser Kaffeesud-Leserei.
Gerade weil der Spiegel aber hier geschickt in eine Richtung schreibt, die am Ende dem „Antiisraelismus“ (wenn nicht Antisemitismus) dienlich ist, ist es aus polit-philosophischer Sicht wesentlich herauszustellen, warum es sich bei gezielten Tötungen um legitime Formen der Selbstverteidigung und nicht um Staatsterrorismus handeln kann. Die Gründe hierfür sind im Prinzip leicht zu verstehen, wenn man gewillt ist, Israel zu verstehen. Ist man es nicht, dann macht man sich entweder gar nicht die Mühe, die spezifische Ausnahmesituation des israelischen Staates zu verstehen, oder aber man steht ohnehin auf einer zweifelhaften Seite.
Gehen wir nun einmal davon aus, dass Israel derartige Aktionen durchführen lässt. Ist beispielsweise die gezielte Tötung eines Hamas-Führers als legitim zu betrachten? Bevor wir diese Frage beantworten, sollten wir uns aber erneut und gründlich mit der sicherheitspolitischen Ausgangslage Israels befassen.
Die Erfahrung des Holocaust, des planmäßigen Mordes an 6 Millionen Juden, ist eine Erfahrung, die Israel bis heute prägt. Israel ist umgeben von Feinden. Der radikale Islamismus bildet hier „lediglich“ den aktuell gefährlichsten Feind. Juden im Nahen Osten sind seit jeher der Verfolgung ausgesetzt. Ein Nebeneinander (oder gar miteinander) in Frieden ist, so wünschenswert es auch wäre, derzeit nicht möglich.
Ein Ende des Staates Israel würde die totale Auslöschung der Juden zumindest im Nahen Osten bedeuten. Israel ist nicht in einem klassischen zwischenstaatlichen Konflikt gefangen, sondern es kämpft um sein Überleben, in einem Meer von Feinden. Diese spezifische Ausnahmesituation macht es Israel daher unmöglich, ausschließlich auf die „klassischen“ Methoden der Landesverteidigung zu bauen. Allein aus dieser Perspektive werden Aktionen wie die gezielte Tötung von Scheich Jassin legitimiert. Aber auch noch eine zweite Dimension rechtfertigt ein solches Vorgehen. Durch gezielte Tötungen werden klassische Begleiterscheinungen der Kriegsführung (sogenannte Kollateralschäden) in großem Ausmaße verhindert.
Zudem fragen die Spiegel-Journalisten und Konsorten niemals nach dem tatsächlichen Grund für ein solches Vorgehen: so ist es eine grausame Tatsache, dass die Terroristen der PLO oder anderer „Freiheitsorganisationen“ den Schutz weiter Teile der arabischen Welt genossen und Juden rund um den Globus bestialisch ermordeten. Man denke etwa an das Attentat von München, oder an den Anschlag auf die israelische Botschaft in Buenos Aires. Diese Spur von Terror-Paten zieht sich bis heute durch die Unterstützerstaaten der Terroristen.
Wie soll ein Staat, der derart außergewöhnlichen Bedrohungen ausgesetzt ist, sich anders zur Wehr setzen als mit gezielten Kommandoaktionen? Soll ein jüdischer Staat es tolerieren, dass seine Bürger hingemetzelt werden, nach all den Leiden, die das jüdische Volk in der Vergangenheit erdulden musste? Soll sich dieser Staat damit abfinden, dass nicht einmal seine Existenz von den eigenen Anrainerstaaten anerkannt wird?
Israels legitimes Recht auf Selbstverteidigung soll durch tendenziöse Berichterstattung offenbar weiter in Misskredit gebracht werden. Anscheinend geht die perfide Strategie der Antisemiten, der Antizionisten langsam auf: je länger der Holocaust entfernt ist, desto mehr bauen sie auf das Vergessen und auf eine schleichende schrittweise De-Legitimation des jüdischen Staates. Umso wichtiger ist es daher, dass wir das Vergessen nicht zulassen und nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart in jenem Licht darstellen, in welches sie gehört. Israels Existenz kompromisslos zu verteidigen ist daher Gebot der Stunde. Claude Lanzmann meinte einmal: „Die Shoah war nicht nur ein Massaker an Unschuldigen, sie war auch ein Massaker an wehrlosen Menschen.“ Heute sind die Juden keine wehrlosen Menschen mehr und das ist gut so!
Johannes Auer, Jahrgang 1982, ist Publizist. In seiner Arbeit beschäftigt er sich hauptsächlich mit der politischen und religiösen Situation im Nahen und Mittleren Osten und mit der Geschichte des Judentums.