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Was war wirklich wichtig?

Die Bilanz eines Jahres wird von vielen Medien durch ein Flächenbombardement mit Daten gezogen. Viel spannender aber ist es, sich aus einer gewissen Distanz mit der Frage zu befassen, was über Todestage, Skandale und Wahlergebnisse, über Sportresultate, Katastrophen und Politikererklärungen hinaus wirklich wichtig dauerhaft bedeutend war, und wo der Lauf der Geschichte eine neue Richtung genommen hat.

2010 war – insbesondere, aber keineswegs nur – für Österreich so wie das Jahr davor ganz von den Herausforderungen durch Finanzen und Wirtschaft dominiert. Auf der Positivseite steht ganz eindeutig der am Jahresbeginn von niemandem in diesem Ausmaß erwartete Wirtschaftsaufschwung, der vor allem Schweden, Deutschland und auch Österreich erfasst hat. Zwölf Monate davor hatten viele Ökonomen und Politiker ja noch düster von Deflationsgefahren phantasiert, derentwegen es legitim und sogar notwendig wäre, hemmungslos weitere Schulden zu machen. Seither hat sich von Monat zu Monat die Stimmung verbessert.

Hauptursache der Aufhellung war der Aufschwung in Asien, wo man nach einem unerwartet kurzen Konjunkturknick wieder zu eindrucksvollen Wachstumszahlen zurückgekehrt ist. Davon konnten und können jene Länder wie die Genannten kräftig profitieren, die – noch – eine lebendige und qualitätsbewusste Exportindustrie haben. Asien füllte die Auftragsbücher und reduzierte die Arbeitslosenzahlen.

Manche Experten zeigen sind überdies auch überzeugt, dass das Schuldenmachen der Regierungen und die leichte Hand der Europäischen Zentralbank beim Drucken neuer Euro-Noten den Aufschwung mitbewirkt haben. Freilich: Selbst wenn das der Fall wäre, was ja etliche andere Ökonomen mit Hilfe von gutem Zahlenmaterial bezweifeln, sollte jedem klar sein: Auch nützliche Schulden bedeuten morgen Arbeitslosigkeit und Steuererhöhungen, die wieder weitere Arbeitslosigkeit auslösen; unmäßige Geldproduktion wie derzeit fördert eher die Bildung von Blasen als industrielle Investitionen.

Diese Blasengefahr sollte neben dem wachsenden Schuldenberg wohl die meisten Sorgen machen: Die Preise von Gold, vielen anderen Rohstoffen, Eigentumswohnungen, aber auch Aktien sind im Gegensatz zu den Investitionen unverhältnismäßig steil angestiegen. Die Ursache war die steigende Inflationsangst der Menschen. Sie sehen mit wachsendem Unbehagen, wie Europas Regierungen (und die amerikanische noch viel mehr) die Milliarden in satten dreistelligen Mengen aus dem Nichts zu zaubern versuchten.

Da haben die Menschen lieber etwas Reales in der Hand (auch eine Aktie ist immerhin ein Miteigentum an einem real existierenden Unternehmen). Die Menschen haben – zu Recht – schon zuvor dem Deflationsgerede nicht geglaubt. Und sie glauben erst recht nicht den Beteuerungen von EZB und Regierungen, dass all diese künstlich geschaffenen Milliarden auf sichere Weise finanzierbar wären.

Die Menschen fürchten  zunehmend, dass die europäischen Regierungen – neben exorbitanten Steuererhöhungen – vor allem zum Instrument der bewussten Inflationierung des Geldes greifen müssen, um die Schulden loszuwerden. Auch wenn die Politik das natürlich nie zugeben, sondern in bekannter Art  Handel, Banken oder Industrie beschimpfen wird. Wenn man wie in den 20er Jahren für eine Milliarde nicht einmal den Supermarkteinkauf decken kann, dann können Regierungen ihre Schulden problemlos zurückzahlen.

Damit sind wir auch schon beim großen europäischen Minus des ablaufenden Jahres angekommen: Beim schweren Fehler, europäische Staaten, die sich durch leichtfertiges Schuldenmachen oder durch die Rettung maroder Banken übernommen haben, mittels kollektiver Haftungen und Kredite (kurzfristig!) zu retten.

Dieser Fehler lässt sich trotz aller nunmehrigen Versuche der EU-Regierungen nicht mehr aus der Welt schaffen. Auch wenn wir nicht die vielen vertraulichen Telephonate und Gespräche kennen – seit Wikileaks erstellen kluge Politiker kaum noch schriftliche Aktenvermerke –, so ist doch klar: Vor allem Frankreich hat die deutsche Bundeskanzlerin so unter Druck gesetzt, dass diese in Verletzung der europäischen und deutschen Verfassungen nach einigen Wochen des Zögerns umgefallen ist und diesen Haftungen zugestimmt hat.

Dass infolge der Schuldenmacherei der Wechselkurs des Euro schwächer wird, ist zwar ziemlich irrelevant – obwohl viele Medien ständig davon schreiben. Die viel wichtigeren Fragen sind: Wie viele europäische Länder werden noch ihre Kreditfähigkeit verlieren? Und werden nicht die kranken Länder die gesunden mit in den Strudel reißen?

Und Österreich?

Wechseln wir zu einem unbedeutenden EU-Land: zuÖsterreich. Aus Wien war in all diesen Monaten kein einziger eigenständiger finanzstrategischer Gedanke zu Euro und EU zu hören. Und schon gar kein Gegendruck gegen den halsbrecherischen Kurs der Euroländer. Österreich selbst war auf der europäischen Bühne auch sonst weitestgehend absent. Was man aber relativ wertfrei festhalten kann. Denn dass derzeit ausgerechnet Luxemburger Politiker den restlichen Kontinent ständig zu belehren versuchen, grenzt ja schon ans Lächerliche.

Die Regierung in Wien war aber nicht nur europapolitisch weggetreten. Ähnliches geschah auch rund ums eigene Budget. Und das kann man keineswegs emotionslos kommentieren.

Da empören sich Juristen zu Recht über den eklatanten Verfassungsbruch bei der Einbringung des Budgets. Da empören sich Ökonomen zu Recht darüber, dass die Regierung trotz der dadurch eigentlich ermöglichten langen Diskussionsphase und der vor uns liegenden wahlfreien Zeit keine substanziellen Reform- und Sanierungspläne zustandegebracht hat. Statt dessen wurde absurderweise die Steuerlast noch weiter erhöht – obwohl gleichzeitig zwei der bloß drei EU-Länder, die eine noch höhere Steuerlast als Österreich haben, diese signifikant zurückgeschraubt haben. Obwohl dadurch beispielsweise Österreichs Tourismus (via Ticketsteuer) oder sein Finanzplatz (Wertpapiersteuer) nachhaltig geschädigt werden.

Ja, noch schlimmer: Die SPÖ denkt sogar laut über weitere Steuererhöhungen nach, Was noch mehr Menschen abhalten wird, so wie im letzten Jahrzehnt auch künftig in Österreich zu investieren. Die SPÖ aber ist heute vor die stärkste Partei des Landes.

Alles in allem bietet die Finanzlage trotz der gegenwärtig wieder recht guten Stimmung mittelfristig keinerlei Grund zum Optimismus.

Migration

Neben der Wirtschaft waren die Folgen der Massenzuwanderung vor allem aus islamischen Ländern das dominierende Thema. In Deutschland haben ein Buch von Thilo Sarrazin und die völlig falsche Reaktion der Parteien darauf die Debatte völlig umgedreht: Immer mehr CDU/-CSU Politiker folgen nach dem schweren Anti-Sarrazin-Patzer von Angela Merkel den Grunderkenntnissen Sarrazins: Die Zuwanderung aus islamischen Kulturen ist für die Zukunft Deutschlands schädlich. Statt der erhofften Blutauffrischung durch Leistungsträger erfolgte eine massive Zuwanderung in das üppige deutsche Wohlfahrtssystem. Überdies haben sich die Kinder der islamischen Zuwanderer sehr desinteressiert an Bildungsanstrengungen gezeigt. Beides ist für Deutschland wahrscheinlich bedrohlicher als der direkte Terrorismus extremer Gruppen – obwohl auch da die besorgniserregenden Aktivitäten signifikant zugenommen haben.

Das alles gilt für Österreich genauso. Nur wird das Thema hier viel weniger diskutiert. Was schade ist. Gleichzeitig hat in Österreich der Kampf gegen den Asylmissbrauch nachgelassen. Die Innenministerin musste auf Geheiß ihres Parteichefs – und damit indirekt unter Druck der fast geschlossen migrationsfreundlichen Medienlandschaft – in mehreren Fällen schon angeordneter Abschiebungen nachgeben. Was naturgemäß Österreich wieder für Schlepper und deren Kunden interessanter als Zielland macht.

Also haben wir: Migrantenimporte statt Kapitalimporte.

Parteien

In der Parteienlandschaft hat die SPÖ 2010 überraschend souverän den Angriff der ÖVP auf die Position der Nummer eins abgewehrt. Hat vor einem Jahr Josef Pröll als Strahlemann Werner Faymann bei vielen Umfragen überholt, so steht der ÖVP-Chef heute wie der Kaiser ohne Kleider da. Niemand sieht in Pröll noch eine Führungsfigur; er lässt sich von recht problematischen PR-Agenten  wie Wolfgang Rosam beraten, der einst von Wolfgang Schüssel in hohem Bogen hinausgeworfen worden war; und er hat sich im Budget/Verfassungsbruch/Steuererhöhungs-Thema wie in einem Irrgarten verirrt.

Gleichzeitig ist seine Partei in Wien, dem größten Bundesland der Republik, durch schwache Politikerpersönlichkeiten fast völlig ruiniert worden. Grabenkämpfe, die bis in die Zeit Erhard Buseks zurückgehen (und die auch bis heute gutteils von Busek selbst ausgelöst worden sind), haben die Wiener ÖVP in die politische Wüste geschickt. Was die Reihe der völligen Aussetzer der großen bürgerlichen Partei in den letzten beiden Jahren weiter verlängert: die ÖVP ist kultur-, medien-, justiz- wie bildungspolitisch völlig weggetreten (Lediglich in der Schuldebatte findet sie langsam wieder Boden unter den Füßen).

Am meisten aber schadet der ÖVP, dass sie sich unter Pröll alternativlos an die SPÖ gebunden hat. Diese kann dadurch alle Forderungen der ÖVP problemlos abschmettern. Weshalb Pröll immer öfter wie ein begossener Pudel dasteht, der nicht mehr weiß wohin. Obwohl er im Herbst 2009 noch sehr große Töne gespuckt hat.

Die SPÖ kann neuerdings ihre eigene Schwindsucht durch den hemmungslosen Populismus Faymanns bremsen (aber keineswegs stoppen!). Der SP-Chef hat in seiner ganzen Karriere noch nie ein Ziel verfolgt, dass über den reinen Machterhalt hinausginge.

Daher setzt sie den Kurs des Panem et Circenses fort. Sanierung, Reform, Verantwortung, Verfassungskonvent, Zukunftsorientierung sind für Faymann absolute Fremdworte. Bestechung von Medien mit fremdem (Steuer-)Geld, beinharte Personalpolitik und substanzloses Schönreden bestimmen hingegen die Faymann-Politik.

In einem einzigen Punkt hat Faymann ohne viel Aufsehen den SPÖ-Kurs signifikant geändert: Die Partei hat sich zu guten Teilen von linken Gutmenschen verabschiedet. Dennoch können die Grünen nichts dazugewinnen – mit ihrem heutigen Führungs-Personal werden sie aber auch weiterhin nicht wachsen können.

Arge Schwindsucht beutelt das BZÖ – auch wenn die Partei mit Umfragen herumwachelt, die BZÖ-Zuwächse behaupten. Das BZÖ ist in vielen Fragen wie der Gesamtschule auf Linkskurs gegangen, was ihr das Heide-Schmidt-Schicksal garantiert.

Der große Gewinner der meisten Wahlen und Umfragen ist die FPÖ. Sie profitiert interessanterweise als einzige von der Schwäche der Regierung. Sie hat eine schlichte, aber klare Botschaft – und nicht so wie Grün und Orange täglich eine neue. Dennoch wissen auch die FPÖ-Wähler, dass diese Partei – derzeit? – nicht regierungsfähig ist. Vor allem im Bereich Wirtschaft und Finanzen findet sich bei der FPÖ-Spitze absolut nichts Greifbares.

Die FPÖ profitiert vor allem deshalb, weil die zwei Linksparteien, aber auch fast alle Medien immer wieder heftig eine braune Gefahr in Form der FPÖ an die Wand malen. Das aber ist längst so unglaubwürdig, dass die gegenteilige Wirkung erzielt wird: Da die FPÖ so heftig attackiert wird, wird sie im Gefühl der Wähler zur einzig vorhandenen Alternative. Und nach der suchen die Menschen vor allem dann mit Inbrunst, wenn die amtierende Regierung Blässe und Perspektivlosigkeit ausstrahlt.

Und sonst hat . . .

in England eine vorerst eindrucksvoll tatkräftige liberal-konservative Regierung die Macht übernommen;

in Brasilien eine verbal linke Regierung mit den klar marktwirtschaftlichen Rezepten des vorletzten Präsidenten sensationelle Wirtschaftserfolge erzielt;

in den USA die Wähler allen linken Träumen Barack Obamas ein Ende bereitet, die er mit der teuren Gesundheitsreform begonnen hat;

in Russland jede Hoffnung auf Rechtsstaatlichkeit ein Ende gefunden – und die dringend notwendige Diversifizierung der Wirtschaft weg vom reinen Rohstoffexport hat auch 2010 keinen Anfang gefunden;

in China das Regime in Sachen Rechtsstaat ebenfalls brutal agiert, aber gleichzeitig hat es die Wirtschaft wieder heftig wachsen lassen und das Land zum weltweit größten Exporteur entwickelt – jedoch keinen Anfang für einen Ausstieg aus der alles lähmenden Korruption gefunden;

noch in vielen anderen Ländern die Hoffnung auf Recht und Demokratie einen Rückschlag erlitten: in Belarus und Thailand; in Venezuela und Iran; in Nordkorea und Palästina. Mit anderen Worten: Die zwei schönen Jahrzehnte sanfter, aber erfolgreicher Revolutionen sind endgültig zu Ende;

und zum guten Ende das Tagebuch das Jahr 2010 dank vieler treuer Partner gut überleben können. Weshalb diesen besonders zu danken ist. Möge das neue Jahr für Partner, Leser und Tagebuch ohne allzu schlechte Nachrichten ablaufen.

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