Dollar oder Euro? Ja, warum nicht?

Mit der in der Überschrift angesprochenen Pointe hat Erich Streissler am Donnerstag einen spannenden Abend im dicht gefüllten Piaristenkeller eröffnet. Die Partner des Tagebuchs und eine Studentengruppe diskutierten mit ihm und Tagebuch-Schreiber Unterberger die Zukunft des Euro und der österreichischen Wirtschaft.

Der prominente Ökonom zeigte dabei seine große Sympathie für den Euro als Leitwährung. Denn eigentlich spreche vieles gegen den Dollar in dieser Funktion. Dennoch würden weltweit immer noch 65 Prozent der Geldgeschäfte in Dollar abgewickelt und nur 25 Prozent in Euro. Der einzige Grund hierfür sei die durch Gewohnheit begründete Trägheit des Marktes, rationale Gründe gebe es nicht.

Der Dollar sei in Wahrheit schon die Währung der Chinesen. Diese halten zwei Billionen Dollar als Währungsreserven. Würden die Chinesen aufhören, den Amerikanern solcherart Geld zu leihen, wären die USA innerhalb von drei Monaten bankrott. Die Chinesen hatten vor kurzem ihre Währung, den Yuan, aufgewertet, was ihnen in Streisslers Analyse Wirtschaftswachstum gekostet hat. Eine weitere große Aufwertung sei daher nicht zu erwarten.

Der amerikanische Notenbankpräsident Bernanke sei ein Experte für die Wirtschaft der Dreißiger Jahre. Er wolle so wie damals eine hohe Inflation schaffen, um die Wirtschaft anzukurbeln und die amerikanischen Schulden abzubauen. Bernanke drucke deshalb immer mehr Geld. Dennoch gelänge es den Amerikanern nicht, eine Inflation auszulösen.

Dem Euro prophezeite Streissler eine rosige Zukunft. Hauptgrund sei, dass die Europäische Zentralbank gesetzlich einer einzigen Aufgabe verpflichtet sei, nämlich den Geldwert des Euro – der in Wahrheit eine Fortsetzung der D-Mark sei – stabil zu halten. Die amerikanische Notenbank Fed habe hingegen auch andere wirtschaftspolitische Aufgaben, etwa die Konjunkturpolitik.  

Unterberger hielt dem entgegen, dass auch die EZB in der Griechenlandkrise die Ausrichtung auf die Stabilität verlassen habe und gesetzwidrig mit der Unterstützung einzelner Mitgliedsstaaten begonnen habe. Selbst der EU-Ratspräsident van Rompuys sehe  Eurozone schon „in einer Überlebenskrise“.

Streissler konterte mit dem Hinweis, dass es sich dabei lediglich um einzelne Länder handle und dies nicht gleich einem Scheitern des Euro gleichkäme. Van Rompuy benutze zwar gerne, wie alle Politiker, dramatische Phrasen, wahr seien sie deshalb noch lange nicht.

Streissler ließ sich auch durch Unterbergers Hinweis auf den explodierenden Goldpreis und auf die steil steigenden Immobilienpreise nicht überzeugen, dass die Europäer das Vertrauen in den Euro verlieren. Der Goldpreis schwanke öfter stark. Es würde vermehrt spekuliert, da die Leute gar nicht mehr wüssten, wohin mit dem Geld, das sie auf Grund der niedrigen Zinsen bekämen. Seiner Meinung nach lägen die Inflationsraten (in Österreich zuletzt offiziell bei 2,0 Prozent) in Wahrheit bei Null, da die offiziellen Inflationsraten immer um ein bis zwei Prozent zu hoch gemessen werden, wie Wissenschaftler nachgewiesen hätten. Es könne daher keine Rede von einer hohen Inflation sein, das Geld würde gehortet und gar nicht in den Wirtschaftskreislauf kommen.

Zur Zukunft der bedrängten EU-Länder Griechenland, Irland und Portugal prophezeite Streissler einen „Haircut“. Banken, die Anleihen dieser Länder halten, werden eben diverse Summen abschreiben müssen. Das sei es dann aber auch schon gewesen. An einen dadurch drohenden Dominoeffekt glaubt er hingegen nicht.

Auf den österreichischen Finanzminister Josef Pröll angesprochen, meinte Streissler, dieser habe es schwer, da er ja einen Kanzler habe, der schon so oft umgefallen sei, sodass ein weiteres Umfallen eigentlich gar nicht mehr möglich wäre. Pröll habe zwar zu allen Vorschlägen Streisslers Ja gesagt, nur ob Pröll sie umsetze, sei eine andere Frage.

Streisslers Fazit: Wir haben einen sehr schwachen Finanzminister, aber Gott sei dank in einer recht schwachen Krise.

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