Die Schweizer Ausschaffungsinitiative wirbelt enormen medialen Staub auf, besonders außerhalb der Schweiz. Wesentlich wichtiger und zumindest aus österreichischer Sicht auch überraschender ist jedoch, dass die Steuergerechtigkeitsinitative der Schweizer Sozialdemokraten mit Bomben und Granaten durchgefallen ist.
Zum ersten: Warum ist das Ergebnis der Ausschaffungsinitiative eigentlich relativ egal? Auch der Gegenvorschlag wäre sehr weit gegangen. Auch er hätte eine automatische Ausweisung vorgesehen, hätte dies allerdings am Strafrahmen festgemacht und nicht an einem Katalog von Delikten. Da in der legistischen Umsetzung der Ausschaffungsinitative Bagatelldelikte wohl ausgenommen werden, sollte der Unterschied am Ende relativ marginal sein. In der Schweiz herrscht also weitgehender Konsens über (fast) alle politischen Parteien hinweg, dass mit kriminellen Ausländern sehr restriktiv umzugehen ist.
Zum zweiten: Die Steuergerechtigkeitsinitiative hat mit klassischen Neidreflexen gespielt und hat versucht, eine "Eat-the-rich"-Stimmung zu erzeugen. Die Forderungen klingen für einen Österreicher geradezu unglaublich: Auf Einkommen über 250.000 Schweizer Franken soll ein Grenzsteuersatz von zumindest 33,5% gelten (22% für Gemeinden und Kantone, zuzüglich zu den bereits bestehenden 11,5% auf Bundesebene).
Der Hintergrund dazu: Die Schweiz hat ein tatsächlich föderales Regime entwickelt (im Gegensatz zu Österreich, wo sich der Föderalismus auf das Ausgeben beschränkt). Das heißt, dass Gemeinden und Kantone ihre Steuersysteme individuell ausgestalten können. Dieses System ist die Basis für einen sehr gesunden Steuerwettbewerb, der einerseits dazu führt, dass in einigen Kantonen und Gemeinden sogar degressive Steuersysteme gelten, andererseits Gemeinden und Kantone in den Ausgaben sehr diszipliniert vorgehen. Beides ist der Linken naturgemäß ein Dorn im Auge, daher die Initiative, einen Mindeststeuersatz einzuführen.
Dieser Vorschlag ist nun mit Bomben und Granaten abgelehnt worden. In der gesamten Schweiz lehnten mehr als 58% den Vorschlag ab, auch fast alle Kantone haben sich dagegen gestellt. Beides mit einer Beteiligung von über 50%. Die Schweizer (und die wenigsten wären von den Steueränderungen tatsächlich persönlich betroffen gewesen!) haben sich damit gegen Zentralismus, gegen höhere Steuern und gegen eine Gefährdung des Wirtschaftstandortes gestellt, der in den letzten Jahren enorm vom attraktiven Steuersystem profitiert hat.
Die Schweiz hat eine beinahe vernachlässigbare Arbeitslosigkeit, erwirtschaftet Budgetüberschüsse und der Schweizer Franken hat in den letzten Monaten ein Rekordniveau gegenüber dem Euro erreicht. Auch aus der Finanzkrise – man sollte meinen, dass die Schweiz hier besonders betroffen sein sollte – hat man sich sehr schnell erholt. Der Großteil der Schweizer hat verstanden, dass es hier keine Notwendigkeit für Änderungen gibt, ja dass die vorgeschlagenen Änderungen sogar gefährlich für die zukünftige Entwicklung der Schweizer Wirtschaft gewesen wären.
Wie würde eine derartige Diskussion in Österreich ausgehen? Schwer zu sagen. Wenn man der veröffentlichten Meinung traut, würde der Grenzsteuersatz für Reiche wohl jenseits der 70% liegen. Aber wie so oft könnte die veröffentlichte Meinung diametral der Meinung der Mehrheit widersprechen. Inwieweit würden die Österreicher verstehen, dass die Gestaltung des Steuersystems absolut essentiell ist, um als Arbeitsort für Leistungsträger attraktiv zu bleiben? Oder braucht es jahrelange Erfahrung im verantwortungsvollen Umgang mit direkter Demokratie, um solche grundvernünftigen Entscheidungen zu treffen?
Sicher ist nur, dass sich in Österreich derzeit keine Partei für die Leistungsträger einsetzt, während in der Schweiz die Mehrheit der Bevölkerung hinter diesen Leistungsträgern steht.
Mag. Stephan Unterberger ist ein österreichischer Ökonom und arbeitet in Zürich für ein multinationales Unternehmen.