Steirische Landtagswahl: Spannend bis zum 4. Oktober?

Die steirischen Landtagswahlen bleiben bis zum Wahlabend am 26. September, möglicherweise sogar bis zur Auszählung der letzten Wahlkartenstimmen am 4. Oktober spannend. Alle Meinungsforschungsinstitute prognostizieren ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Die Umfragen der letzten Woche brachten folgende Ergebnisse:

Vor allem folgende drei Fragen sind offen:

  1. Wer wird die Nummer 1 in der Steiermark?
  2. Wie stark werden die Freiheitlichen? Gibt es einen Winter-Effekt – wie bei den Grazer GRW 2008, die mit einer ziemlichen Enttäuschung endeten – oder einen Sarrazin-Effekt, also viele heimliche Unterstützer, die sich nicht deklarieren?
  3. Schafft es die KPÖ wieder in den Landtag?

Es ist möglich bis wahrscheinlich, dass mindestens eine der drei aufgezeigten offenen Fragen am Wahlabend noch nicht beantwortet ist. Die Erfahrungen sowohl bei den Nationalratswahlen 2008 als auch bei den burgenländischen Landtagswahlen sprechen dafür. Bei beiden wanderten zwischen Wahlabend und Gesamtstimmen-Auszählung noch Mandate – im Burgenland kamen die Grünen überhaupt erst durch die Briefwahlstimmen in den Landtag.

Abgesehen davon, dass das gegenwärtige Briefwahlsystem dem Missbrauch für taktisches Wählen – Stimmabgabe auch nach Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnisses – Tür und Tor öffnet, wird durch achttägiges Warten auf mögliche zusätzliche bzw. eingeschränkte Koalitionsoptionen wertvolle Zeit vertan.

Der Autor hat bereits mehrfach vorgeschlagen, dass nur Briefwahlstimmen ausgewertet werden, die bis Wahlschluss eingehen.

Bei den Nationalratswahlen 2008 waren von den 4,990.952 gültigen Stimmen in ganz Österreich 461.408 Wahlkartenstimmen, in der Steiermark 67.735 von 767.019.

Geklärt scheint, dass die Grünen zwar in den Landtag, aber nicht in die Landesregierung kommen, wofür rund 10 Prozent der Stimmen notwendig wären.

Laut Umfragen hat das BZÖ keine Mandatschancen, obwohl Gerald Grosz versucht, auf den Winter-Effekt zu setzen und im FPÖ-Wählerteich zu fischen. „Die Christen“ werden eine marginale Größe bleiben.

Seit 1945 Wechsel der LH-Parteien in Burgenland, Kärnten, Salzburg und Steiermark

Sollte Franz Voves mit der SPÖ die 2005 in der Steiermark erstmals gewonnene Mandatsmehrheit tatsächlich wieder verlieren, widerspricht das der bisherigen Statistik der österreichischen Landtagwahlen seit 1945.

Seit 1945 hat es vor der Steiermark bei mehr als 100 Landtagswahlen nur in drei Bundesländern einen Wechsel der Landeshauptmann-Partei gegeben – 1964 im Burgenland, 1989 in Kärnten und 2004 in Salzburg – und bisher hat es die Partei, die den Landeshauptmann verlor, noch nie geschafft, den Landeshauptmann zurückzugewinnen.

Im Burgenland sank die ÖVP von 47,3 Prozent 1964 auf 34,6 Prozent 2010 ab, in Kärnten fiel die SPÖ seit 1989 von 46 Prozent auf 28,7 Prozent.

Etwas anders stellt sich die Situation in dem 2004 von Gabi Burgstaller und ihrer SPÖ eroberten Salzburg dar. Sie verlor 2009 6 Prozent und liegt mit 39,4 Prozent nur mehr knapp vor der ÖVP mit 36,4 Prozent, die selbst 1,4 Prozent verlor. Der Vorsprung von 7,5 Prozent 2004 ist auf 2,9 Prozent, also um 4,6 Prozent geschrumpft.

Voves–Schützenhöfer Kopf an Kopf

In der Steiermark hatte die Voves-SPÖ 2005 mit 41 ,7Prozent nur einen Vorsprung von 3 Prozent auf die Klasnic-ÖVP von 38,6 Prozent. Eine Extrapolation des Salzburger Trends würde also wiederum eine Mehrheit für die Schützenhöfer-ÖVP ergeben. Überdies haben die Ergebnisse der steirischen Gemeinderatswahlen vom März 2010 nicht nur massive SP-Verluste, sondern auch VP-Gewinne erbracht. Der Abstand ÖVP zu SPÖ war bei steirischen Gemeinderatswahlen noch nie so groß wie 2010.

Dennoch muss ein gewisser „natürlicher“ Amtsinhaber-Bonus in Rechnung gestellt werden, den es für alle Landeshauptleute in Österreich – in der Steiermark freilich schwächer ausgeprägt als anderswo, aber doch – gibt. Auch der Bundestrend ist unwägbar. Sollte die Volkspartei die Pole-Position schaffen, wäre das ein österreichweit beeindruckender Erfolg für Hermann Schützenhöfer und sein Team.

Die SPÖ war übrigens bei steirischen Landtagswahlen neben 2005 auch schon 1953 stimmenstärkste Partei – damals allerdings nur hauchdünn, aber die Wahlarithmetik sicherte der ÖVP ein Mandat mehr. 1995 kam es bei knappem VP-Stimmenvorsprung zu Mandatsgleichstand.

Alle Umfragen zu den steirischen Landtagswahlen prophezeien ein mehr oder minder offenes Rennen.

Jüngste deutsche Umfragen und Entwicklungen

Die letzte Umfrage der deutschen Forschungsgruppe Wahlen vom 11. September brachte folgendes Ergebnis (in Klammern die Veränderung zur Bundestagswahl 2009) und zeigt weiteren Aufwind für die Grünen:

CDU/CSU 32% (-1,8)
SPD 31% (+8,0)
Grüne 17% (+12,3)
Linke 10% (-1,9)
FDP 5% (-9,6)

Vor dem Hintergrund dieser Umfrage-Ergebnisse und der Sarrazin- und Steinbach-Debatten wird gegenwärtig viel über eventuelle Chancen neuer Parteien spekuliert.

(Professor Herwig Hösele war Präsident des Bundesrates (ÖVP) und ist als Geschäftsführer der "Dreischritt GmbH" und der "public opinion GmbH" publizistisch tätig. Er erstellt vor allem politische und strategische Analysen.

Mehr unter www.dreischritt.at)

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