Der ORF, auf dem Küniglberge, nicht unweit des Schlosses Schönbrunn (wo noch vor hundert Jahren die Hoheiten alter Prägung residierten), ist der neue Olymp der Deutungshoheit.
Die Götter der Political Correctness erklären uns von hier die Welt; sagen uns, was korrekt oder verboten ist; und, wenn schon nicht wo Gott wohnt – so doch zumindest, wo er arbeitet. Die allerletzten Autoritäten des Anstandes, die Leuchttürme der Tugend, die Gradmesser und Richtschnüre der Korrektheit.
Was einst auf der Bastille begonnen hatte, findet nun endlich seine Vollendung: Gleichheit von allem und allen – in jeder Hinsicht. Unterschiede waren vorgestern. Tapfer bietet man all den Kapitalisten und Neoliberalen die Stirn, entlarvt jeglichen Missbrauch aller Art, beherrscht die Politik – der man, nur aus Höflichkeit, zu dienen vorgibt.
Immer, wenn jemand vermeinen möchte, weiter links ginge nicht mehr, belehren sie uns noch einmal eines Besseren: Denn Gott ist groß – und auf dem Küniglberg ist viel Platz. Mitten im Grünen, gelingt überdies auch die Tarnung besonders gut. Denn Grün ist nach Rot immerhin die absolute Lieblingsfarbe.
Deshalb wird man wohl auch auf dem lieb gewonnenen Olymp bleiben, auch wenn die Sirenen aus dem ehrwürdigen Sankt Marx noch so laut und schön zu locken vermögen… Statt heilige Kühe zu schlachten, wird dokumentiert, dass man ja nicht extra erst nach Sankt Marx ziehen muss, um zu zeigen, was einem wirklich heilig ist…
Doch noch heiliger als Marx ist die Meinungsfreiheit – solange es nur immer die eigene ist. (Also rot, grün, „korrekt“ usw.) Der Staat ist gut – außer natürlich bezüglich Polizei oder gar Militär. Auch die Demokratie wird sehr hoch gehalten, solange die Resultate stimmen.
Und Ähnliches gilt für den Rechtsstaat: Solange er weit genug links ist, ist eigentlich fast alles recht. „Die Linken haben immer recht, und die Rechten sind ja doch nur link“, scheint schließlich ein anderer Leitspruch aus der Corporate Identity zu lauten. Und der Markt ist natürlich ein Hort der Übel aller Art – aber wenn die Quote stimmt, kann es dennoch nie schaden. Für einen „guten Zweck“ ist ja sogar Geschäftemachen erlaubt!
Christoph Bösch, M.A. ist Publizist in Wien und Gründer der Initiative "Mehr Wahlrecht".