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Die sprachbehinderte Touristenstadt

Wien lebt in spürbarem Umfang vom Tourismus. Die Schätze und das Ambiente der Kaiserstadt üben einen unwiderstehlichen Reiz aus. Wie Krähwinklerisch mit diesem Reiz umgegangen wird, das zeigen die Vergleiche, die viele Österreicher im Sommer wieder mit anderen europäischen Städten anstellen konnten.

In fast jeder bedeutenderen Stadt Europas muss man fürs Parken zahlen. Das ist längst eine notwendige Sache. Nur in Wien scheinbar nicht - denn die Wiener Kurzparkregeln sind für einen Ausländer ein unverständliches und geheimes Buch, dessen Inhalte und Geltungsbereiche ja auch schon für viele Besucher aus den Bundesländern rätselhaft sind. Den Juristen mögen die irgendwo am Rand einer Kurzparkzone stehenden Tafeln genügen, obwohl sie Kilometer vom Ort der Parkplatzsuche entfernt sind; den Regeln einer effizienten Kommunikation - noch dazu gegenüber den vielen nicht Deutsch sprechenden Fahrern - widersprechen sie hingegen diametral.

In anderen Städten sind die Zahlvorschriften viel transparenter, zumindest Parkometer an jeder Kreuzung machen sie präzise deutlich, und das meist mehrsprachig. In Wien hingegen bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Touristen werden durch Strafmandate verärgert; oder die Wiener ärgern sich, weil ausländische Autos straffrei davonkommen.

Es ist auch schlicht absurd, dass im Unterschied zu vielen anderen Städten die mündlichen wie schriftlichen Informationen für Fahrgäste der Wiener Linien (sofern die U-Bahn nicht wieder einmal kollabiert) nur auf Deutsch und nicht zur Gänze auch auf Englisch kommuniziert werden. Gewiss eine schwierige Sprache (die man offenbar nur dann in geheimen Nachhilfestunden wenigstens bruchstückhaft zu lernen bereit ist, wenn man aus dem Rathaus plötzlich ins Bundeskanzleramt übersiedelt).

Aber dennoch ist Englisch die wichtigste Weltsprache. Türkisch reicht halt nur für den Wiener Wahlkampf, aber nicht für Touristen.

Begreift das die alleinherrschende SPÖ nicht, ist sie zu proviniziell? Oder fürchtet sie sich vor ein paar Uralt-Wählern, die beim Erklingen englischer Töne wienerisch granteln könnten: "Wos brauch ma des?"

Freilich haben die U-Bahn-Genossen auch für die deutsche Sprache kein Gefühl. So sind Lautsprecherdurchsagen "Bitte zurückbleiben" ob ihrer Doppeldeutigkeit geradezu kabarettreif. Oder sind sie zu zurückgeblieben, um das zu begreifen?

Noch ärger treiben es freilich die Österreichischen Bundesbahnen. Dort wird eine Preisermäßigung für Jugendliche mit Stammel-Sprüchen wie "Sommer Oida, Party Oida" beworben.

Noch peinlicher gehts wohl nicht mehr. Oder soll jetzt ganz bewusst allen Reisenden signalisiert werden, dass eine sehr spezifische Jugendschicht, die bisher eher durch Herumlungern in Parks gekennzeichnet war, jetzt gleichsam amtlich das Recht bekommen hat, mit dem ÖBB-Sommerticket die Züge "zu deiner Party" zu verwandeln? Ganz abgesehen davon, dass mir Experten für Unterschicht-Jugendsprache versichern, dass die "Oida"-Sprache schon wieder mega-out wäre . . .

Aber solche Werbekampagnen sind wohl das Produkt neuer "Marketing-Experten", die nun bei der ÖBB versorgt wurden, nachdem sie zuvor etwa im Unterrichtsministerium die Bundeshymne verunstaltet haben. Dabei hatte ich geglaubt, die neue Bahn-Führung hat nur deshalb solche Typen übernommen, damit die Bestechung SPÖ-freundlicher Zeitungen durch ÖBB-Inserate in noch brutalerer Form über die Bühne gehen kann. Welch Täuschung, die neue Bahnführung schaltet zwar weiterhin eifrig Inserate, ist aber nun auch sprachschöpferisch unterwegs.

Mit Sprüchen wie "Volle Fahrt statt volle fad" könnten sich die Eisenbahner ja glatt als Reserve-Verseschmiede bei der FPÖ bewerben, wenn in einem haben Jahr schon wieder eine neue Garnitur an der ÖBB-Spitze versorgt werden muss.

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