Stress und Selbstinfektion

Der Banken-Stresstest ist vorbei. Doch nach dem Stress ist vor dem Stress. Die hochverschuldeten Gemeinden haben ihn schon und hoffen auf Entspannung – von oben (Bund). Die Steuerzahler – das sind bei weitem nicht alle Staatsbürger – haben ihn auch und befürchten noch höheren Druck.

Sie hören die Schlag- und Flachworte von „den Reichen, die zahlen sollen“. Sie zählen zwar nicht zu den Reichen, ahnen aber, dass sie im Zweifelsfall dazu gezählt werden. Nicht jeder kann „stiften gehen“.

Auch das Bundeskanzler- und Klubobmannwort (SPÖ), dass jene, die die Krise mit verursacht haben, zur Kasse gebeten werden sollen, beunruhigt. Aber der Kanzler sonnt sich vermutlich in der warmen Vorstellung, die er von der Publikumswirksamkeit seiner Sprüche hat. Er zielt auf die schlichten Gemüter in den eigenen Parteireihen, wenn er den „Schuldigen“ droht und drohen lässt.

Die politisch Verantwortlichen in den USA werden damit ja wohl kaum gemeint sein (Bill Clinton, Greenspan, Bernanke, Geithner & Co). Bei ihnen würden Faymann und Genossen kaum Gehör finden – so sie sich überhaupt verständlich machen können. Gemeint sind vielmehr jene, die ihr Geld „angelegt“ haben – und in der Krise meist viel Geld verloren.

Und natürlich die Banken. Diese hat man als Quelle entdeckt; als Quelle des Übels und als Geldquelle. Sie sollen gefälligst günstige Kredite möglichst großzügig vergeben – auf dass keine Kreditklemme entstehe und die Wirtschaft in Schwung komme; gleichzeitig sollen sie ihr Eigenkapital aufstocken und ein Bankenabgabe zahlen (am besten fürs nationale und fürs EU-Budget). Schließlich habe man sie „gerettet“. Dass die Banken dafür hohe Zinsen zahlen (so sie es können) und die Schulden ehestmöglich abzutragen versuchen, wird still genossen.

Die Budgetlöcher, die dabei Begehrlichkeiten wecken, stammen aber nicht primär aus krisenbedingten „Rettungspaketen“ (Darlehen an Banken, Autoverschrottungsprämie, Wärmedämmungsaktionen etc.), sondern sind das Ergebnis der internationalen Wirtschaftskrise, die dem Staat Steuerausfälle beschert hat (z.B. durch Einbrüche beim Export etc.).

Die gestiegenen Ausgaben freilich bleiben. Diese sind zum Teil mutwillig verursacht. Zum Beispiel durch die „Sternstunde des Parlaments“ kurz vor der Wahl 2008. Damals konnte zwar jeder Englischkundige schon lesen, was sich seit 2005-2007 in den USA angebahnt hatte und die Zeichen an der Wand (Entwicklung der Leiharbeit) waren auch hierzulande sichtbar – aber man diskutierte allen Ernstes eine Halbierung der Mehrwertsteuer, verlängerte die Hacklerregelung und erhöhte das laufende und kommende Defizit des Staatshaushalts, und das nachhaltig. Den „Verursachern“ dieser Entwicklung ist das gleichgültig: Sie haben die Stimmen, um jetzt andere zur Kassa zu rufen; denn nichts ist so wenig erschöpfend, wie andere zu schröpfen und nichts leichter zu ertragen, als fremdes Unglück.

Die Krise hat aber auch ihr Gutes: Sie bringt die Schwächen und Schwachstellen an den Tag: in der Wirtschaft und in politischen Institutionen. Die Erwartung, morgen werde so sein wie heute und man könne Geld versprechen und ausgeben, das man (noch) nicht hat, ist zumindest erschüttert. Erschütternd ist freilich auch, dass die Schwere der Krise längst nicht von allen begriffen wurde.

Hoffnungsvoll empfehle ich zwecks besseren Begreifens und Ursachenerkenntnis:
Michael Lewis
Panic The story of modern financial insanity Penguin 2008(!)
Michael Lewis The Big Short. Inside the Doomsday Machine N.Y. 2010
Richard A. Posner The Crisis of Capitalist Democracy Harvard Univ. Press. 2010

Aber ich fürchte, die Empfehlung ist vergebens. Gerade jene, die genauere Kenntnis der Krisenursachen bräuchten, werden sich nicht in Bücher vertiefen. Sie sind damit beschäftigt, ihre Stehsätze zu üben und sooft zu wiederholen, bis sie diese schließlich überzeugend finden. Das nennt man „gelungene Selbstinfektion durch den eigenen Schmäh“.

Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes.

 

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