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Eine deutsche Bischöfin ist nach einer Alkoholfahrt zurückgetreten, 1.54 Promille und eine ignorierte rote Ampel kosten ihr auch ein Jahr lang den Führerschein, obwohl die Fahrt unfallfrei geblieben war. Was ist da nun am Platz: Häme oder Mitleid?
Weder noch. Häme kann nur empfinden, wer glaubt, dass Priester oder Bischöfinnen andere, oder gar bessere Menschen wären als Du und Ich. Sie sind im Gegenteil ebenso wie Politiker oft unter Druck von Gastgebern, die es scheinbar mit dem prominenten Gast gut meinen, die ihnen immer noch einen "One for the Road" einschenken. Diesem Druck können sich Priester wie Politiker oft nur schlecht entziehen, weil für sie fast jeder gesellige Kontakt auch irgendwie eine P.R.-Aktion für Kirche oder Partei ist, bei der man als sauertöpfischer Spaßverderber und Abstinenzler ziemlich schlecht dastehen würde. Oder zumindest dazustehen glaubt.
Deswegen hat sich der Blog-Autor auch nicht mit den Alkoholproblemen des Wiener Dompfarrers befasst (diesen jedoch wegen eines skandalösen Interviews über die Beichte scharf kritisiert). Das Tagebuch wird auch nicht auf die kolportierten Alkohol-Probleme eines zuletzt hier ebenfalls kritisch abgehandelten Ministers eingehen. Die Landeshauptleute beziehungsweise Bürgermeister der letzten Jahrzehnte mit schweren Alkoholproblemen könnten überhaupt ganze Bücher füllen. Und werden in einem der heurigen Wahlkämpfe es wohl auch tun. Hierzulande muss ja schon die Eröffnung eines Kreisverkehrs um 10 Uhr morgen absurderweise mit einem Stamperl Schnaps begossen werden. Da bleiben nur sehr willensstarke Menschen trocken.
Und die Tatsache, dass auch ein weiblicher Bischof nicht vor den Versuchungen des Alkohols gefeit ist, sollte erst recht kein Grund zur Häme sein.Höchstens die derzeit sehr lauten Dohnalianerinnen glauben ja, dass Frauen bessere Menschen wären.
Ärgerlich wird diese Allzu-Menschlichkeit nur dann, wenn dieselben Personen sich ständig als besonders moralistisch darstellen. Was etwa im Fall der Margot Käßmann der Fall ist. Oder zumindest war. Sie wurde in letzter Zeit von einer Talk-Show zur nächsten gereicht, und konnte sich dabei nicht genug an Attacken auf die angeblich unsoziale Gesellschaft, auf den Afghanistan-Krieg und vieles andere Böse tun.
Auch die Kindesmissbrauchs-Fälle in deutschen Jesuiten-Gymnasien sind an sich noch kein Grund zur Häme gegenüber der Kirche. Zu viel ist vorerst merkwürdig an diesen in den Medien extrem breit getretenen Fällen. Warum werden solche Fälle mit großer Regelmäßigkeit fast immer erst Jahrzehnte nachher bekannt? Die übliche Antwort "Vorher waren sie halt traumatisiert" überzeugt wenig. Und: Hat irgendjemand, der nun mit allzu spitzen Fingern auf die Kirche zeigt, eine Statistik bei der Hand, dass solche Vorfälle im kirchlichen Umkreis wirklich häufiger wären - oder ist dort nur die Intensität der Berichterstattung eine viel größere?
Seltsam ist weiters, warum sich die Opfer nur bei kirchlichen Instanzen, nicht aber bei staatlichen melden. Was hält sie auf, das zu tun? Seltsam ist aber auch das Verhalten der deutschen Justizministerin, die nun Druck auf die Kirche ausübt, offenbar unter dem Beichtgeheimnis oder zugesicherter Vertraulichkeit erhaltene Informationen an staatliche Behörden weiterzugeben.
Das alles ändert nichts daran, dass die geschilderten Vorgänge unerträglich, widerlich, skandalös sind. Und sie sollten alle Kirchenexponenten - unbeschadet der vielen noch ungeklärten Seltsamkeiten - zu viel bescheidenerem Auftreten bei der Verkündigung von sexualmoralischen Vorschriften veranlassen. Auch das Haus Gottes ist oft ein Glashaus. Daher ist auch dann viel mehr Demut am Platz, wenn nicht gerade ein Skandal platzt.
Noch viel weniger ist aber Mitleid mit den Tätern am Platz. Mitleid verdienen einzig und allein die Opfer von Verkehrsunfällen (die freilich zu mehr als 90 Prozent mit alkoholfreien Tätern zu tun hatten) und sexuellem Missbrauch.