Gastkommentare

(Soziale) Intelligenz siegt

26. Februar 2025 20:50 | Autor: Daniel Witzeling
8 Kommentare

Die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sind nach ungefähr einem Monat gescheitert. Beide Seiten schieben sich gegenseitig den "schwarzen Peter" zu. Doch warum sind die Sondierungen zwischen zwei an sich vom politischen Profil relativ konvergenten Parteien nicht geglückt? Der US-amerikanische Psychologe Edward Lee Thorndike definierte als erstes den Begriff der sozialen Intelligenz sinngemäß als die Fähigkeit, andere Menschen zu verstehen und klug im Umgang mit ihnen zu handeln. In dieser Dimension der kognitiven Leistungsfähigkeit dürften beide Verhandlungspartner – mit spezieller Betonung auf Partner und nicht Gegner – nicht sonderlich weit entwickelt sein. Sich in andere Menschen hineinzuversetzen und auf Basis dieser mentalen Bewertung und Analyse klug zu agieren bedingt einerseits eine kognitive aber, was noch wichtiger ist, eine emotionale Facette, sprich eine positive Werthaltung gegenüber der anderen politischen Bewegung und den Menschen als Manifestation dieser.

Hier dürfte der "kasus knaxus" schon vor Beginn der Gespräche zwischen Freiheitlichen und Vertretern der Volkspartei verortet gewesen sein. Wahres Vertrauen bedingt Reife und Stabilität, die eine Entwicklung voraussetzt, auf die viele aktuelle Politfunktionäre aus Mangel an realer Lebenserfahrung außerhalb der politischen Kaste nicht zurückgreifen können. Sein Leben nur im Kielwasser einer Gesinnung zu verbringen und dann sogar in die mehr oder minder staatsnahe oder in deren Abhängigkeitsbereich befindliche Privatwirtschaft zu wechseln, ist damit nicht gemeint. Ohne eine Möglichkeit, den geistigen Horizont einer durchgehenden Politkarriere in der emotionalen Heimat(-Partei) zu verlassen, wird es schwer, die Ketten der selbst geschaffenen Abhängigkeit zu sprengen. Ein Phänomen, welches sich nun in dem Hickhack um Ministerien und Posten gezeigt hat.

Das bekannte "Aus-dem-Felde-Gehen", ein von einem der einflussreichsten Pioniere der Psychologie, Kurt Lewin, in seiner Feldtheorie geprägter Begriff für das Ausweichen aus Konfliktsituationen, Zuständen der Reizsättigung oder Monotonie, wäre eine gute Lösung für das aktuelle Koalitions-Dilemma. Jedoch verlangt diese Menschen, die über ein bestimmtes Maß an Kreativität und die Voraussetzungen der Feldunabhängigkeit verfügen. Die Bürger und vor allem die Wirtschaft, zentral bestehend aus klein- und mittelständischen Unternehmen, erwarten sich einen paradigmatischen Systemwechsel. Kein "Weiter-wie-bisher" mit antiquierten Interessensvertretungen und den immer gleichen Lobbyisten im Hintergrund, die alles wollen, aber nur ja nicht zu viel Veränderung. Vielleicht sollten Berufspolitiker zum Wohle Österreichs zumindest darüber reflektieren, das Spielfeld einmal zu verlassen, damit Neues entstehen kann. In diesem Sinne "Tu felix Austria".

 

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.

Teilen:
  • email
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter

  1. Petron
    27. Februar 2025 15:20

    Eher waren wohl nicht psychologische oder kommunikative Hindernisse die Ursache des Scheiterns, sondern die Befehle aus D und EU.



  2. Marus
    27. Februar 2025 09:40

    "Jedoch verlangt diese Menschen, die über ein bestimmtes Maß an Kreativität und die Voraussetzungen der Feldunabhängigkeit verfügen"
    Tja.. das ist wohl das Grundproblem jeder Politik! Denn Menschen, die diese Voraussetzungen erfüllen, gehen vernünftigerweise nicht in die Politik. Und wenn sie es doch machen, dauert es nicht lange, bis sie eine Klageschrift erhalten.



  3. Pennpatrik
    27. Februar 2025 08:59

    Ich weiß - die Psychologen mögen die einfachen Sprüche der Oma nicht, höchstens, wenn sie im geschwollenen Quacksprech daherkommen:
    "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht."

    Wer immer noch einer Institiution vertraut, von der ihm mehrmals das Messer in den Rücken gerammt wurde, kann keine Intelligenz haben.

    PS: Sozial ist übrigens lt. Hayek ein Buzzwort. Es kehrt die Bedeutung des nachfolgenden Substantivs in sein Gegenteil. Soziale Intelligenz ist keine Intelligenz. Wie soziale Marktwirtschaft keine Marktwirtschaft ist. Wortgeklingel ...



  4. eupraxie
    27. Februar 2025 07:32

    Eine Partei - auch im rechtlichen Sinn - vertritt nun einmal lediglich oder ausschließlich eine Seite. In einem Gerichtsverfahren bringt ein neutraler Schiedsrichter die beiden Streitenden/Verhandelnden insofern zusammen, dass er Kraft Gesetz austariert oder einer Seite mehr oder weniger Recht gibt.

    Das ist bei Verhandlungen politischer Parteien nicht so und es verlangt fast Unmögliches, dem Gegenüber das Vertreten der besseren Sichtweise zuzuerkennen oder einen Lösungsweg zu erkennen, der alleine nicht erkannt worden ist. Und so entstehen dann all die unsäglichen Austauschgeschäfte, weil eben das Gemeinsame nicht gefunden werden mag.

    Es wäre daher ein völlig verfehlter Schluss, dass bei den Dreier-Gesprächen die Entwicklungsreife eine andere wäre. Hier werden das Nebeneinander und die Tauschgeschäfte so richtig sichtbar.



  5. Outback
    26. Februar 2025 23:31

    Im Allgemeinen finde ich die vom Autor angestrengten Überlegungen und Ideen durchaus inspirierend und angebracht. Ich interpretiere die Schlagworte im Artikel als Empathie, über den Tellerrand hinausdenken, aus parteipolitischen Dogmen ausbrechen oder diese wenigstens kritisch hinterfragen, aber vor allem VERTRAUEN. Wahres Vertrauen bedingt nicht nur Reife und Stabilität, die eine Entwicklung voraussetzt, sondern muss insbesondere durch entsprechendes Verhalten verdient werden. Das gilt für beide Parteien gleichermaßen. Dann würde eine entwickelte Vertrauensbasis vorliegen. Wenn eine Seite falsch oder mit gezinkten Karten spielt, kann der, der ehrlich spielt, nie gewinnen. Hier gilt das Prinzip, dass ein Scheit alleine nicht brennt, nicht. Dem Partner, der falsch spielt, das geforderte Vertrauen entgegenzubringen wäre nicht nur naiv sondern völlig unangebracht. Ich meine, dass nicht beide Vertragspartner gleichermaßen über die Voraussetzungen verfügen, die der Autor einfordert.



  6. Peregrinus
    26. Februar 2025 22:33

    Was erwarten Sie von konservativen den Narren auf beiden Seiten?






--> Zwischen Lügenpresse und Fake News: Eine Analyse Buch bei Amazon orf-watch.at Schafft die Politik ab Europa 2030 Börsen-Kurier (Bezahlte Anzeige) Academia kathtreff.org