Gastkommentare

Wer hat Angst vorm blauen Mann?

06. November 2024 13:11 | Autor: Daniel Witzeling
3 Kommentare

Wer kennt nicht das Freizeitspiel "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?". Um rassistische Anspielungen zu vermeiden, befand man es in neuer Zeit angemessener die Hauptfigur umzubenennen. So können wir es perfekt auf die politische Situation in Österreich adaptieren und uns die nicht nur hypothetische Frage stellen: "Wer hat Angst vorm blauen Mann?". Bei einer Variante des Spiels lautet die Antwort der Spielerschar "Niemand". Und auf die folgende Frage des blauen Mannes "Und wenn er aber kommt?" antworten jene wiederum: "Dann laufen wir davon!".

Nicht nur zu Halloween spuken schaurige Gestalten herum, sondern besonders in der Politgeisterbahn der Innenpolitik vor denen potenzielle Koalitionspartner davonlaufen. Wie gefährlich ist das an die Wand des politischen Firmaments projizierte autoritäre Gespenst von rechts, welches durch ganz Europa bis hin zu den USA in Inkarnation von Donald Trump geistert und Teile der Gesellschaft in Unruhe versetzt?

Haiders Homunculus

Um die Geschichte noch gruseliger zu machen, sollten wir die FPÖ von heute als mentale Miniatur von Haiders einstiger FPÖ betrachten, die bei allem Respekt weder inhaltlich noch personell an die Hochzeiten mit Proponenten wie Heide Schmidt oder Susanne Riess-Hahn und auf industrieller Seite Georg Mautner Markhof oder Thomas Prinzhorn herankommt. Die thematisch-kognitive Varianz und Bandbreite war doch leicht etwas höher.

Die FPÖ als FPÖlein. Das Phänomen der Regression in der Politik ist fairerweise nicht nur bei den Freiheitlichen zu beobachten. Im Kontext der Psychoanalyse und nicht der uni- und multivariaten Statistik versteht man unter einer Regression ein Zurückfallen in kindliche Verhaltensmuster. Ein Schelm, bei wem hier gewisse Assoziationen mit der Tagespolitik hervorgerufen werden.

Die wahre Gefahr steckt nicht im Offensichtlichen, im Gegenteil eher im Verborgenen des Herkömmlichen in Anlehnung zum Bericht von der Banalität des Bösen von Hannah Arendt. Die Dämonisierung macht durch die eigene Projektion des Negativen die FPÖ trotz aller alten Herren und Leibfüchse größer, als sie im Hier und Jetzt ist.

Bindet man aber die scheinbaren Ungeheuer nicht ins Tageslicht der Realität oder Regierung ein, dann werden sie wie durch die letzte Intervention des Bundespräsidenten und den Nichtregierungsbildungsauftrag weiter wachsen und bei kommenden Wahlen zur wahren Bedrohung Kraft der Dimension ihrer Stimmen für das Etablierte werden. Stellt man sich seinen Ängsten nicht, dann werden sie immer größer und irgendwann vielleicht Wirklichkeit. Im Falle des Gespenstes der FPÖ liegt das Risiko nicht im humanen Potenzial der Partei, jedoch in der gesellschaftlichen Dynamik, die der falsche Umgang auslösen kann.

  

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.

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  1. Outback
    06. November 2024 17:57

    Die größte Angst vor dem blauen Mann scheint der Autor dieses Artikels selber zu haben...



  2. eupraxie
    06. November 2024 17:09

    Die Bedrohung des Etablierten macht den meisten Personen Angst. Es erfordert ein Umdenken und allenfalls ändern des bisher Gewohnten.
    Der Änderung des Etablierten beim Auftreten von Halbnackten (bisher Erregung öffentlichen Ärgernisses) auf diversen Pride-Paraden ging eine massive Medienkampagne voraus. Das Bestehen auf das Etablierte wurde umgedeutet in Diskriminierung, Hass und Hetze.

    Die Frage ist doch: welches Etablierte bedroht der blaue Mann, noch dazu wenn er gar als "Männlein" umschrieben wird?

    Der letzte Satz des Gastbeitrages ist ein Rückfall in uralte Manipulationsmuster: Es liegt also doch etwas Dämonisches, nicht Beherrschbares in den Wählerschichten der Blauen. Sie können nichts besser, das Etablierte ist die Spitze des Erreichbaren, aber um des lieben Friedens Willen, zur Verhinderung vermutlich massiver Sachschaden, gebt ihnen doch zumindest einen Regierungsauftrag oder noch besser ein Ministerium.






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