Gastkommentare

Psychologie im Plakat: Die Macht des Unbewussten in der Politik

04. September 2024 16:43 | Autor: Daniel Witzeling
5 Kommentare

Triebmotive wie Angst und Unzufriedenheit, Hoffnungen, sowie eigene Befindlichkeiten der Parteien finden ihre Manifestation in den Wahlplakaten. Im weitesten Sinne könnte man die Plakate auch mit einem Rorschach-Test vergleichen, bei dem die potenziellen Wähler ihre Wünsche, Bedürfnisse und Ängste hineinprojizieren, um sich dann – je nach Wählertypus – für eine dem eigenen Naturell und der eigenen Persönlichkeitsstruktur entsprechenden Partei zu entscheiden. Durch Plakate und deren Botschaften stimulieren Parteien gewollt oder oft ungewollt das individuelle und kollektive Unterbewusstsein. Welche bewussten oder verdrängten Wünsche und Affekte stecken nun hinter den Wahlbotschaften der politischen Bewegungen?

Die ÖVP setzt auf die Kanzlerrolle im konservativen Segment mit leichter assoziativer Reminiszenz an die einstige klare werbetechnische Linie von Sebastian Kurz. Der Regierungschef Karl Nehammer wird in voller Pracht "Für unser Land" beworben und pfeift gleichzeitig ein "Kanzler-Match" an. Eine klare Linie, die den Rezipienten wenig überfordert und bei der Kernzielgruppe sicher ankommt. Fest steht, der Kanzler will am Bestehenden festhalten. Bleibt zu hoffen, dass es sich nicht um eine Zwangshandlung handelt.

Andreas Babler von der SPÖ setzt auf sein "Herz und Hirn". Ob die kognitive oder die emotionale Facette in Bablers Psychodynamik dominiert, werden wir im Laufe des Wahlkampfes erleben. Projektiv analysiert versteckt sich die Kernproblematik der SPÖ im Herz-und-Hirn-Dilemma. Denn auf beiden psychometrischen Dimensionen besteht anscheinend tiefenpsychologisch gesehen politischer Entwicklungsbedarf.

Die höchste Varianz der Aussagen, jedoch ebenso auf Kraut-und-Rüben-Niveau – von adaptierten Bibelzitaten "Euer Wille geschehe" über Datingplattform-Assoziationen "Dein Herz sagt Ja" bis hin zu Lotterielos-Sprüchen "5 gute Jahre" – hat die FPÖ. Für den einstigen Redenschreiber von Jörg Haider besteht eindeutig Luft nach oben, um aus dem infantilen Stadium herauszukommen, wenn es sich nicht um eine paradoxe Intervention handelt.

"Wähl, als gäb's ein Morgen" ist hoffentlich kein bewusst gewähltes positives Mantra für die Grünen, damit es eben jenen Morgen nach der Wahl politisch betrachtet für die Grünen noch gibt oder es zumindest nicht zu einem bösen Erwachen am Tag nach den Urnengängen kommt. Das Unbewusste kennt keine Verneinung und somit ist die Werbekampagne der Grünen psychostilistisch jedenfalls professionell gemacht.

Beate Meinl-Reisinger ist "Die Reformkraft" und schlägt in Sachen Posing bei weitem ihre männliche Konkurrenz. Ob es sich hier um das Phänomen der Kompensation oder wahren Kompetenz handelt, wird der Wähler am Wahltag entscheiden. Die Macht des Unbewussten ist nicht zu unterschätzen, denn das Plakatierte ist nur die Spitze des mentalen Eisberges.

 

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.

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  1. Outback
    07. September 2024 15:01

    Leider relativiert sich die fachliche Abhandlung über die Plakate und die damit verbundenen Botschaften durch den Umstand, dass der Autor bei allen anderen Parteien objektiv analysiert, während er die FPÖ betreffend subjektiv wertet und sich im Zusammenhang damit offenbar ein Kickl-Bashing nicht verkneifen kann. Schade um die solcherart entwertete Expertise.



  2. Altsteirer
    06. September 2024 06:22

    Eines der wenigen Plakate, es ist schon Jahre her, welche mir je gefallen haben, waren die von Palmers, der Unterwäschefirma.

    ...und mein Wahlverhalten beeinflusst kein Plakat, sondern nur das Verhalten (nicht was sie versprechen) einzelner Personen.



  3. nonaned
    05. September 2024 11:45

    Sehr lustig: "ebenso auf Kraut-und-Rüben-Niveau – von adaptierten Bibelzitaten "Euer Wille geschehe" über Datingplattform-Assoziationen "Dein Herz sagt Ja" bis hin zu Lotterielos-Sprüchen "5 gute Jahre" – hat die FPÖ. "

    So alt kann man gar nicht werden, dass man nicht noch was dazulernt.

    Ich war - belehrt durch die unzähligen Plakatwahlkämpfe -davon überzeugt, dass so eine Plakatserie so aufgebaut werden muss, dass für jede Wählergruppe was dabei ist.

    Die Oma hat doch schon gesagt, ein Bild sagt mehr wie tausend Worte! Also ein kreativer Kampagnenmanager bietet jedem Hinschauer was - das war meine Überzeugung.

    Dass Plakate polarisieren ist auch klar. Und ich wär nicht ich, wenn ich wieder ein Praxisbeispiel brächte.

    Ich war vor Jahrzehnten verantwortlich dafür, wo die FPÖ Wahlplakate bei uns im Ort aufgestellt wurden, eines Tages war kein einziges mehr da, eigenartig wie die sich verflüchtigt hatten. Ein enormer, auch finanzieller Schaden für die Ortspartei, die ja selber



    • nonaned
      05. September 2024 11:51

      für die Kosten aufkommen musste. Tja was tun? Aber es gibt doch immer wieder nette Menschen, die einem weiterhelfen. So wurde mir auch geflüstert, dass der schwarze Bürgermeister angeordnet hatte, die Bauhofarbeiter sollen die Plakatständer aufsammeln und im Bauhof, ganz hinten deponiern. Er wollte es offenbar so richten, dass er die Ständer nach der Wahl wieder hätte auftauchen lassen, damit der finanzielle Schaden gering gehalten wird.

      Es kam aber anders, ich ging auf die Gendarmerie und habe, da ich wusste, dass es auch da Beamte gab, die mir wohlgesonnen waren, Anzeige gegen unbekannt gemacht mit dem kleinen Hinweis, vielleicht könnte man im Bauhof fündig werden.

      Die klugen Gendarmen marschieren auf die Gemeinde, zum Bürgermeister und berichten ihm, dass eine Anzeige, blabla.. und siehe da, plötzlich waren die Plakatständer wieder auf den angestammten Plätzen.

      Ich wollte ja nichts anderes, als die aktuellen Plakate auf der Straße haben und nicht irgendein Gwirxt, mit womöglich e



    • nonaned
      05. September 2024 11:57

      einem Verfahren, einer Strafe für den Bgmstr. usw (hätte ihm zwar gebührt) aber erst nach einer Zeit, wo die Wahl längst vorbei gewesen wäre . Bringt so nichts, eins hat's auf alle Fälle gebracht, es würde sicher nicht wieder so passieren.

      Selbiger Bürgermeister wollte selbstherrlich untersagen, dass die Präsidentschaftskandidatin Dr Heide Schmidt am Marktplatz eine Rede hält.

      Der gute Mann hat gemeint, bei der FPÖ gibt's nur Depperte, er hat geirrt. Der Marktplatz ist eine Bundesstraße und die Doofen von der FPÖ haben selbstredend die nötigen Genehmigungen erwirkt. Also auf der Bundesstraße konnte der Bgmstr. nichts verbieten, auch wenn die Straße durch seinen Ort geht.

      Ich glaube, das sind Dinge, die gescheite Menschen über einen "Wahlkampf" schreiben nicht im Entferntesten erahnen.. ich könnte noch einige Zuckerl aus dem politischen Leben für das politische Leben, auch zu Wahlkämpfen berichten.






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