Gastkommentare

Dieser Putschversuch ist gescheitert

11. Oktober 2021 08:51 | Autor: Georg Vetter
15 Kommentare

Die mittlerweile offensichtlich im Sand verlaufene Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel bezeichnete Sektionschef Christian Pilnacek bekanntlich als Putsch. Dass es in der Auseinandersetzung zwischen dem türkisen Teil der Bundesregierung und der WKStA so weitergehen würde, war zu erwarten. Der Stoff, aus dem die Fronten verhärtet sind, wird die nächsten Jahre nicht ausgehen. Der jüngste Putschversuch, den Sebastian Kurz durch einen smarten Schritt abgewehrt hat, folgt allerdings einem erprobten Drehbuch mit Gesamtkunstwerkcharakter.

Hätten wir es bloß mit einem routinemäßigen strafrechtlichen Vorverfahren zu tun, das der Aufklärung eines Anfangsverdachtes dient, wären wohl keine Informationen nach außen gelangt. Da es sich beim aktuellen Fall um politische VIPs handelt, war es klar, dass Journalisten bald Wind von der Sache bekommen und der Blätterwald rauscht. Der Vorwurf der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit im Zusammenhang mit der Übernahme der damals maroden ÖVP birgt schon einiges an Zündstoff.

Der jüngste Paukenschlag der WKStA – deren selbst geschriebene Anordnung von einem Richter lediglich mittels Stampiglie bewilligt wurde – bedurfte allerdings keines investigativen Journalismus. Da die Veröffentlichung der Anordnung der Hausdurchsuchungen praktisch zeitgleich mit deren Durchführung erfolgte, muss auch der Informationsfluss schon im Vorfeld erfolgt sein. Hinzu kommt, dass der einige Stunden später veröffentlichte und sorgfältig selektierte Mail-Verkehr gleichzeitig mit der Bekanntgabe der Freigabe der Akteneinsicht für die Beschuldigten das Licht der Öffentlichkeit erblickte.

Es ist sohin aus zeitlichen Gründen auszuschließen, dass die Anordnung der Hausdurchsuchungen und der Mail-Verkehr von irgendeinem Beschuldigten an die Medien gespielt worden wären. Da es auch keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gibt, können diese Informationen auch nicht von den Abgeordneten des Nationalrats stammen – worauf sich die Staatsanwaltschaften bei einem Verrat von Amtsgeheimnissen bislang immer beriefen.

Denkmöglich erscheint daher nur eine Variante: All diese Informationen über mutmaßliche Straftaten im Zusammenhang mit der Übernahme der ÖVP stammen aus dem Apparat der Justiz.

Nun wird die Sache pikant: Wenn man der Ansicht zuneigt, dass das jüngste Strafverfahren gegen Kurz & Co zumindest indirekt der Übernahme der Regierung dienen sollte und damit die mutmaßliche Straftat des Bruchs des Amtsgeheimnisses einhergeht, steht jener Vorwurf im Raum, gegen den sich die Ermittlungen der Justiz richten: strafbares Handeln zwecks Änderung der Machtverhältnisse.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Kein Staatsanwalt würde sich um eine zeitlich abgestimmte Veröffentlichung einer Hausdurchsuchungsanordnung selbst kümmern oder sich eingehend mit PR- oder Machtfragen beschäftigen. Wenn im Zusammenhang mit der politischen Verwertung der Haudurchsuchung catilinarische Existenzen mitgewirkt haben, dann anderswo.

Weiterhelfen könnte ein Blick auf das Doskozil-Drehbuch, nach dem die Causa Eurofighter medial im Februar 2017 gestartet wurde. So ungefähr könnte man die Methode zusammenfassen:

  1. Experten erstellen ein vielseitiges und tadellos wirkendes Papier
  2. Ausgewählte Journalisten werden mit diesem Papier versorgt
  3. Beobachtung der Konstituierung des öffentlichen Scherbengerichts
  4. Follow-up-Versorgung der Öffentlichkeit mit ausgewählten Sachverhaltselementen (Chats), die nicht einmal theoretisch strafbar, allerdings politisch peinlich sind.

Schon in der französischen Revolution hat die der Königin in den Mund gelegte Brot- und Kuchenaussage die gewünschte Putschstimmung hochgetrieben ("Marie-Antoinette-Taktik"). Der Rest läuft von selbst ab. Peter Pilz, der über eine jahrzehntelang Erfahrung in Sachen mediengerechter Aufarbeitung von skandalisierungsgeeigneten Sachverhalten verfügt, nennt dies jüngst auf seiner Plattform ZACKZACK "Kettenreaktion". Auf dieser Plattform war die Anordnung der Hausdurchsuchungen praktisch zeitgleich mit deren Durchführung  zur allgemeinen Einsicht freigegeben.

Die näheren Umstände um die Anordnung der Hausdurchsuchung und die Frage, ob die Staatsanwaltschaft selbst als Teil einer versuchten Machtveränderung instrumentalisiert worden ist, könnte eines Tages Gegenstand einer ausgiebigen Untersuchung sein. Insofern, als mittels einer gezielten Veröffentlichung einer Hausdurchsuchungsanordnung das Meinungsklima derart beeinflusst werden könnte, dass ein faires, unvoreingenommenes Verfahren nicht mehr garantiert ist, kann es auch zu einem Konflikt mit der Menschenrechtskonvention kommen. Da die Schutzbestimmungen dieser EMRK auch für Politiker gelten, die einer Straftat beschuldigt sind, stünde es der Spitze des Justizministeriums gut an, zu reden und zu handeln.

Interessant wäre auch die Frage zu klären, ob es eine außerjustizielle Einflussnahme auf den Text der Anordnung zwecks PR-mäßiger Verwertung gab. Die Beschreibung der Rolle des Sebastian Kurz klingt eher nach der Tastatur einer Werbeagentur als jener eines erfahrenen Staatsanwalts, der jeden Eindruck vermeidet, dass die Anordnung der Hausdurchsuchung als eine juristisch maskierte Kampfschrift gegen Sebastian Kurz erscheint.

Wenn man von einem Zeithorizont von fünf Jahren für derartige Untersuchungen ausgeht, könnte es unter ganz anderen Machtverhältnissen überraschende Ergebnisse geben.

Um all das zu verhindern, sollten die Staatsanwälte einen Selbstreinigungsprozess einleiten. Da die allerallermeisten Staatsanwälte grundanständige Menschen sind, die sich nicht politisch instrumentalisieren lassen möchten, wären sie gut beraten, die Orchestrierung der Umstände rund um die Hausdurchsuchungsanordnung rechtzeitig und aus eigenem Antrieb aufzuklären.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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  1. andreas.sarkis (kein Partner)
    14. Oktober 2021 09:47

    Georg Vetter zeigt wieder einmal, dass mit ihm über Rechtliches schwierig zu sprechen ist.

    Die Informationen über die von der WKStA erlangten Inhalte wurden direkt von der WKStA an Medien weitergegeben. Niemand sonst hätte vollständige Akten-Dokumente gehabt.
    Diese Erlangung von Material, um zu sichten, ob es darin vielleicht etwas Strafbares gäbe, nennt man Erkundungsbeweis. Ein solcher ist auch nach der StPO unzulässig.

    Die Blamage der letzten Festnahme, weil die Verdächtige VOR der Haussuchung ihre Festplatte gelöscht haben soll, wurde noch nicht einmal realisiert.



    • Freisinn
      17. Oktober 2021 08:41

      Ja da ist wirklich eine Blamage: es ist schließlich nicht verboten, eine Festplatte zu löschen!!!



    • carambolage
      18. Oktober 2021 09:14

      Ich kann nur JEDEM raten, Festplatten bei Erhebungen der linksradikalen WKStA zu löschen.
      Wie kommt man dazu, dass private Korrespondenz in Medien oder anders verwertet werden.



    • MeineMeinung (kein Partner)
      18. Oktober 2021 09:42

      @carambolage
      Das sehe ich genauso.
      Der Skandal, dass die Justiz anscheinend den unrechtmäßigen Veröffentlichungen gar nicht nachgeht und sie damit auch nicht abstellt, wird nicht zum medialen Thema gemacht. So wie auch die Hintergründe bzw. die Geldgeber von "Ibiza" nicht bekannt werden.
      Wenn es Usus wird jede rechte Regierungen zu stürzen, dann braucht man keine Wahlen mehr und die EU kann gleich einen Politkommissär für jedes Land bestimmen was ohnehin das Bestreben einer politischen Union ist.



  2. Jupiter (kein Partner)
    13. Oktober 2021 15:06

    Eine gute Analyse, aber:
    Dieser Putsch ist gelungen. Kurz kommt nicht mehr zurück, weil die Ermittlungen Jahre dauern werden. Im Gegenteil, mit jeder Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Smartphones und Festplatten werden weitere Peinlichkeiten an die Öffentlichkeit gezerrt. Ob dabei strafrechtlich Relevantes herauskommt, ist fast schon nebensächlich. Es geht um die (mediale) Inszenierung der linken Jagdgesellschaft.
    Die ÖVP wird wieder zur schwarzen Verlierertruppe, die unter einem roten Bundeskanzler in eine große Koalition geht, bis sich irgendwann rot-grün(-pink) ausgeht.
    Wenn nicht die schwarze ÖVP und die Kickl-FPÖ langsam zur Vernunft kommen, was aber nicht sehr wahrscheinlich is



    • Freisinn
      17. Oktober 2021 04:19

      Das Hindernis für eine türkis-blaue Zusammenarbeit liegt in der Persönlichkeit Kurzens begründet. Die Schwarzen müssen sich von diesem Dorian Gray erst befreien. Vielleich folgt dann wieder etwas Zukunftsträchtiges.



  3. Konfrater
    12. Oktober 2021 04:17

    In der Theorie haben Sie mit allem Recht: Aber - das zweibeinige Ungeziefer in der WKSta wird kein Menschenrechtegerichtshof oder Ähnliche stoppen. In früheren Zeiten hat man sich solche Drecksäcke gegriffen und aus dem fünften oder sechsten Stockwerk auf den gepflasterten Boden geschmissen. Darum spricht man wohl auch von der "guten, alten Zeit".



  4. Si Tacuissem
    11. Oktober 2021 22:09

    An diesem Artikel stimmt viel - bis auf die Behauptung aus dem Titel, vermute ich. Es lässt sich zur Stunde noch nicht erkennen, aber die Landeshauptleute ("alte Deppen") gehen schon sehr stark auf Distanz, und es werden sicher noch gezielt Chat-Sammlungen an die Öffentlichkeit gespielt, die Kurz nach und nach immer ungustiöser machen werden (vermute ich).



    • oberösi
      13. Oktober 2021 14:33

      Dies ist nur der Auftakt. Es bleibt kein Stein auf dem anderen. Das Bestürzende daran: das Volk schaut dem gebannt zu, interpretiert, schimpft, mutmaßt - und geht brav wieder zur nächsten Wahl, und legitimiert und zementiert dadurch dieses System.

      Der größte Trumpf der Machthaber: die Mehrheit der gesetzestreuen, staats- und obrigkeitshörigen Bürger, die glauben, dieses System sei von innen her zu reformieren. Man müsse sich eben nur noch mehr engagieren, aufklären, kluge Analysen unters Volk bringen...



  5. WFL
    11. Oktober 2021 15:50

    Rückblickend war es ein schwerster Fehler von Kurz, dem Abschuss von Pilnacek durch die WKStA tatenlos zugesehen zu haben.

    Diese wurde dadurch nicht befriedet, sondern, im Gegenteil, noch mehr herausgefordert.



    • Elch6646 (kein Partner)
      15. Oktober 2021 22:06

      Das ist richtig! Aber auch der fundamentale Fehler daß der ehem. Grünaktivistin Zadic ausgerechnet das Justizressort überlassen wurde rächt sich nun...



    • Freisinn
      17. Oktober 2021 04:34

      Kurz hätte bereits früher für Ordnung sorgen können! Wer hat ihn denn zu einer Koalition mit Grün genötigt? Er ist Opfer seiner falschen Strategie geworden. Nun ist er abhängig von Linksradikalen. Er mag vielleicht überaus smart wirken - in Wirklichkeit war er nur fetzendeppert (c Meindl....).



  6. Kyrios Doulos
    11. Oktober 2021 09:22

    Herr Vetter, danke für diese Darlegung. Ja, die Staatsanwälte sollten das von Ihnen Vorgeschlagene tun. --- Ich hoffe, daß die Indiskretion auch angezeigt und dann entsprechend ermittelt wird. Weiters fällt auf: Wenn es um SPÖ oder Grüne geht, fehlt schnell der Anfangsverdacht oder es wird bald alles eingestellt. Die andern werden jahrelang oder gar mehr als 10 Jahre lang amtsbehandelt (Grasser).

    Und trotz allem und auch wenn das das mutmaßliche Unrecht der WKStA nicht relativiert: Im jüngsten Fall trifft es mit Kurz jemand, für den sogar ernstzunehmende Verfassungsbedenken nur "juristische Spitzfindigkeiten" darstellen. Die Grund- und Freiheitsrechte aller Bürger sind ihm nichts wert.

    Die Unschuldsvermutung in bezug auf seine eigene privilegierte Person ist ihm hingegen alles wert. Das ist kein juristisches Argument, aber dieser Eindruck hat sich mir in den letzten Tagen tief eingeprägt.

    In dem ganzen Umfeld "Recht und Gesetz" und "Unrecht und Verfolgung desselben" kracht es ganz gewaltig. Sind wir nicht schon ein Unrechtsstaat geworden? Meinem Rechtsempfinden nach sind wir das geworden.






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