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Das Gespenst der Freiheit

Obwohl Freiheit und Sozialismus nicht kompatibel sind, bemühten sich verschiedene Sozialisten ab den 1920er-Jahren bis – wie etwa Willy Brandt – in die Nachkriegszeit, beides im "Demokratischen Sozialismus" zu vereinen. 1940 schrieb Brandt in einer norwegischen Zeitung: "Sozialismus ist mehr als die Übernahme der Produktionsmittel durch den Staat. (…) Sozialismus ist ohne Freiheit und Demokratie nicht möglich."

Diesen Ansatz vertraten auch die sozialdemokratischen Realpolitiker Anfang des neuen Jahrtausends wie Tony Blair im Vereinigten Königreich oder Gerhard Schröder in Deutschland. Sie wussten, dass Marktwirtschaft die Voraussetzung für unseren Wohlstand ist, und diese wiederum nur in einer freien Gesellschaft funktionieren kann.

Diese Realos wurden in den vergangenen Jahren zunehmend von sozialistischen Fundis abgelöst, von Politikern wie Nancy Faeser, Annalena Baerbock, Ricarda Lang, Robert Habeck, Kevin Kühnert etc. Für diese neue, nun tonangebende Politikergeneration hat Freiheit keine Bedeutung und keinen Stellenwert mehr, sie ist vielmehr etwas, dass es zu überwinden gilt. Diese Generation hat das blamable Scheitern des real existierenden Sozialismus, der Diktatur des Proletariats, Ende der 1980er hat längst verdrängt bzw. als Spätgeborene nicht mit- und in Schule und Uni auch nicht vermittelt bekommen.

Sie verzichten deshalb auf jene Rituale, denen sich noch die alten Linken unterworfen haben. Bis vor kurzem beschworen alle Spitzenpolitiker, selbst der linke Flügel der Grünen, in politischen Sonntagsreden die Freiheit. Das war bei vielen zwar nie mehr als ein Lippenbekenntnis, zeigte aber, dass man sich verpflichtet fühlte, auf die Bedeutung diese unsere westliche Gesellschaft tragende Säule hinzuweisen, so wie man das jetzt – noch – mit der Demokratie tut. Auch der urbane Linke mit gut dotiertem Staatsjob hängte sich bis vor kurzem gerne das liberale Mäntelchen um, bezeichnete sich stolz als "linksliberal", um sich von den minderen Objekten linker Fürsorge, den Proletariern, Migranten und anderen Minderheiten zumindest vom Habitus her zu unterscheiden.

Das war einmal. Auch die Bobos, Lifestyle-Linken und grüne Moralisten fühlen sich nach Monaten der Corona-Maßnahmenpolitik und angesichts drohender Versorgungsengpässe in ihrer neuen Rolle als entmündigter Befehlsempfänger wohl, zumal selbstständiges Denken und Handeln in Zeiten politischer Alternativenlosigkeit nichts ist, worauf ein Linker stolz wäre. Seit die Grün- und Links-Alternativen an die Macht gekommen sind, gibt es keine Alternativen mehr.

Freiheit ist zu einem anrüchigen Begriff, zu einem Unwort geworden, das der brave Bürger am besten nicht mehr in den Mund nimmt. Wer Freiheit einfordert, läuft Gefahr, als Rechtsextremist, Staatsverweigerer und Verschwörungstheoretiker abgestempelt zu werden. Dass Liberale, Libertäre, Kapitalisten oder weitgehend unpolitische, aber freiheitsliebende Menschen von Linken zu Nazis und damit zu politischen Todfeinden erklärt werden, ist kein Paradoxon, sondern die logische Folge des Wertewandels und des konsequenten linken Framings. Da sich das politische Koordinatensystem weit nach links verschoben hat, wird alles, was nicht dezidiert links ist, unter rechts(extrem) subsumiert.

Insofern war es nur eine Frage der Zeit, wann die Freiheit vom linken Mainstream ins rechtsextreme Universum abgeschoben wird. Für die neuen, geschichtsvergessenen Linken ist es kein Widerspruch, wenn freiheitsliebende Menschen als Nazis gelten, zumal "Nazi" nur noch eine leere Worthülle ist, die nach Bedarf mit Bedeutung gefüllt wird, in die man alles stopfen kann, was Linken missfällt, was sie aus Gesellschaft und öffentlichem Diskurs ausschließen wollen.

Als etwa in Kanada Anfang dieses Jahres tausende Menschen für ihre Freiheit und gegen die restriktiven Coronamaßnahmen von Premier Justin Trudeau protestierten, strahlte der kanadische Newssender CBC einen Beitrag aus, indem der Frage nachgegangen wurde, warum "Freiheit" besonders unter "Rechtsextremen" so beliebt sei.

Im Oktober vergangenen Jahres schrieb der Politikwissenschaftler Michael Bröning im linken Leitmedium "Die Zeit": ",Freiheit!‘ – dieser Ausdruck gilt in progressiven Kreisen heute meist als unangemessen. Ist es nicht der Schlachtruf all jener Ewiggestriger, die unter Selbstverwirklichung schon immer einen Blankoscheck für unverfälschten Egoismus verstanden haben? Ein Hoch auf die Freiheit, das klingt in Zeiten von Querdenkern und Klimakrise auch nach einer Absage an Rationalität und Wissenschaft, ja selbst nach einer Ablehnung von Fakten."

Dass für "Progressive", also für Linke "Freiheit" unangemessen ist, ist nichts Neues. Neu daran ist nur, dass sie das aufgrund der aktuellen Machtverhältnisse wieder offen aussprechen können. Sie stellen Freiheit auf eine Stufe mit Hass und Hetze. Zumal auch die Gesetze gegen den sogenannten Hate-Speech immer welche gegen den "Freedom of Speech", die Meinungsfreiheit, waren.

Der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk ist einer der Vorkämpfer gegen die Freiheit. In einem Beitrag auf seiner Webseite heißt es: "In der Pandemie ist ‚Freiheit‘ vielerorts zu einem Schlachtruf herabgesunken. Vermeintliche Freiheitskämpfer unterliegen oft drei Missverständnissen."

Wie hier im Deutschlandfunk versucht die Linke den Begriff umzudeuten, die angeblichen Gefahren der Freiheit für die Gesellschaft überzubetonen und freiheitsliebende Menschen als dumm, rechtsextrem, verantwortungs- und rücksichtslos darzustellen.

Weiter heißt es im Beitrag des Deutschlandfunks: "Freiheitsproteste haben Hochkonjunktur. ‚Freiheit‘ ist zum monotonen Thema unterschiedlichster Arten des Widerstands gegen Maßnahmen und Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geworden. Wie ein Gral wird nach ihr gefahndet, als sei die Freiheit uns gänzlich abhandengekommen."

Der Soziologe Armin Nassehi kritisiert die FDP, dass sie mit ihrem Einsatz für den Wegfall der Maskenpflicht eine "Banalisierung und Instrumentalisierung des Freiheitsbegriffes vorgenommen" habe. Die Linke versucht aus der Freiheit ein für Staat, Gesellschaft und Klima hochriskantes Luxusgut zu formen, das nur von einer Obrigkeit, die weiß, was für Mensch und Umwelt am besten ist, unter bestimmten, idealen Voraussetzungen gewährt werden kann – die aber fast nie eintreten, weil immer von irgendeiner Seite Gefahr droht.

Ja, die Freiheit ist den Bürgern während der Corona-Pandemie tatsächlich abhandengekommen, genommen worden. Die Angst vor dem Virus war für die natürlichen Feinde der Freiheit, den Sozialisten in allen Parteien, ein idealer Anlass und Vorwand, die Freiheitsrechte der Bürger dauerhaft zu beschneiden. Zumal man rasch erkannte, dass man mit der passenden Drohkulisse, mit dem Erzeugen von Panik und Todesängsten einen großen Teil der Bürger leicht steuern und ihnen widerstandslos ihre Rechte und Freiheiten nehmen kann. In der Regel gibt es dafür sogar medialen Applaus und breite Zustimmung.

Nur wenige Wochen nach Ausbruch der Pandemie verkündete etwa der damalige österreichische Gesundheitsminister Rudolf Anschober begeistert: "Ich halte das für einen Lernprozess und ich freu’ mich darauf, dass dann, wenn wir die Corona-Krise gut überstanden haben, dass wir dann die Klima-Krise mit einer ähnlichen politischen Konsequenz angehen."

Nicht nur Anschober erkannte rasch das Potential und die Gelegenheit, wie man eine Notsituation nutzen kann, egal ob sie real, konstruiert oder stark übertrieben dargestellt wird, um die Gesellschaft nach linken Vorstellungen umzubauen. Klaus Schwab, Chef des Weltwirtschaftsforums, hat bereits wenige Monate nach Beginn der Pandemie mit seinem Buch "The Great Reset" den Leitfaden für diesen Umbau veröffentlicht. Schwab träumt unter anderem davon, die freie Markwirtschaft durch eine zentral gesteuerte globale Planwirtschaft zu ersetzen. Er ist gleichzeitig ein Vordenker und ein Kind seiner Zeit, jedenfalls sind seine Visionen zur Grundlage politischen Handelns und Planens in praktisch allen westlichen Nationen geworden.

Politische Entscheidungen werden angesichts eines nun dauerhaft aufrecht erhaltenen Ausnahme- und Notzustandes unter weitgehender Umgehung demokratischer Prozesse von oben getroffen (etwa per Verordnung). Da sie stets alternativlos sind, braucht man die Bevölkerung erst gar nicht in diese Prozesse miteinzubinden.

Es geht schließlich immer um Rettung aus höchster Not: Pandemien, Hitzetod des Planeten, Strahlenverseuchung etc. Wobei Alternativlosigkeit im politischen Kontext nur ein Euphemismus für Totalitarismus ist. Der Begriff Freiheit hat angesichts solcher gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für die Linke und viele Bürger jeden Glanz verloren. Freiheit ist kein erstrebenswerter Zustand mehr, sondern zu einem unberechenbaren Gefahrenherd geworden.

Stets gibt es einen "guten" Grund, warum Freiheiten nicht mehr gewährt werden können. So warnte etwa das Nachrichtenmagazin "Focus" Anfang April: "Das Ende der Corona-Regeln ist keine Freiheit, sondern eine Bedrohung." In einem "Tageschau"-Kommentar schimpfte kürzlich eine öffentlich-rechtliche Meinungsmacherin: "Ich habe es auch satt, aber wir können uns doch nicht mit Freiheit belohnen in einer Situation, in der die Pandemie gerade wieder Fahrt aufnimmt." Abgesehen davon, dass die Pandemie nicht an Fahrt aufnimmt, Freiheit ist kein Hunde-Leckerli, das man seinem Vierbeiner als Belohnung zuwirft, wenn er die Kommandos seines Herrchens brav ausgeführt hat.

Auch die Meinungsfreiheit, vor allem im allen zugänglichen Internet, wird von immer mehr Menschen als Bedrohung gesehen respektive von den linken Meinungshütern zu einer solchen erklärt. Der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk stellt in einem Beitrag die rhetorische Frage: "Immer deutlicher werden die Schattenseiten der großen Freiheit (!) im Netz: Hass und Hetze, Cybermobbing, Radikalisierung. Braucht das Internet mehr Regulierung?"

Überall bedroht die Freiheit des Einzelnen das Kollektiv, das linke Utopia. Die freie Wahl des Verkehrsmittels oder die Ernährungsgewohnheiten des einfachen Bürgers werden zur Gefahr für das Weltklima und damit für die gesamte Menschheit, selbst Gefühle und Emotionen sind aufgrund ihrer Gefährlichkeit staatlich reglementiert worden. So hat man "Hass" unter Strafe gestellt.

Jeder noch so kleine private Freiraum ist ein übler Gefahrenherd und muss deshalb geschlossen werden, jede individuelle nicht von oben genehmigte und kontrolliert Entscheidung birgt hohe Risiken für das Gemeinwohl. Darum versucht das politmediale Establishment auch den Ukraine-Krieg und die Energiewendekrise zu nutzen, um den ohnehin stark regulierten Energiemarkt endgültig in eine staatlich gesteuerte Planwirtschaft überzuführen. Dass das eine Mangelwirtschaft sein wird, wissen sogar die älteren Linken, weshalb man die Bürger mit Appellen an Moral, Weltrettung und andere "höhere" Ziele auf Verzicht, kalte Wohnungen und Hunger einschwört. Ohne Freiheit kein Wohlstand.

Mittlerweile muss nicht mehr die Einschränkung von Freiheitsrechten argumentiert und begründet werden, sondern umgekehrt. Das ist das Ergebnis der Umdeutung des Begriffs der Freiheit. Wer Freiheiten für sich in Anspruch nehmen will, muss sich rechtfertigen, begründen, warum sein "Egoismus" über dem Gemeinwohl steht.

Die Linke ist im Zuge der Corona-Pandemie mit der Ab- und Umwertung des Freiheitsbegriffes so erfolgreich gewesen, dass sie nun sogar die letzte Bastion unserer bürgerlichen Gesellschaft erstürmen kann. Das Recht auf Eigentum, das die Grundlage jeder zivilisierten Gesellschaft ist. Freiheit ist untrennbar mit Eigentum verbunden. Ohne Eigentum keine Freiheit. Auch der freie Markt ist die logische Entsprechung zu Eigentum und zur Freiheit der Menschen.

Überall wird nun offen und ohne medialen Widerstand das Recht auf Eigentum in Frage gestellt. Dieser linke Kampf funktioniert auf mehreren Ebenen. Einerseits werden mit Hilfe der EZB über die Geldentwertung große Teile der europäischen Bevölkerung Schritt für Schritt enteignet, parallel dazu gibt es zahllose politische Maßnahmen und Initiativen, die den Erwerb und Besitz von Eigentum erschweren bis verunmöglichen sollen. Man denke an den motorisierten Individualverkehr. Mit immer neuen Beschränkungen, Gesetzen, hohen Steuern auf Fahrzeuge und Treibstoffe wird es dem Durchschnittsbürger immer schwerer gemacht, sich einen Pkw leisten zu können.

Auch Eigenheime gelten für immer mehr Politiker und Meinungsmacher als Auslaufmodell. In den Medien wird gerade über das von vielen Grünen geforderte Bauverbot von Einfamilienhäusern diskutiert. Das kommende Bargeldverbot wird alle Bestrebungen in diese Richtung beschleunigen und vereinfachen. Dann wird alles unter staatlicher Kontrolle sein: Wohnen, Ernährung, Verkehrsmittel, Gefühle etc. Klaus Schwab hat sein Buch "The Great Reset" vor knapp zwei Jahren veröffentlicht. Schon jetzt sind viele seiner Visionen verwirklicht worden oder am besten Weg, es zu werden. Das gilt auch für die vom WEF für das Jahr 2030 verkündete Vision: "Du wirst nichts mehr besitzen. Und du wirst glücklich sein."

So lange wird es vermutlich nicht dauern, bis der erste Teil dieser Prophezeiung Realität geworden ist. Denn im Kampf um die Freiheit haben die Linken nur noch wenige Gegenspieler.

Werner Reichel ist Autor und Journalist. Er hat zuletzt das Buch "Europa 2030 – Wie wir in zehn Jahren leben" bei Frank&Frei herausgegeben.

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