Alles hat seine Zeit. Und alles hat seine Unzeit. Gegenwärtig schnürt eine Weltseuche der Menschheit die Lebensadern ab, und man sollte meinen, dass neben der Abwehr der CoVid-Bedrohung weder Zeit noch Raum für politische Grabenkämpfe bleibt. Doch während in den Fabriken die Maschinen stillstehen, produziert die Political Correctness munter weiter.
Wie die Kriminellen im Internet abkassieren, sich aber auch in der Verkleidung als Polizisten oder Sanitäter Zutritt zu Häusern und Wohnungen verschaffen, melden sich Besserwisser, Oberlehrertypen und Seuchengewinnler zu Wort und finden, wie immer in Weltuntergangsszenarien, Publizität und Gehör. Diese Aktivitäten erfordern eine Zwischendiagnose, ihre Vielzahl zwingt zur Beschränkung auf wenige Beispiele.
Es ist angesichts eines chinesischen Virus zum Kotzen, wie die europäischen Medien nach der Pleite ihrer realitätsfernen Voraussagen zur letzten US-Präsidentenwahl Rache üben und trotz ihrer Kenntnislücken wieder einmal einen amerikanischen Wahlkampf führen. Täglich schielen sie über den Atlantik, ohne die dortigen Gegebenheiten zu verstehen.
Man braucht wahrlich Herrn Trump und seine Politik und auch seine Reaktionen auf die CoVid-Katastrophe nicht sonderlich zu schätzen, und man darf ihn und seinen Seuchenkurs durchaus kritisch sehen, aber er hat mit seinem Zögern nichts anderes getan bzw. nicht getan als europäische Linksregierungen, zum Beispiel Schweden und Spanien, wo man die Katastrophe des ebenfalls links regierten Mittelmeerstaates Italien unmittelbar vor Augen gehabt hatte.
Es ist zum Kotzen, dass die Intellektuellenblase und ihre medialen und politischen Wasserträger Österreichs Kanzler Kurz ankläffen, weil er sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Nachbarländer einmischt. Heute hat jeder Staat seine Hausaufgaben zu machen, und jede Regierung hat genug zu tun, innerhalb der eigenen Grenzen mit der CoVid-Krise fertig zu werden. Sebastian Kurz braucht keine außenpolitischen Zusatzbelastungen, zumal in Wahrheit gar kein Handlungsbedarf besteht.
Denn die "Intellektuellen", die sich gegen CoVid offenbar immun fühlen, verbreiten ihre geistigen Viren ja unter dem Missbrauch des Begriffes "Demokratie". Diese hat für sie nur dort Stellenwert, wo der Wind von links bläst. In Ungarn aber hat bei einer demokratischen Wahl die Partei des Herrn Orban eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht, und nun macht der Mann von dieser demokratischen Mehrheit in einer Phase Gebrauch, in der seiner Meinung nach die gegebenen Strukturen dringliche Entscheidungen nicht rasch genug ermöglichen. Denn mit dem CoVid lassen sich keine Kompromisse aushandeln!
Orbans gewählte Vorgangsweise ist ausschließlich eine Sache der Ungarn, auch wenn sich diese im Bewusstsein der Geschichte des 20. Jahrhunderts erfrechen, gegen alle linken Parolen immun zu sein. Zudem ist ein solcher Parlamentsentscheid gar nicht neu.
Die alten Römer, die mit ihrer moderaten Außenpolitik, ihrer staatlichen Organisation und ihrem ausgeklügelten Rechtswesen viele Jahrhunderte lang die damalige (Mittelmeer-)Welt beherrschten, wählten in der Zeit der Republik jährlich zur Verwaltung des Staates zwei Konsuln, nach denen sie auch die Jahre zählten. Die politischen Entscheidungen fielen im Senat.
In Zeiten existenziellen Notstands nahm dieser Senat jedoch eine Machtübertragung mit der historischen Formel vor: "Videant consules, ne quid res publica detrimenti capiat ‒ Die Konsuln mögen Sorge tragen, dass der Staat keinen Schaden nimmt." Mit diesem "äußerten Beschluss" (consultum ultimum) wurden der römischen Regierung außerordentliche Vollmachten verliehen. Auch heute muss man jedem Volk zugestehen, das Ausmaß seiner Bedrohung selber zu beurteilen und danach zu handeln. Ja, auch den Ungarn.
Misstrauen verdienen vielmehr alle jene, die einem Volk dieses Recht nehmen wollen. Wenn die "politisch Korrekten" nach Diktaturen suchen, wo Recht und Menschenwürde Fremdworte sind, finden sie ein reiches Betätigungsgeld in China, Venezuela und Nikaragua, deren Diktaturen keinen Funken demokratischer Legitimation besitzen.
Sozialistische und kommunistische Staaten aber sind keine Themen für die großen Medienmacher, welche die staatsbürgerlichen Grundrechte einäugig interpretieren und praktizieren: Meinungsfreiheit gilt für alle linken Lügen und Geschmacklosigkeiten. Wahrheit ist rechtsradikal. So einfach ist das, und sie können sich dabei des Wohlwollens der Justiz sicher sein, vor allem in Deutschland, wo die DDR in Thüringen mit einer links-links-linken Minderheitsregierung und einer dunkelroten Spitze ihre traurige Wiedergeburt feiert und ein Berliner Gericht die Bezeichnung "alte perverse Drecksau" für einen menschenwürdigen Umgangston hält.
Es ist zum Kotzen. Da blühen in den heimischen Geistesquarantänen des CoVid-Frühlings dutzendweise die Bildungsexperten auf. Niemand besitzt gesicherte Kenntnisse über den künftigen Verlauf des Geschehens. Aber neben dem neuen Virus grassiert in Österreich immer noch die unter weiland Kreisky ausgebrochene Biertisch-Krankheit: Keiner hat eine Ahnung, aber jeder eine unumstößliche Meinung.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich nicht jede Entscheidung des Bildungsministers für Schule und Universitäten als richtig erweisen. Aber Herr Faßmann hat schon in der türkisblauen Regierung bewiesen, dass er eine kluge und zielführende Linie vorzugeben imstande ist.
Wenn nun jeder eine Feder aus seinem Maßnahmenpaket herauszupft, wird Österreich am Ende als gerupfte Bildungsgans gackern. Im Hintergrund stehen neben verantwortungsloser Parteitaktik auch zwielichtige Einzelinteressen von Ministerien, Bundesländern, Lehrergewerkschaftern und Elternvertretern. Und in manchen Fällen auch die Hoffnungen von Maturanten und Studenten auf den Entfall gefürchteter Prüfungen. Sie alle bekommen im politischen Kleinkrieg ihr mediales Echo.
Da die angeführten Beispiele leider symptomatisch für die gesamtpolitische Lage sind, lassen sich für das Ende der CoVid-Krise nur die schlimmsten Befürchtungen hegen.
Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war ab 1961 Mitarbeiter von Alfons Gorbach, Josef Klaus und Hermann Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der konservative Publizist schreibt vorwiegend über gesellschaftspolitische, zeithistorische und lokalgeschichtliche Themen.