Ein modernes Konzernrecht brächte Österreich weiter – die SPÖ-Polemik nicht

Zur Freiheit gehört bekanntlich auch das Recht mit anderen zu kooperieren. Aus diesem Gedanken leitet sich etwa die Versammlungs- und Vereinsfreiheit ab, aber auch das Recht, zum Zwecke der politischen Willensbildung Parteien zu gründen. Auch im Wirtschaftsrecht haben sich verschiedene Gesellschaftsformen etabliert, um Kräfte zu bündeln. Wenn sich allerdings mehrere Unternehmen zusammentun, nehmen manche eine solche Entwicklung zum Anlass, ihr antikapitalistisches Mütchen zu kühlen. "Mensch statt Konzern" plakatiert etwa die SPÖ, deren Spitzenkandidat mit einer Frau verheiratet ist, die nach ihrem politischen Fall beim Siemens-Konzern untergekommen ist. An der Spitze dieses Konzerns stand lange Zeit eine andere Sozialdemokratin aus Wien.

Das Verhältnis der SPÖ zum Konzerngedanken scheint also sehr launenabhängig zu sein. Aber auch der genannte Slogan erscheint zunächst nicht ganz verständlich: Durch welchen Menschen soll man beispielsweise einen Konzern ersetzen? Abgesehen davon drückt er aber eine gespaltene Grundhaltung aus, die auch der österreichischen Rechtsordnung anhaftet. Dort gibt es zwar sowohl im Recht der Aktiengesellschaften als auch im Recht der GmbHs eine Definition des Konzerns, aber kaum inhaltliche Regelungen. Das österreichische Gesellschaftsrecht ist zwar nicht konzernfeindlich, es ist aber – von einigen Spezialbestimmungen abgesehen – konzernignorant.

Diese Ignoranz hat auch mit der historischen Entwicklung zu tun. Bekanntlich haben wir 1938 das deutsche Aktienrecht aus dem Jahr davor übernommen. Die Nationalsozialisten wollten ursprünglich zwecks Überwindung des "Judenkapitalismus" die Aktiengesellschaft abschaffen, mussten aber einsehen, dass dies aus Kapitalsammlungsüberlegungen untunlich war. Daher fanden sich in diesem Gesetz seltsame Bestimmungen hinsichtlich der umfassenden Interessengebundenheit des Vorstands einer AG, sonstige Sozialpflichtigkeiten und minderheitsfeindliche Benachteiligungen.

Im Jahr 1965 gab es sowohl in Österreich als auch in Deutschland eine Aktienrechtsreform. Während sich Österreich auf eine sprachliche Adaption konzentrierte, die man Austrifizierung nannte, marschierte Deutschland unter Ludwig Erhard klar Richtung Marktwirtschaft, entledigte sich der (national)sozialistischen Klauseln und schuf zahlreiche Bestimmungen für Konzerne. Österreich wollte die deutschen Erfahrungen zunächst abwarten – so die Erläuterungen zur Austrifizierung.

Nun warten wir bereits 54 Jahre. Zeit wird es, dem Vorstand nur ein Interesse ans Herz zu legen: das Wohl des Unternehmens. Weder das Interesse der Aktionäre noch der Arbeitnehmer noch das öffentliche Interesse (bis 1965: Nutzen von Volk und Reich) haben etwas im Gesetz verloren. Welche Folgen es haben kann, wenn man das Gesetz als umfassend-harmonisches Sammelbecken für alles Mögliche definiert, haben wir bei den juristischen Volten um die dritte Piste erlebt. Daher sollten auch die verwirrenden Interessenwahrungspflichten aus dem Gesetz eliminiert werden. Auch wäre es Zeit die gegen die Minderheiten gerichteten Bestimmungen zu entfernen.

Schließlich sollte endlich ein Konzernrecht kodifiziert werden. Bei allem Verständnis für die Lehre, die die Einordnung von Aktiengesellschaften in Konzerne rechtskonform zu interpretieren versucht: Das ist Schlawinerei. Die Weisungsfreiheit des Vorstands einer AG verträgt sich mit dem Konzerngedanken einfach nicht.

Auf europäischer Ebene gelingt es schon die längste Zeit nicht, ein Konzernrecht zu kodifizieren. Dazu sind die Rechtstraditionen in den einzelnen Staaten offensichtlich zu unterschiedlich. Schafft es Österreich, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und ein modernes Konzernrecht zu etablieren, kann es nicht nur zur Rechtsklarheit beitragen. Wenn ein entsprechender Rechtsrahmen zur Verfügung steht, kann auch die Marktwirtschaft in unserer kleinen Welt, in der die große bekanntlich ihre Probe hält, einen weiten Sprung nach vorne machen. Für den Standort kann dies einen signifikanten Wettbewerbsvorteil bedeuten.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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