Das einsame Spiel des Verfassungsgerichtshofs und was jetzt zu tun ist

Die von der Linken hämisch gefeierte "Öffnung der Ehe" ist der Schlussstein eines einsamen Spiels des Verfassungsgerichtshofs mit sich selbst. Nur die Einführung der "Eingetragenen Partnerschaft" für gleichgeschlechtliche Paare war eine politische Entscheidung. In allem, was danach kam (Stiefkindadoption, künstliche Befruchtung, Fremdkindadoption), hat der VfGH sich nur noch mit seinen eigenen vorangegangenen Entscheidungen beschäftigt, um der fragwürdigen These, dass zwischen gegen- und gleichgeschlechtlicher Liebe keinerlei Unterschied sei, scheibchenweise zum Durchbruch zu verhelfen.

Nicht nur die näheren Umstände dieser Entscheidung – kurz vor dem Verlust einer linken Mehrheit der Verfassungsrichter und gegen den erst kürzlich erklärten politischen Willen des Gesetzgebers – sind problematisch. Auch die Stoßrichtung der Argumentation selbst ist keinesfalls zwingend: Behauptet wird, dass aufgrund der kaum noch vorhandenen Unterschiede von Ehe und Eingetragener Partnerschaft (EP) "Diskriminierung" vorliege, wenn gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe verweigert wird. Wahr ist aber ebenso das Gegenteil: Wenn zwischen Ehe und EP kein Unterschied mehr ist, kann es auch nicht diskriminierend sein, gleichgeschlechtlichen Paaren die EP zuzuweisen und gegengeschlechtlichen die Ehe.

Aus der weitgehenden Unterschiedslosigkeit von Ehe und EP lässt sich sowohl die "Diskriminierung" als auch die Nichtdiskriminierung ableiten. Die wenigen Unterschiede zwischen Ehe und EP, die es noch gibt, wie, dass die "Scheidung" leichter fällt als bei der Ehe und dass die Beistandspflichten geringer ausfallen, müssten zudem für die EP sprechen. Nicht von ungefähr erschallt jetzt der Ruf nach einer dringenden Beibehaltung der EP und einem "modernen" Eherecht, das die Ehe genau um die Treue als deren Kern verkürzt. Fazit: Eine EP eingehen zu "müssen", kann nicht diskriminierend sein.

Die Diskriminierung, die aufgrund des Schwindens der Unterschiede von Ehe und EP nunmehr vorliege, liegt allenfalls in den (unterschiedlichen) Worten. Mithin ist sie keinerlei rechtliche Ungleichbehandlung. Der VfGH hat jedoch über Rechtsfragen zu entscheiden. Er ist keine oberste weltanschauliche, moralische, religiöse oder philosophische Instanz. Eine solche mag zum Beispiel der Iran für richtig befinden. In einem säkularen, liberalen Rechtsstaat hat derlei nichts verloren, auch wenn der VfGH sich schon bislang als Hüter eines postulierten "antifaschistischen" Gründungsaktes der Zweiten Republik geriert hat. (Was immer das bedeuten soll.)

Auch der Einwand, mit der fortdauernden Unterscheidung von Ehe und EP komme es zu einem "Zwangsouting" homosexueller Paare, vermag nicht zu überzeugen: Gegen die "Privatheit" des Notars wurde nach dem Standesamt gerufen, um die empfundene Zuneigung auch öffentlich kundtun zu dürfen. Im übrigen findet sich in vielen Formularen (wie z.B. der Einkommensteuererklärung) in einer einzigen Zeile der Passus "verheiratet/in eingetragener Partnerschaft lebend", sodass nicht das eine oder das andere angekreuzt werden muss.

Es hätte allenfalls genügt, dem Gesetzgeber vorzuschreiben, in keinem öffentlichen Formular mehr alternativ Ehe oder EP ankreuzen zu lassen. Als "Reparatur" der Gesetzeslage wird derlei indessen nicht hinreichen, außer die Mehrheitsverhältnisse sind bis dahin auch im VfGH klar andere.

In seiner derzeitigen Zusammensetzung wollte der VfGH offenkundig außer Kraft setzen, was traditionell als Ehe gilt. Seine Entscheidung ist eine weltanschaulich-politische und nur vordergründig rechtlicher Natur. Der VfGH hätte genausogut erklären können, dass 1 plis 1 fortan 3 ist. Dass das Recht, zumal in Zeiten einer auch in Westeuropa zu beobachtenden Erosion des Rechtsstaats, durch kontrafaktische Setzungen in Misskredit geraten kann, scheint leichtfertig in Kauf genommen.

Wichtig für die Politik wäre es jetzt, die "Eingetragene Partnerschaft" ersatzlos zu streichen. Eine "Ehe light" für alle braucht es nicht. Anzudenken wäre ferner, die (staatliche) Ehe etwa in "unbefristete Partnerschaft" umzubenennen, damit nicht "Ehe" sei, was keine ist. Ein Zusatz könnte lauten: "Die unbefristete Partnerschaft von Personen verschiedenen Geschlechts wird auch Ehe genannt." Oder wäre schon dies zutiefst menschenverachtend und diskriminierend?

Eine gänzliche Abschaffung der staatlichen Ehe steht nicht zur Disposition. Sie hätte auch zum Problem, dass nicht alle Religionsgemeinschaften Eheschließungen mit Partnern einer anderen Religion zulassen. Nur der säkulare Staat stellt bislang sicher, dass jeder Mann jede Frau von woher auch immer heiraten darf, um so dem Wunsch nach Zusammenleben und Familiengründung "vor aller Welt" und also öffentlich Ausdruck verleihen zu können. Eher braucht es ein modernes Religionsrecht, das die uneingeschränkte Anerkennung anderer Religionen durch eine jede Religion einfordert, als ein "modernes" Eherecht.

Ganz wichtig ist schlussendlich gerade jetzt, keinen über den ohnedies sehr weitschweifigen Straftatbestand der Verhetzung noch hinausgehenden Verwaltungsstraftatbestand zu beschließen, der bereits "diskriminierende" Äußerungen verbietet. Ein solcher ist im Frühsommer in Begutachtung gegangen (siehe hierzu vom Verfasser dieses Textes) und droht mit Leben zu erfüllen, was Sebastian Kurz unter härteren Strafen bei Verhetzung vorschwebt.

Dr. Wilfried Grießer (geboren 1973 in Wien) ist BHS-Lehrer, Philosoph und Buchautor. Zuletzt erschienen: Flucht und Schuld. Zur Architektonik und Tiefenstruktur der "Willkommenskultur". Ares Verlag, Graz 2017.

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