Schautafel im Rathauspark: Mahnung oder Drohung?

Bei meinem täglichen Weg in die Arbeit stach mir sofort eine neue Schautafel im Park neben dem zentralen Rummel- und Agitationsplatz der Stadtregierung (vormals Rathausplatz) ins Auge. Etwas fassungslos wurde ich zu früher Morgenstunde Zeuge der neuen sozialistischen Geschichtsbetrachtung; nebenbei ein schauerlicher Ausblick auf die ideologische Schlagseite, die uns im Rathkolbschen Haus der Geschichte erwartet.

Hier wird der Schutzbund, der 1923 gebildet wurde, also noch vor Organisation der Heimwehr unter zentraler Führung, gut bewaffnet und mit 80.000 Mitgliedern, als militante Gegenmacht zur bürgerlichen Regierung, nicht einmal erwähnt. Dass es sich hier um keine Pfadfindertruppe handelte (wie auch die Heimwehren natürlich keine solche waren), sondern um eine ideologische Gruppierung, welche die Durchsetzung ihrer Ziele sichtlich nicht nur gewaltlos zu erreichen gedachte, ist unbestritten.

Die dramatische Reaktion der Regierung auf die Julirevolte nach den Schattendorfer Ereignissen reflektierte die immense bürgerliche Furcht vor roten Revolutionsphantasien und den instabilen deutschen Verhältnissen. Nicht zu vergessen, dass Demokratie, Freiheit und Republik (gab es ja bis vor kurzem auch in der DDR) in den Augen der damaligen roten Intelligenzija etwas anders interpretiert wurden, als wir es bis vor Kurzem gewohnt waren.

So stilisiert der Text den eigentlich von Schutzbündlern organisierten bewaffneten Aufstand gegen den Ständestaat zum geschichtlich ersten Widerstand gegen den Faschismus (dessen historische Definition mit dem heute von Linken inflationär verwendeten Überbegriff für feindliche Ideologien wenig zu tun hat), als ob der Austromarxismus, oder der sich gemäßigt gebende Sozialismus etwas anderes als einen radikalen ideologischen und in der Folge autoritären Umbau unserer Gesellschaft im Schilde geführt hätte.

Nachdem historisch sensible Straßennamen zunehmend mit Zusatzschildern den Bürger auf eine mögliche "rechte/faschistische" Belastung der so geehrten und um die Stadt verdienten Persönlichkeiten hinweisen sollten, verschweigt man gleichzeitig schamlos die eigene Beteiligung an den unseligen Entwicklungen unserer jüngeren Geschichte. So befindet sich die Belehrungstafel in unmittelbarer Nähe zum Dr. Karl Renner Ring, dessen Namensgeber als rote Ikone im Gegensatz zu den Protagonisten des Ständestaates den Anschluss an Nazideutschland intensiv bewarb. Das offizielle Verschweigen seines latenten Antisemitismus, der Anbiederung an die Nazis und danach an Stalin und seine Verweigerung der Repatriierung von Vertriebenen in Wien (nach Intervention bei seinen sowjetischen Verbündeten) spiegelt die verlogene Geschichtsverfälschung antidemokratischer Ideologien wider.

Der Missbrauch der Presse durch staatliche Förderungen und steuerfinanzierte Inserate, permanente linke Indoktrination durch den Rundfunk, Einschränkung der Versammlungsfreiheit Andersdenkender durch linksaktivistische Gewalt, Stigmatisierung kritischer und differenzierter politischer Meinungen als rechte Hetze, drakonische strafrechtliche Verfolgung von Meinungsdelikten (statt sachlicher Aufklärung schon in Schulen – ohne ideologische Schlagseiten) zeugen nicht von dem demokratischen und pluralistischen System, das unsere Eltern und Großeltern nach den Schrecken, den Entbehrungen, dem unermesslichen Leid und persönlichen Verlusten in der jüngeren Geschichte für ihre Nachkommen zu schaffen beabsichtigten.

Dass eine differenzierte, ideologiefreie und emotionslose Betrachtung der Geschehnisse vor fast einem Jahrhundert aus der Sicht der damaligen hochkomplexen Situation noch immer unmöglich scheint, ist nicht zuletzt der politischen Schlagseite mancher universitärer Institutionen zu verdanken, deren Repräsentanten ihre Karriere durch Anbiederung beim linken Establishment zu sichern suchen. Diese Form der Geschichtsinterpretation dient nicht der Aufklärung des historisch interessierten Betrachters, sondern erinnert an die einseitige im Osten ubiquitäre Volksbelehrung in Form plakatierter sowjetischer Heldenepen an jeder Straßenecke.

Zu befürchten bleibt, dass die versteckte Aussage dieses Textes gewalttätige (respektive "aktivistische") Reaktionen auf die zu erwartenden (diesmal) demokratischen politischen Machtverschiebungen in unserem Land androht, denn es fehlt auf dieser Tafel nebenbei nicht nur der Autor, sondern auch der Hinweis, dass Widerstand in einer Demokratie nur mit demokratischen Mitteln und daher NUR gewaltfrei zu erfolgen hat.

Wo Unrecht zu Recht wird – wird Widerstand zur Pflicht.

Wie wahr, wie wahr…

Dr. Georg Ludvik ist  Bundesfachgruppenobmann der österreichischen Urologen und Vizepräsident des bvU

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