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Die perverse Lust zur Selbstzerstörung

„Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen.“ Tatsächlich sah es lange genug so aus, als ob diese Prophezeiung des Revolutionärs Lenin sich bewahrheiten würde. Zum Glück Westeuropas zerbrach indes der sowjetische Realsozialismus, noch ehe es dazu kam, an seinen unüberwindlichen inneren Widersprüchen. Diese Gelegenheit zur Selbstzerstörung des „freien Westens“ war also vertan.

Eine andere Chance hingegen ist intakt: „Wer die Kapitalisten vernichten will, der muss ihre Währung zerstören.“ Dabei handelt es sich um eine Erkenntnis desselben bolschewistischen Revolutionärs. Und damit kam er der Wahrheit schon wesentlich näher.

Nun ist natürlich zu fragen, ob es im Hinblick auf den „Kapitalismus“ unserer Tage noch irgendetwas gibt, was man vernichten könnte. Wo wäre denn das, was man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (zumindest in England und in den USA) mit einigem Recht „Kapitalismus“ nennen durfte, heute noch zu finden? In dem in den Staaten der EU herrschenden Politsystem liegt die Staatsquote bei rund 50 Prozent – Tendenz insgesamt steigend.

Alle Agenden, die für die Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind, wie Infrastruktur, Bildung, Gesundheitsvorsorge, Pensionen, Sicherheit, usw., liegen nicht etwa in privaten Händen, sondern werden von den Regierungen bestimmt. Eine derartige Ordnung steht dem auf Befehl und Zwang basierenden Sozialismus zweifellos deutlich näher, als einer auf Vertrag und Privateigentum beruhenden Gesellschaft, die von Karl Marx als „Kapitalismus“ geschmäht wurde.

Wie dem auch sei. Die Zerstörung unserer Währung ist offensichtlich in vollem Gange. Jeder, der gelegentlich einkaufen geht und dabei die unaufhörliche Kaufkrafterosion hautnah erlebt, kann das bestätigen. Die Bildung von Privateigentum in der Hand privater Haushalte (etwa der Erwerb von Wohnungseigentum), wird dank steigender Steuerlasten und galoppierender Preisinflation auf dem Realitätenmarkt von Jahr zu Jahr schwieriger.

Hier sind aber keine sinistren Außenfeinde am Werk – weit gefehlt! Es sind vielmehr unsere eigenen Regierungen, die Hand in Hand mit den auf ihren Zuruf parierenden Zentral- und Geschäftsbanken die Währungszerstörung auf ihre Fahnen geschrieben haben. Wer zwei Prozent jährliche Kaufkraftminderung als Zielvorgabe definiert (wie das die der Erhaltung der Währungsstabilität verpflichtete EZB tut), kann schwerlich behaupten, im Interesse der Haushalte und Sparer zu handeln. Zentralbanken sind vielmehr zu Inflationierungsbehörden verkommen, die ausschließlich im Interesse von Politik und Finanzindustrie agieren.

Ein Vergleich macht sicher: Ab 1942 lief unter Federführung des deutschen Reichssicherheitshauptamts mit dem Decknamen „Aktion Bernhard“ das bis dahin größte Geldfälschungsunternehmen der Geschichte. Geplant war ein Angriff auf die damalige Weltreservewährung, das britische Pfund. Ziel war es, durch die massenhafte Produktion und das in Umlaufbringen täuschend echt erscheinender Banknoten (in Stückelungen von 5, 10, 20 und 50 Pfund) den Wert des britischen Geldes zu untergraben und eine Inflation auszulösen. Ein im Grunde ebenso genialer wie einfacher Gedanke, der letztlich nur an logistischen Problemen scheiterte.

Heute bedarf es keiner perfiden Nationalsozialisten mehr, die die Währung verfeindeter Nationen verschlechtern. Dieselben Geschäfte werden jetzt – auf absolut legale Weise und unter dem Beifall der Ökonomenzunft und zahlreicher Börsianer – von unserem eigenen Bankensystem unternommen. Ein Unterschied zu den geplanten Konsequenzen der „Aktion Bernhard“ ist mit freiem Auge nicht erkennbar: In beiden Fällen ging/geht es um die Produktion einer Flut neuer Liquidität. Ein „echter“ (von der Notenbank gedruckter) Schein entfaltet keine andere Wirkung auf die Kaufkraft aller übrigen Noten als ein gefälschter – er vermindert sie.

Heute wird uns von staatsnahem „Experten“ versichert, dass eine Ausweitung der Menge durch nichts als warme Worte und eitle Hoffnungen gedeckten Geldes, der reinste Segen für die Gesellschaft sei. Das ist angesichts der „Aktion Bernhard“ ein wenig verwirrend! Waren die Nationalsozialisten etwa drauf und dran, mit ihren Aktivitäten den Briten einen riesigen Gefallen zu tun? Hätten sie durch den massenhaften Abwurf gefälschter Banknoten wirklich deren Wirtschaft „angekurbelt“? Oder ist es wahrscheinlicher, dass der nunmehr seit vielen Jahren laufende Versuch von EZB (EU), FED (USA) und BOJ (Japan), eine Schuldenkrise durch noch mehr Schulden zu lösen und Wohlstand mit der Notenpresse zu schaffen, auf katastrophalen Denkfehlern beruht?

Die gegenwärtig zu beobachtenden „Korrekturen“ sind jedenfalls klare Hinweise auf mit der exzessiven Geldproduktion einhergehende Blasenbildungen. Ob es sich um einen vermeintlichen „Kapitalismus“ handelt, der damit attackiert wird, oder in Wahrheit um „Korporatismus“ (Ludwig Mises) oder „Geldsozialismus“ (Roland Baader), ist unbedeutend. Wichtig ist: Leiden werden – von der verhältnismäßig kleinen Zahl von Systemsymbionten abgesehen – wir alle. Es muss ja nicht gleich zu unserer von Lenin erhofften „Vernichtung“ kommen.

Dass an verantwortlicher Stelle agierende Menschen, die es besser wissen müssten, mit derartiger Vehemenz in die falsche Richtung arbeiten, kann nur mit deren extremer Kurzsichtigkeit oder mit einer geradezu perversen Lust an der Selbstzerstörung erklärt werden…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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