EU und EZB sind mit ihrer Politik des Gelddruckens gescheitert. Der ökonomische Voodoo-Zauber hat sich als das entpuppt, was er ist: als sozialistischer Hokuspokus. Das viele neue Geld will und will nicht in der realen Welt ankommen. Deshalb wird es jetzt ernst, das Scheitern muss verborgen werden, so lange es eben geht. Weil ein Paradigmenwechsel oder das Eingestehen des eigenen Versagens für die Geldsozialisten in Frankfurt und Brüssel undenkbar ist, brennen jetzt die letzten demokratischen Sicherungen durch, man macht den Schritt in Richtung totale Unfreiheit.
Von Madrid bis Berlin promoten die linken Mainstream-Medien als brave Herolde bereits das Bargeldverbot. Weil man die Bürger nicht gänzlich vor den Kopf stoßen will, wird das Verbot in Schritten eingeführt, allerdings in wenigen und großen. Schließlich brennt der Hut.
Diese Panikreaktion zeigt deutlich, wie das Vertrauen in das System des ungedeckten Geldes erodiert. Den Bürgern sollen alle Möglichkeiten genommen werden, aus dem jetzigen System zu fliehen. Man kann die Menschen nur dann mit Negativzinsen um ihr Erspartes bringen bzw. sie zu fleißigen Konsumenten umerziehen, wenn man ihnen alle Fluchtwege versperrt. Das Bargeldverbot ist der wichtigste, aber nicht der einzige Schritt. Jede Wette, demnächst werden in den Medien erste „Experten“ andenken und fordern, auch den Handel mit Gold massiv einzuschränken.
Für diese Beschneidung an Rechten und Freiheiten hat man selbstredend gute und gewichtige Gründe. Als billiger Vorwand dient der Kampf gegen Steuerhinterzieher, Betrüger, gierige Kapitalisten, fiese Unternehmer und Spekulanten, sprich das ganze Panoptikum an holzschnittartigen Feindbildern, das die Linke mit ihren Helfershelfern in den Mainstream-Medien in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aufgebaut hat. Mit dem Bargeldverbot bzw. einer drastischen Einschränkung des Bargeldverkehrs will man diesen üblen Gesellen das Handwerk legen und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Hurra! So platt und durchschaubar diese Argumentation auch ist, die Neosozialisten in Parteien und Wählerschaft jubeln und tragen mit wehenden roten Fahnen die letzten Freiheiten der Bürger zu Grabe.
Die Linke hatte allerdings noch nie ein ernsthaftes Problem mit einem übermächtigen Staat, der denkt, lenkt, kontrolliert und alles entscheidet. Im Gegenteil. In diesem Kontext sind auch die vehementen Forderungen nach Ganztagschule und noch mehr verpflichtenden Kindergartenjahren zu sehen. Ein bunter Maßnahmenmix für mehr Macht, mehr Einfluss und mehr Kontrolle.
Die Kollektivisten wollen alle Privatheit, jegliche Individualität und alle Freiräume beseitigen. Das Bargeldverbot ist dabei ein ganz wichtiger und entscheidender Schritt. Bargeld ist Freiheit, Bargeldverbot die totale Kontrolle. In einigen Monaten wird man in Europa nur noch elektronisch bezahlen können. Mit dem Ende des Bankgeheimnisses und dem zentralen Kontenregister, das nun in Österreich eingeführt wird, haben sich die Neosozialisten den Traum vom gläsernen Bürger erfüllt, dessen Leben man bis in die intimsten Bereiche hinein durchleuchten und überwachen kann.
Seltsamerweise hält sich die Aufregung darüber in Grenzen. Dieselben Leute und Gruppen, die vor kurzem noch in heller Aufregung waren, weil die NSA angeblich ihre Mails mitliest, finden all diese Maßnahmen okay. Das ist skurril, weil der durchschnittliche Grün- oder Rotwähler mit seiner politisch korrekten Einheitsmeinung für die NSA ungefähr so spannend und aufschlussreich ist wie das Leben der Teletubbies. Aber wenn künftig Finanzbehörden, Krankenkassen, Polizei und noch unzählige andere Staatsdiener jede Kontobewegung und das Konsumverhalten nachverfolgen können, ist das offensichtlich kein großes Problem. Das sind schließlich dringend notwendige Schritte gegen den Klassenfeind, da ist man zu Zugeständnissen auf Kosten der eigenen Freiheit gerne bereit.
Zudem sollte man die Beteuerungen der Politiker nicht allzu ernst nehmen, dass sich die Finanzbeamten nur bei Verdacht die Kontobewegungen ansehen. Ganz sicher. Wenn man Zugang zu den Daten hat, dann nutzt man diesen auch und zwar nicht zu knapp. Und da tun sich dank zentralem Kontenregister, Bargeldverbot und Registrierkassenpflicht für Staat und Politik bisher völlig ungeahnte Möglichkeiten auf.
Wenn etwa der übergewichtige Schnitzelfreak in einer Woche bereits zum dritten Mal beim Fleischhauer (Metzger) seines Vertrauen einkauft, könnte man ihn doch mit einer elektronischen Nachricht auf sein Smartphone dezent darauf hinweisen, doch mal einen Veggieday einzulegen. Viele nette Grüße, Ihre Gebietskrankenkasse.
Ja, der Bürger wird von den neuen Segnungen in vielfältiger Weise profitieren. Man braucht dann auch keinen Steuerberater mehr. Wozu? Wenn der Staat ohnehin über alle Transaktionen, über alle Einnahmen und Ausgaben Bescheid weiß, kann er sich die Steuer, ganz bürgernah und praktisch, gleich selbst abziehen. Schöne neue Welt. Vieles was jetzt noch übertrieben klingen mag, wird in wenigen Jahren Realität sein. Man wird all die vielen neuen Daten zu nutzen wissen. Trotz all dieser angedachten, geplanten oder bereits umgesetzten Maßnahmen werden noch ein paar kleine Bereiche des Lebens der europäischen Bürger zumindest im Halbdunkel liegen.
Und selbst das ist zu viel. Erst wenn auch der letzte Winkel ausgeleuchtet, wenn der letzte Rest Privatheit eliminiert und Freiheit nur noch ein völlig entstellter Begriff in den Sonntagsreden der Staatsoberhäupter ist, werden unsere gutmeinenden neosozialistischen Politiker zufrieden sein. Das wirklich Erschütternde an dieser Entwicklung ist, wie leicht es den Mächtigen gemacht wird, wie problemlos sie all diese Maßnahmen durchbringen. Man braucht nur mit dem Finger auf die für alles verantwortlichen Sündenbocke der Linken zu zeigen, soziale Gerechtigkeit fordern und schon lassen sich die unglaublichsten und demokratiefeindlichsten Dinge politisch ganz locker und lässig durchbringen.
Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Kürzlich sind seine neuen Bücher „Die Feinde der Freiheit“ und „Das Phänomen Conchita Wurst: Ein Hype und seine politischen Dimensionen“ erschienen.