Mit politischen Programmen identifiziert man sich über Persönlichkeiten und nicht über Plakate. Die Zeiten sind schon lange vorbei, wo man sich an programmatischen Schriften und Sprüchen einer politischen Bewegung orientiert hat, bevor man seine Stimme für diese oder jene Partei am Wahltag abgab. Bereits in der Gründungsphase einer Partei sind und waren es Persönlichkeiten, die für die jeweilige Programmatik standen.
Diese Persönlichkeiten waren Vorbilder und Vordenker für ihre Anhänger, die sich über die Lebenshaltung, die die Ideologie widerspiegelte, identifizieren konnten. Macht man einen Zeitsprung in die politische Gegenwart, dann sind neben nostalgischen Reminiszenzen an die ruhmreiche Gründerzeit der jeweiligen politischen Bewegung nur rudimentäre Überbleibsel einer Zeit, wo es um programmatische Grundsätze ging, übrig geblieben.
Heute gleicht die politische Bühne einer Showbühne, wo in inszenierten Auftritten der Politiker stilisierte populistische Statements und nicht politische Standpunkte zum Besten gegeben werden. Man bekommt den Eindruck, dass jeder der Akteure ersetzbar ist, ebenso wie die politischen Aussagen verwechselbar und in Bezug auf die unterschiedlichen Parteien austauschbar sind.
Die Menschen haben den Eindruck von einem Marktplatz, wo im Wettbewerb um die Wählerstimmen jedes Mittel recht ist, sich argumentativ so zu verbiegen, dass es zum erhofften Wahlerfolg kommt. Die politischen Pranger-Redner überschreiten im Gefallen-Wollen um jeden Preis die Schamgrenze, welche zum Schutz der eigenen Persönlichkeit und dem Respekt den Anhängern gegenüber eigentlich ein Tabu darstellen sollte.
Wenn sich die politische Programmatik nicht mehr mit jenen Personen deckt, die für die Inhalte stehen sollten, dann kommt es zu den bekannten Phänomenen wie Politikverdrossenheit und zum Anstieg der Zahl von Wechsel- und Nichtwählern. Gerade diesen Zustand haben wir in Zeiten wie diesen erreicht. Es darf uns nicht wundern, wenn die Jugend, die unsere politische Zukunft bestimmen sollte, den politischen Rattenfängern scharenweise davonläuft und auf plumpe phantasielose Lockangebote in keinster Weise anspricht.
Dabei wäre es so einfach, sich wieder der Gründerzeit zu besinnen, wo jedem und jeder klar war, warum man einer Bewegung beitrat, welche Interessen sie vertritt und vertrat und was vor allem dabei der eigene Beitrag ist, die gemeinschaftlichen Gesellschaftsinteressen zu verbessern.
Dieses demokratiepolitisch wichtige und wertvolle Ziel ist nur über authentische und politisch kompetente Persönlichkeiten als wahre Volksvertreter zu erreichen.
Dr. Franz Witzeling: Soziologe und Psychologe