Zwei Philosophen treffen sich zu einem von einem Kulturhistoriker moderierten Gespräch über Gott und die Welt. Diese Debatte bildet den Inhalt dieses Büchleins. Wer erwartet, dass die Diskutanten hierbei den Boden des akademischen Elfenbeinturms nicht verlassen werden, irrt.
Stellenweise geht es sogar außerordentlich praktisch zur Sache – etwa dann, wenn über den Staat oder über das moderne Geldwesen sinniert wird: „Wenn der Staat einmal eingerichtet ist, hat er die Tendenz, zu noch mehr Staat zu werden.“ Welcher mit beiden Beinen auf dem Boden stehende Zeitgenosse wollte das bestreiten? „Der Wohlfahrtsstaat finanziert sich ja heute über die Grenzen der Steuereinnahmen hinaus.“ Dieser Satz könnte glatt aus dem Mund eines libertären Ökonomen stammen.
Auf die höchst kontroversiell diskutierte „Revolution der gebenden Hand“ angesprochen, werden beide Diskutanten recht deutlich: Thomas Macho weist darauf hin, dass „das Geben … eine Erfindung von Menschen war, die Einfluss und Macht gewinnen wollten.“ Wie praktisch, dass das Geben heute nicht mehr aus der eigenen, sondern aus fremden Taschen finanziert wird!
Peter Sloterdijk diagnostiziert dagegen eine vom Staat angeordnete „Pflichtgroßzügigkeit“, ohne dass auch nur einmal gefragt würde, ob die Bürger denn überhaupt großzügig sein wollen. Moralisch sei und bleibe die Steuer jedenfalls eine zweideutige Angelegenheit.
Der Vertrauensverlust in Banken und Ökonomie führe zu einer Transformation der Vertrauens- in eine Spielerökonomie, was – auch – mit der Verzehnfachung der Geldmenge im Verhältnis zur realen Wertschöpfung zu tun habe. Fragen zur „Schuldnerkultur“ und zum Verhältnis von Schulden und Schuld werden mit Blick auf die Religionen untersucht.
Der dramatische Bedeutungsverlust der Religion führe in unseren Tagen zu einer umfassenden und unübersehbaren Werteumkehr. Heißt es in den Zehn Geboten „Du sollst nicht begehren“, lautet die Forderung im modernen Wohlfahrtstaat genau umgekehrt. Das Begehren (des anderen Gut) wird hier geradezu zur Tugend. Die „Seelenlenkung oder Herrschaft über den Menschen durch die Furcht“ („Phobokratie“) sei heute nicht mehr möglich – mit weit reichenden (keineswegs ausschließlich positiven) Konsequenzen.
Sloterdijks expliziten Hinweis auf die „Österreichische Schule der Nationalökonomie“ (im Zusammenhang mit einer Betrachtung ökonomischer Gleichgewichtsmodelle) hätten hier wohl die wenigsten erwartet. Der Mann hat zweifellos (auch) seine wirtschaftswissenschaftlich relevanten Hausaufgaben gemacht…
Gespräche über Gott, Geist und Geld
Peter Sloterdijk, Thomas Macho
Herder-Verlag, 2014
112 Seiten, gebunden
€ 12,-
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.