Sabbat-Jahr: Strategie zum Abbau der Arbeitslosigkeit?

Es ist erwiesen, dass die Arbeitsplätze gut ausgebildeter und höher qualifizierter Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt sicherer sind. Pro Jahr brechen etwa zehn Prozent der vorhandenen Arbeitsplätze in der EU weg, weil deren Qualifikation nicht mehr benötigt wird. Durch den Technologiewandel entstehen aber nur drei Prozent neue Jobs. Dies erklärt, weshalb es trotz leicht wachsender bzw. teilweise stagnierender Konjunkturdaten nach wie vor eine hohe Anzahl von Arbeitslosen gibt, obwohl in vielen Unternehmen „neue Qualifikationen“ wie z.B. Experten in technischen Berufen sowie IT-Fachleute, für die etwa die Industrie 4.0 mit der 3D-Drucktechnologie kein Fremdwort ist, dringend, aber leider oft vergeblich, gesucht werden.

Just nach den Feiertagen wurden wir mit Jahresbeginn 2014 wieder in die harte Realität der Wirtschaft und Konjunkturentwicklung zurückgeholt.

Ende 2013 ist die Arbeitslosigkeit auf einen Höchststand von rund 360.000 Personen gestiegen und damit um zwölf Prozent höher als im Vergleichsmonat 2012. Wenn man die Teilnehmer an Schulungen des Arbeitsmarktservice (AMS) dazurechnet, waren knapp 430.000 Personen ohne Arbeit. Ende Jänner 2014 rechnet das AMS mit insgesamt rund 450.00 Arbeitslosen. Nach den Prognosen wird sich an diesen Zahlen so rasch auch nichts ändern, der Arbeitsmarkt soll sich erst Ende 2015 langsam erholen. Wir weisen mit diesen Zahlen bei der Arbeitslosigkeit zwar die niedrigste in der EU (abgesehen von Luxemburg), gleichzeitig aber die zweithöchste in Österreich seit 1945 auf.

Es gibt aber auch eine erfreuliche Nachricht: Die Zahl der Beschäftigten ist mit 3,3 Millionen auf einem schon lange nicht mehr gesehenen Höchststand.

Wer ist nun arbeitslos?

Es sind (abgesehen von den Pleiten in 2013) auf der einen Seite ältere Mitarbeiter, die ab dem fünfzigsten Lebensjahr ihren vorzeitigen Abschied aus dem Arbeitsleben nehmen, nehmen müssen bzw. mit sehr windigen Methoden aus den Unternehmen hinausgedrängt werden. Mit einem Bonus-Malus-System will man in Zukunft diesen meist völlig unangebrachten Aderlass von langjährigen Mitarbeitern, die einen großen Schatz an Erfahrungen mitbringen, unattraktiv machen.

Die Wirtschaftskammer Österreich berichtete allerdings jüngst, dass die Unternehmen derzeit so viele ältere Arbeitnehmer wie nie zuvor beschäftigen. Mit 784.000 Menschen über dem 50. Lebensjahr sind um 35.000 oder 4,7 Prozent mehr Personen dieser Altersgruppe beschäftigt als ein Jahr zuvor. Auch wenn diese Zahlen höchst erfreulich sind: Die Herausforderung besteht nach wie vor, dass nur Arbeitnehmer, die auf dem jeweils neuesten Stand des Wissens sind, auf die Dauer Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Es sind aber auch Mitarbeiter, deren Qualifikation nicht mehr den Erfordernissen entspricht, d.h. deren berufliche Qualifikation infolge des Technologiewandels plötzlich auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt ist. Auch hier gilt der weise Spruch: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“.

Auf der anderen Seite gibt es die ungenügend qualifizierten bis völlig unqualifizierten Menschen ohne ordentlichen Schulabschluss. Für diesen Personenkreis sind gesonderte Schulungsmaßnahmen nötig, um sie dann überhaupt in den Arbeitsmarkt eingliedern zu können. Das Sabbatjahr eignet sich für diesen Personenkreis nicht, da wahrscheinlich ein Jahr nicht ausreicht, um die entsprechende Qualifikation zu erwerben, die auf dem Arbeitsmarkt gesucht wird. Das Sabbatjahr dient der Weiterbildung von Menschen, die bereits im Berufsleben stehen bzw. standen und nicht der Ausbildung völlig unqualifizierter Personen.

Schulungsaktivitäten des Arbeitsmarktservice (AMS)

So erfreulich die Schulungsaktivitäten des AMS, die über private Bildungseinrichtungen auf Staatskosten abgewickelt werden, auch sind, zu hinterfragen sind das Niveau und in vielen Fällen der Sinn der Schulungen sowie die undurchsichtigen Strukturen, so die grüne Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz. Was bringen wiederholte Bewerbertrainings von Arbeitslosen, die über keine fachliche Qualifikation verfügen? Was bringen Computerkurse für einen gelernten Maurer, der noch nie einen Computer besessen hat und auch in Zukunft nie einen haben wird, so wie im Waldviertel vorgekommen? Das ist schlichtweg Unfug und rausgeschmissenes Geld.

Die klassische Dreigliederung in Ausbildung – Erwerbszeit – Ruhestand gilt nicht mehr. Sie muss abgelöst werden durch eine solide Grundbildung – Erwerbsarbeitszeit – gezielte Fort- und Weiterbildung – Erwerbsarbeitszeit – Fort- und Weiterbildung und so weiter. Wir leben heute in einer Lerngesellschaft, wir müssen in vielen Berufen während unserer Erwerbszeit mindestens sechs bis sieben Mal total umdenken.

Sabbaticals scheinen eine besonders geeignete Vorgangsweise zu sein, um der Forderung nach lebenslangem Lernen wirklich nachzukommen. Dabei ist es wichtig, nicht nur „dazuzulernen“, sondern auch zu „entlernen“.

Die Politik hat die Rahmenbedingungen für diese veränderten Anforderungen zu setzen.

Ursprünglich bedeutet Sabbatjahr (auch Brach-, Erlass- oder Ruhejahr) bei den Israeliten jedes siebente Jahr, in welchem nach dem mosaischen Gesetz die Felder nicht bestellt und Schulden nicht eingetrieben beziehungsweise sogar erlassen wurden und in dem für die hebräischen Sklaven die volle Freiheit eintrat.

Übertragen auf unsere Situation bedeutet Sabbatjahr, dass jeder Arbeitnehmer alle sieben Jahre das Recht und unter Umständen in fernerer Zukunft sogar die Pflicht hat, für ein Jahr aus dem Berufsleben auszuscheiden, wobei der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer nach diesem einen Jahr wieder einzustellen. Zweck des Sabbatjahres ist, dass sich der Arbeitnehmer gründlich weiterbildet, bzw. sich beruflich völlig neu orientiert, wenn dies erforderlich ist.

Wenn die fachliche Ausbildung mangelhaft, nicht mehr zeitgemäß ist, dient das Sabbatjahr dazu, die entsprechende Qualifikation so rasch wie möglich nachzuholen.

Vorteile des Sabbatjahres

  1. Die Arbeitslosigkeit könnte damit wirksam und rasch auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Bei einer konsequenten Einführung des Sabbatjahres würde jährlich ein Siebtel der arbeitenden Bevölkerung ausscheiden. Um diese Zahl würde der Arbeitsmarkt entlastet werden. Die Niederlande haben übrigens mit dem Sabbatjahr sehr gute Erfahrungen gemacht.
  2. Etwa alle fünf bis sieben Jahre verdoppelt sich heute durchschnittlich das enzyklopädische Wissen. Wissen wird in Zukunft eher noch rascher als langsamer zunehmen/sich verändern. Die Anforderungen werden noch weiter steigen. Das Sabbatjahr kommt diesem Trend entgegen.
  3. Durch das Sabbatjahr werden die Menschen zu einer sinnvollen und volkswirtschaftlich wichtigen Aufgabe, nämlich zu ihrer Weiterbildung neben ihrer beruflichen Tätigkeit, angeregt, während heute im Falle der Arbeitslosigkeit durch die entsprechende finanzielle Unterstützung nur ihre wirtschaftliche Existenz abgesichert ist. Ansonsten sind sie zur Untätigkeit verurteilt.

Gegenargumente und offene Fragen

  1. Es ist organisatorisch schwierig, Mitarbeiter, insbesondere Spezialisten und Manager, für ein Jahr zu entbehren. Insbesondere gilt dies für Mittel- und Kleinbetriebe.
    Dazu: Es ist sicherlich ein personal- organisatorisches Problem, das es hier zu lösen gilt. Aber gerade das Sabbatjahr soll ja dazu führen, dass mehr Menschen als jetzt beschäftigt sind, um den Aderlass an Arbeitskräften in die Arbeitslosigkeit aufzufangen.
    Zu überlegen ist auch, dass sich gerade in den Klein- und Mittelunternehmen mehrere Unternehmen zusammentun, um durch einen sinnvollen Personalausgleich von Spezialisten die auftretenden Schwierigkeiten aufzufangen.
    Es muss ja unter Umständen auch nicht ein ganzes Jahr eingeplant werden, sondern nur der Zeitraum, der zum Erwerb der nötigen jeweiligen neuen Qualifikation erforderlich ist.
    Zu überlegen ist auch, das Sabbatjahr vorerst auf freiwilliger Basis einzuführen. Dies ist in Unternehmen, die in dieser Hinsicht offen und zukunftsorientiert denken und handeln, auch heute schon möglich. Die Tarifparteien sind aufgefordert, die entsprechenden Modelle auszuarbeiten. In pädagogischen Berufen ist das Sabbatjahr auch heute schon üblich.
  2. Wie wird das Sabbatjahr finanziert?
    Ein Drittel der Kosten übernimmt das Unternehmen, ein Drittel der Staat und wiederum ein Drittel der Mitarbeiter. Es handelt sich um eine Investition in die Zukunft der Mitarbeiter aber auch der Unternehmen, die allen Beteiligten Nutzen bringen soll. Außerdem wird die Arbeitslosigkeit reduziert, was wiederum einen Kostenvorteil für das Sozialsystem und damit den Staat mit sich bringt.
    Mitarbeiter können schon heute in vielen Unternehmen Arbeitszeitguthaben (ein Zeitsparbuch) anlegen, die dann im Falle des Sabbatjahres verwendet werden können.

Zusammenfassung

Bedingt durch neue Technologien verändern sich die Anforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte dramatisch. Sie begleiten permanent unser Berufsleben und können nur durch gezielte Weiterbildung verkraftet werden. Durch das Sabbatjahr würden zwei Probleme ziemlich rasch beseitigt:

  • die Arbeitslosigkeit könnte auf ein erträgliches Maß abgebaut werden;
  • Qualifikation und Neuqualifikation der Mitarbeiter würden deutlich erhöht.

Das Sabbatjahr bedeutet eine pro-aktive grundlegende Umorientierung der gesamten Bildungspolitik, die gerade in rohstoffarmen Ländern immer mehr zu einer Überlebensfrage wird.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart. Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

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