Das Weizmann Institut in Rehovot (Israel) zählt zu den führenden naturwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen der Welt. An fünf Fakultäten betreiben fächerübergreifend mehr als 2600 Wissenschafter und Techniker Grundlagenforschung. Das hier geförderte intellektuelle Potential ist der wichtigste Rohstoff eines Landes, dem natürliche Bodenschätze fehlen; seine Anwendungen haben Israel zu einem Hochtechnologie-Land gemacht. Der ursprünglich aus Wien stammende Autor, em. Prof. für Immunologie am Weizmann Institut und gegenwärtiger Generalsekretär der FEBS (Federation of European Biochemical Societies) blickt auf die Entwicklung des Instituts zurück.
Israel Pecht für den Science-Blog
Abbildung 1. Allee alter Ficus-Bäume – Vorbild für das Logo des Weizmann Instituts. |
Chaim Weizmann (1874 – 1952), der Gründer und Namensgeber des Instituts (Logo: Abbildung 1), war der erste Präsident des Staates Israel und Naturwissenschafter. Ursprünglich aus Weißrußland stammend, hatte Weizmann in Deutschland und der Schweiz Chemie studiert, war dann 1904 nach England gezogen und hatte dort mit der Biosynthese des (kriegs)wichtigen Ausgangsstoffs Aceton Berühmtheit erlangt und in Folge Kontakte zu einflußreichsten britischen Politikern geknüpft.
Vision eines durch Wissenschaft geschaffenen Garten Edens
Als erfolgreichem organischen Chemiker war Weizmann das ökonomische Potential naturwissenschaftlicher Forschung voll bewußt. Er kämpfte daher mit voller Überzeugung für die Idee, in Israel moderne Zentren für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung zu schaffen, als Motor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, dem natürliche Bodenschätze ja fehlten.
Für eine Hebräische Universität in Jerusalem hatte Weizmann 1918 den Grundstein gelegt und er war dann – in seiner Funktion als Präsident der Zionistischen Weltorganisation – zusammen mit Albert Einstein maßgeblich am „Fundraising“ für dieses geplante Zentrums akademischer Exzellenz beteiligt (Abbildung 2). Bei der Eröffnung der Universität im Jahre 1925 existierte bereits das Institut für Chemische Forschung, welches über eine Abteilung in der aufstrebenden Disziplin „Biochemie und Kolloidchemie“ verfügte.
Abbildung 2. Chaim Weizmann und Albert Einstein 1921
Im damals britisch regierten Palästina hatte es biochemische Forschung und auch Unterricht in Biochemie bereits gegeben. Es war eine kleine, idealistisch gesinnte Gruppe von Wissenschaftern, die noch vor der Machtergreifung durch die Nazis aus Europa emigriert waren und jetzt den Kern der Hebräischen Universität bildeten. Deren Wurzeln reichen nach Deutschland und auch nach Österreich zurück. Andor Fodor, der das oben erwähnte Institut für Chemische Forschung gründete und anfänglich nur mit zwei fix angestellten Assistenten leitete, kam von der Universität Halle, Max Frankel, Leiter des Laboratoriums für Theoretische und Makromolekulare Chemie, kam von der Universität Wien, Adolf Reifenberg, Leiter der Angewandten Biologischen und Kolloid Chemie, von der Universität Giessen.
Diskussionen mit einer Reihe prominenter Wissenschafter wie Albert Einstein, dem Farbstoffchemiker Richard Wilstätter (er erhielt den Nobelpreis u.a. für seine Arbeiten zum Chlorophyll) oder Carl Neuberg, einem der „Väter“ der modernen Biochemie, brachten Weizmann dann dazu, das sogenannte „Daniel Sieff Forschungszentrums“ zu gründen – eine Stiftung der Londoner Industriellenfamilie Sieff – den Vorläufer des späteren Weizmann Instituts. Als Vorbild dieses Zentrums dienten dabei die hochrenommierten Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (der heutigen Max-Planck-Gesellschaft), die am Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland entstanden waren: in 22 Jahren ihres Bestehens waren aus diesen bis 1933 immerhin 10 Nobelpreisträger hervorgegangen.
Im Frühjahr 1934 öffnete das erste Gebäude des Zentrums – das Daniel Sieff Institut – seine Pforten, in Rehovot, einer 21 km von Tel Aviv entfernten Siedlung. Dieses, heute idyllisch inmitten von duftenden Orangenplantagen gelegene Institut, beschäftigte anfänglich 10 fix angestellte Wissenschafter, welche – unter der Leitung Weizmanns – Grundlagenforschung in den Gebieten Chemie, Biochemie und Pharmazie betrieben.
In knapper, zu Fuß erreichbarer Entfernung befand sich auch eine 1921 gegründete landwirtschaftliche Versuchsanstalt, an der 1926 bereits 38 Natur- und Pflanzenbau-wissenschafter arbeiteten. Die Erwartung, daß die räumliche Nähe beider Institutionen zur Zusammenarbeit in ihren Forschungsbemühungen führen würde, erfüllte sich voll und ganz.
Während des zweiten Weltkriegs war das Sieff-Institut intensiv in kriegswichtige Arbeiten involviert, insbesondere in die Produktion des Anti-Malariamittels Atabrin (das damals Chinin ersetzt hatte) und anderer essentieller Arzneimittel.
Daniel Sieff-Institut → Weizmann-Institut → „Groß oder gar nicht“
1949 – ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung Israels – wurde das Institut – mit Zustimmung der Familie Sieff – zu Ehren seines nun bereits 75-jährigen Gründers in Weizmann-Institut umbenannt und in der Folge zu einem großangelegten Forschungszentrum ausgebaut.
Schon in den 50er-Jahren war die Zahl der Mitarbeiter auf 600 angewachsen, die in 13 Gebäuden arbeiteten. Als der Atomphysiker Robert Oppenheimer in den späten 50er Jahren einen Besuch abstattete, fragte er, ob das Weizmann Institut nicht viel zu groß wäre für einen so kleinen Staat wie Israel und meinte: „Dazu müßtet ihr das Land vergrößern“. Dazu kommentierte später lakonisch der Staatspräsident Shimon Peres: „Das ist das, was das Institut getan hat: es hat ja das Land vergrößert: intellektuell!“
Schon in den 1950er Jahren erreichte das Institut Spitzenpositionen in verschiedenen Disziplinen, wie beispielsweise in der Isotopenforschung. Es baute auch eines der ersten Kernresonanz (NMR)-Spektrometer, mit WEIZAC eine der ersten (damals noch riesengroßen) Computeranlagen und es spielte eine herausragende Rolle in der makromolekularen Chemie, das heißt in der Biochemie großer biologischer Moleküle (Proteine und Nukleinsäuren), ebenso wie in der Welt der synthetischen Polymere. Es folgten pharmakologisch-medizinische Durchbrüche, wie die Entdeckung und Entwicklung von Wirkstoffen zur Behandlung von Krebs, multipler Sklerose, Parkinson und anderen Krankheiten, Durchbrüche in der Hirnforschung und die Erarbeitung neuer Methoden zur Diagnose u.a. von genetischen Defekten. Durchbrüche in chemisch-biochemischem Neuland waren beispielsweise im Bereich der Sensoren zu verzeichnen oder im Bereich der Nanopartikel, die als Katalysatoren oder biomedizisch Anwendung finden. Ebenso wurden in vielen anderen Sparten Erfolge erzielt, in landwirtschaftlichen Fragestellungen ebenso wie in der Telekommunikation, in Fragen der Energiegewinnung, wie in der Optik.
Im Jahr 2009 konnte das Weizmann-Institut seinen ersten Nobelpreisträger feiern: Die Strukturbiologin Ada Yonath hatte die Auszeichnung für die Aufklärung der molekularen Struktur und Funktion des Ribosoms, der Fabrik an der die Synthese unserer Proteine abläuft, erhalten.
Das Weizmann-Institut heute
Das Institut beherbergt auf einem rund 1 km² großen Campus mehr als 100 Gebäude, in welchen die 5 Fakultäten: Mathematik und Informatik, Physik, Chemie, Biochemie und Biologie untergebracht sind. Dazu kommen rund 100 Wohnhäuser für Wissenschafter und Studentenwohnhäuser (Abbildung 3). Auf diesem Gelände arbeiten fächerübergreifend heute über 2600 Menschen, davon mehr als 2200 Forscher, Studenten und Techniker, aus 28 Ländern. Dazu kommen jährlich etwa 500 Besucher aus aller Welt, um am Institut zu arbeiten.
Abbildung 3. Blick auf den Campus des Weizmann Instituts
Die Forschungserfolge des Weizmann-Instituts haben es 2012 im Shanghai-Ranking der Universitäten erstmals unter die 100 besten Institutionen gereiht (in Computerwissenschaften erhielt es sogar weltweit Rang 12). Übertroffen wurde es durch die Hebräische Universität in Jersualem (Rang 53) und die Technische Universität (Technion) in Haifa (Rang 78).
Ein wesentliches Ziel des Instituts ist der Technologietransfer, das heißt die Umwandlung von Forschungsergebnissen und Know-How der Forscher in kommerzialisierbare Produkte. Seit Ende der 50er Jahre ist die eigens für diesen Zweck gegründete Firma "Yeda Research and Development" dafür zuständig. YEDA fungiert dabei als Dachorganisation für viele Partner, kooperiert mit großen Pharma-Multis ebenso wie mit kleinen Firmen. Die Webseite http://www.yedarnd.com/About-Yeda.aspx) zählt zahlreiche Erfolge auf: Spin-Offs, Firmen und Produkte. Beispielsweise wurde Copaxone – ein von Michael Sela, Ruth Arnon und Dvora Teitelbaum entdecktes Arzneimittel gegen multiple Sklerose – zum Blockbuster: im Jahr 2011 wurde damit ein Umsatz von rund 3 Milliarden Dollar erzielt. (Copaxone ist übrigens das Spitzenprodukt des Pharmakonzerns Teva: dieser hatte 1901 als kleine Drogerie in Israel begonnen und sich zur weltweit größten Generikafirma mit einem Jahresumsatz von 20 Milliarden Dollar im Jahr 2012 emporgearbeitet.)
Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich die israelische Industrie stark gewandelt. Israel hat pro capita enorm viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert. Die Grundlagenforschung am Weizmann-Institut, aber auch an den Universitäten, hat Industrieparks mit hunderten Firmen entstehen lassen, welche die Forschungsergebnisse in kommerzielle Produkte umsetzen. Die Investitionen haben sich gelohnt: Israel ist zu einem Hochtechnologieland geworden.
Israel Pecht and Uriel Z. Littauer (2008) Early Development of Biochemistry and Molecular Biology in Israel; IUBMB Life, 60(6): 418–420
Im Artikel angeführte Details
Zum Weizmann Institut
PDF-Download in Deutsch: http://wis-wander.weizmann.ac.il/sites/default/files/23X11_Ger_e.pdf
Rundgang durch das Weizmann Institut; Video 3,1 min.
Anmerkungen der Redaktion
Der Autor
Israel Pecht wird hier vorgestellt.