Das Verwirrspiel um den Euro geht weiter

Nur nach mühsamen Recherchen lässt sich erkennen, was sich in den zwei mageren Seiten des Protokolls verbirgt, welche die nach durchwachter Nacht in Brüssel getroffenen Beschlüsse der Finanzminister vom 28. November 2012 enthalten. Man habe einen „Sprung nach vorn“ gemacht, die Währungsunion auf Dauer gesichert, und das ohne Schuldenschnitt und nicht auf Kosten der Steuerzahler. Doch wie sieht es wirklich aus, was wurde beschlossen?

Hier eine Zusammenfassung:

  1. Erlass von Griechenland-Schulden in Höhe von 40 Milliarden Euro! Allein das Schuldenrückkaufprogramm soll 20 Milliarden bringen. Woher die Mittel kommen sollen, ist unklar (EZB?, "Emergency Liquidity Assistance" ELA?). Der Erfolg des Schuldenrückkaufprogramms ist Bedingung für die formelle Zustimmung zur Auszahlung der am 13. Dezember vorgesehenen nächsten Rate des Hilfsprogramms von 43.7 Milliarden Euro. Es ist jedoch heute schon damit zu rechnen, dass das Schuldenrückkaufprogramm ohne großen Erfolg bleibt, weil die fixen Rückkaufskurse vom 23. November von den Schuldnern nicht akzeptiert werden (36ct/geschuldetem Euro!).
    Unser Nationalbanks-Präsidenten-Narkotikum, Ewald Nowotny, meint zwar, ein Schuldenschnitt sei „nun vom Tisch“, doch Herr Schäuble schließt einen solchen nicht mehr aus und der Ex-Chef der Deutsche Bank Ackermann meint, dass man um einen „Schuldenschnitt für Griechenland nicht herumkomme“. Wem also glauben? Über die 20 Milliarden hinaus sollen 11 Milliarden von EZB und Notenbanken aus Anleiheerträgen beigesteuert werden. Der Rest geht auf Nachlässe bei vereinbarten Zinsen zurück.
  2. Der Schuldenstand soll von 175 Prozent im Jahr 2016 auf 122 Prozent im Jahr 2020 und auf „deutlich unter“ 110 Prozent 2022 gedrückt werden. Das kann nur durch einen Schuldenschnitt zu Lasten der öffentlichen Hand erfolgen, der unter dem Titel „weitere notwendige Maßnahmen“ kaschiert wird. Die von der Troika angenommene Wachstumsrate von 3,5 Prozent jährlich, auf der die Berechnungen für die Schuldentragfähigkeit und Schulden/BIP-Verhältnis basieren, ist absolut nicht zu erreichen (2012 minus 6,7 Prozent!). Die Schätzungen der Troika waren seit 2010 immer falsch und viel zu optimistisch.
    Deshalb wurden weitere Schuldenschnitte zu Lasten der Euro-Gläubiger (Staaten, Stabilitätsmechanismus, Steuerzahler) verbindlich zugesagt („committed“), sollten sie notwendig werden, um das angestrebte Ziel (110 Prozent des BIP) zu erreichen. Behandelt werden die Schuldenschnitte wohl erst nach den Wahlen in Deutschland (spätestens September 2013). Die Target 2 Schulden der griechischen Notenbank gegenüber der EZB blieben bei der Schuldenstandsberechnung unberücksichtigt! Die für Griechenland insgesamt zum Verbrennen bereitgestellten Hilfen dürften sich, nach Schätzung des ehemaligen Slowakischen Parlamentspräsidenten Richard Sulik, auf etwa 800 Milliarden Euro belaufen!
  3. Die Laufzeit der Kredite wird von 15 auf 30 Jahre verlängert (ohne Wertsicherung!). Die Tilgung setzt zehn Jahre später ein. Real sind bei der Rückzahlung die heute aushaftenden Kredite je nach Inflationsrate nur noch einen Bruchteil wert. Das kommt einem riesigen Verlust an Volksvermögen gleich.
  4. Die Zinsen werden um ein Prozent pro Jahr weiter ermäßigt. Sie liegen nur noch 0,5 Prozent über dem Basiszinssatz Libor. Ursprünglich waren das 4-5 Prozent. Das „gute Geschäft“ (Fekter noch im Sommer 2011) ist verdunstet, jetzt entstehen Verluste. Nicht an der Zinsreduktion beteiligen sich Staaten, die selbst Hilfen aus EFSF oder ESM beanspruchen. Spanien, Griechenland, Irland, Portugal und Zypern fallen also aus.
  5. Freigegeben werden noch im Dezember 23.8 Milliarden Euro für griechische Banken, 10.6 Milliarden für das griechische Staatsbudget. Für die Verluste der Banken aus dem Schuldenrückkaufprogramm (siehe Punkt 1) müssen weitere Hilfen (EFSF, ESM, EZB) erfolgen, die derzeit noch nicht eingeplant sind.
  6. Für Spaniens Banken werden jetzt 37 Milliarden aus dem EFSF freigegeben. Der spanische Staat scheint hierfür – entgegen den früheren Aussagen von Schäuble – keine Haftung zu übernehmen! Das Haften wird Sache der Euro-Zonenmitglieder. Die Hilfen scheinen Spaniens Staatsschulden nicht zu erhöhen. 47 Milliarden EURO an faulen Krediten, auf die bis zu 63 Prozent abgeschrieben werden müssen, werden die spanischen Banken an eine „Bad Bank“, die im Besitz des Staates steht, übertragen, Um die Liquidität der spanischen Banken und des Staates zu erhalten, steuert die EZB, wie sie im Juni versichert hat, jetzt „unbegrenzt“ Knopfdruckgeld bei.

Deutschland rechnet bereits für das Jahr 2013 mit einer zusätzlichen Haushaltsbelastung von 730 Millionen Euro. Frau Fekter sprach nach der Rückkehr von Brüssel von einer Mehrbelastung für Österreich von 15 Millionen, „der Standard" vom 29. November schätzt die Mehrbelastung allein für das Jahr 2013 auf 75 Millionen, also auf das Fünffache.

Der Euro ist nicht zu retten

Das Verwirrspiel geht also weiter. Die Währungsunion lässt sich nur noch durch Lug und Trug sowie „permanenten Rechtsbruch“ (Jürgen Stark, Paul Kirchhof) über Wasser halten. Höchstgerichte, wie Karlsruhe und EUGH, wetteifern darum, ihrem Ruf gerecht zu werden, „die Hure der Politik zu sein“. In der Politik „tun die Illusionskünstler weiter so, als könne Griechenland die Kredite irgendwann zurück zahlen“, schreibt Holger Steltzer in FAZ-online vom 28.11. Moody´s hat inzwischen die Wiedererlangung der Schuldentragfähigkeit von Griechenland bezweifelt und hält die Beschlüsse von Brüssel nicht für ausreichend. Der IWF beendet sein Hilfsprogramm für Griechenland 2016, dann werden wohl auch für den IWF die Euro-Länder einspringen müssen.

Die Schulden und Haftungen türmen sich auf. Man will einfach nicht begreifen, dass die Europäische Währungsunion auf der ganzen Linie gescheitert ist und nur durch Rückkehr zu eigenen Währungen wieder Ordnung in Europa einkehren kann. Professor Wilhelm Hankel spricht aus, was die meisten kompetenten Nationalökonomen denken: „Zum Eigenleben der Völker gehört die eigene Währung“.

„Mit einem System eigener, nationaler Währungen, verbunden durch eine Wechselkursunion, wie sie Europa hatte, ließen sich Europas kulturelle und durch das Produktivitätsgefälle bedingte Unterschiede weit wirksamer überbrücken. Das beweist die Zeit vor dem Euro. Keine Währung musste „gerettet“ werden. Sie konnte (und musste) im nationalen Interesse abgewertet werden. Kein Staat musste für die Sünden anderer haften.“ Thilo Sarrazin hat es auf den Punkt gebracht: „Europa braucht den Euro nicht“.

Doch die Glasperlenspieler in Brüssel, allen voran Kommissionspräsident Barroso und Währungskommissar Rehn, legen am gleichen Tag, dem 28. November, da nach der Sitzung der Finanzminister das Scheitern des Euro selbst für Blinde erkennbar wurde, einen „Blueprint“ vor, mit dem sie eine Debatte über eine „vertiefte, echte Wirtschafts- und Währungsunion anstoßen wollen“. Ihr Ziel ist, die Haushalte der Mitgliedsstaaten zu vergemeinschaften, aus einer einzigen Kasse die Staatsausgaben zu bestreiten, alle neuen und alten Schulden gemeinsam zu tilgen, nur noch Eurobonds, für die alle gemeinsam haften, zuzulassen und Bankpleiten gemeinsam zu schultern (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-1272_de.htm). Die Kommission soll zur Regierung werden: Die Brüsseler Realitätsverweigerung ist kaum noch zu überbieten.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

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