Eine nicht gerade besonders wichtige Personalentscheidung im ORF sorgt Ende 2011/Anfang 2012 für große Aufregung innerhalb und außerhalb der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt.
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz verkündet einen Tag vor Weihnachten, dass er Niko Pelinka, den 25-jährigen Ex-Chef des SPÖ-Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat und engen Vertrauten von SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas, zu seinem Bürochef machen wird.
„Der Druck aus der SPÖ-Parteizentrale auf Wrabetz ist offenbar zu groß geworden: Am Freitag machte er in einer Aussendung offiziell, was sich seit der ORF-Weihnachtsfeier Mitte Dezember inner- und außerhalb der ORF-Studios wie ein Lauffeuer verbreitet hatte: Niko Pelinka wird mit 1. Jänner Büroleiter von Alexander Wrabetz.“[i]
Pelinka, gehört zur „Nichten-und-Neffen-Brigade der Laura Rudas“[ii], die als die junge „Elitetruppe des Parteichefs“ [iii] gilt. Diese von Bundeskanzler Faymann protegierte Gruppe ist auch innerhalb der SPÖ und unter den vielen politisch links stehenden ORF-Redakteuren nicht unumstritten. Die Bestellung Pelinkas zum Bürochef löst deshalb einigen Unmut aus. Zudem passiert Wrabetz ein peinlicher Fauxpas: Erst Tage nach seiner Ankündigung wird die Stelle des Büroleiters offiziell in der amtlichen Wiener Zeitung ausgeschrieben.
Die linken Journalisten sind unerfreut
ZiB-2-Star Armin Wolf tut seinen Unmut öffentlich kund, weitere ORF-Redakteure folgen mit Kritik an der Personalie Pelinka. Armin Wolf in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Profil: „Die Geschichte geht mir nahe, weil sie dem ORF und der Glaubwürdigkeit der ORF-Journalisten schadet. Wenn die Zuseher den ORF für einen Regierungsfunk halten, dann werden sie der „ZiB“ nicht vertrauen.“[iv] Der Fall Pelinka beherrscht nun über Tage und Wochen die heimischen Medien.
Der Chefredakteur der linken Wochenzeitschrift Falter, Armin Turnher: „Die Unabhängigkeit des ORF sei in Gefahr, tönte dessen Redaktionsrat, Ankermann Armin Wolf rief per Twitter Menschen auf, sich um den Job des Wrabetz-Büroleiters zu bewerben, und Elfriede Jelinek erklärte das Ende für gekommen.“[v] Warum die Wogen so hochgehen deutet auch Florian Klenk im Falter, eher ungewollt, an. Er schreibt über Niko Pelinka: „‚Sozenschnösel‘ nennen ihn die Erzschnösel der Presse.“[vi]
Hier wird deutlich, es geht nicht so sehr um den tatsächlichen poltischen Einfluss, den die SPÖ bzw. die Linken ganz offensichtlich und ungeniert auf den ORF ausüben. Gegen linkslastige Berichterstattung haben weder ORF- noch Falter-Journalisten etwas einzuwenden, ganz im Gegenteil. Was sie vielmehr stört, ist, dass durch das ungeschickte und plumpe Vorgehen der SPÖ-Parteispitze der Einfluss der Sozialdemokraten auf den ORF für jeden offensichtlich geworden ist.
Dass die konservativen „Schnösel“, die Klenk offenbar nicht besonders mag, den linkslastigen ORF nun zu Recht kritisieren und attackieren können und nicht zuletzt, dass „Schnösel“ Niko Pelinka, selbst für biedere Sozialdemokraten und angepasste links-intellektuelle Printjournalisten nur schwer zu ertragen und zu akzeptieren ist, verstärkt die Unzufriedenheit der linken Medien. „In der SPÖ-Basis stehen ‚der Niko und seine Clique‘ für eine Generation, die nicht an die Lage der krisengebeutelten Genossen an der Gemeindebaufront, sondern an die eigenen Jobs denkt.“[vii],so Florian Klenk im Falter.
ORF unabhängig – aber nur von der Neffen-Brigade
Dass der ORF unter Einfluss der SPÖ steht, weiß natürlich auch Klenk, umso mehr ärgert es ihn, dass Niko Pelinka und seine Mentorin, SPÖ-Bundes-geschäftsführerin Laura Rudas, durch ihr tollpatschiges Vorgehen den Konservativen eine ideale Angriffsfläche bietet. Denn einen neutralen oder gar konservativ ausgerichteten ORF wollen weder Klenk noch seine Journalisten-Kollegen im ORF.
Es geht beim öffentlichen Aufschrei der ORF-Redakteure und den ihnen ideologisch nahstehenden Kollegen im Printbereich also nicht um den angeblichen Verlust der Unabhängigkeit, es ist vielmehr ein interner linker Konflikt um eine umstrittene Personalentscheidung und um das ungeschickte Vorgehen der „Nichten-und-Neffen-Brigade der Laura Rudas“.[viii] Der Aufstand der ORF-Mitarbeiter und vieler Journalisten ist vielmehr eine lautstark formulierte Kritik an der Politik und den Personalentscheidungen von Kanzler Werner Faymann. Die linken Intellektuellen innerhalb und außerhalb der SPÖ sehen in den politischen Protektionskindern, Niko Pelinka und Laura Rudas, keine echten Sozialdemokraten, sondern vielmehr ideologielose Karrieristen.
Einfluss auf den ORF ist die Mühe kaum noch wert
Und, die Zeiten und die Verhältnisse haben sich, einige Jahre nach dem Ende des ORF-Monopols, geändert. Die öffentlich-rechtliche Anstalt hat, aufgrund der privaten Konkurrenz aus dem In- und Ausland, ihren einstmals übermächtigen Status im Land verloren.
Die Marktanteile des ORF gehen kontinuierlich zurück, vorbei sind die Zeiten, als die halbe Nation um 19.30 Uhr andächtig vor dem Fernseher die ZiB 1 verfolgte. Vor allem die jungen Seher sind dem ORF in Scharen abhanden gekommen. Im November 2011 titelt der Standard: „Weniger Quote hatte ORF noch nie“[ix].
Mit den sinkenden Zuschauerzahlen sinkt auch die Bedeutung des ORF. Auch für die SPÖ. Denn was nützt den Sozialdemokraten ihr Einfluss auf die öffentlich-rechtliche Meinungsanstalt, wenn diese immer weniger Bürger, sprich Wähler, erreicht und zudem die Existenzberechtigung des Staatsfunks von immer mehr kritischen Menschen angezweifelt wird.
Die Wohltaten und Sonderrechte, die dem ORF und seinen Mitarbeitern über Jahre und Jahrzehnte vor allem auf Betreiben der SPÖ zuteil wurden, können eben nur aufrechterhalten werden, wenn die SPÖ einen echten Nutzen aus dieser Verbindung ziehen kann. Und dieser liegt primär oder ausschließlich in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung zum Zweck der eigenen Machterhaltung, oder wie Autor Alexander Vodopivec bereits 1975 in seiner Analyse über die sozialistische Medienpolitik feststellte, um die „Stabilisierung einer sozialistisch-gewerkschaftlichen Dauerherrschaft“[x].
Der liberale Journalist Christian Ortner in der „Presse“: „Wirklich gebraucht wird der ORF trotzdem noch: Freilich nur noch von ein paar hundert Politikern, die dort regelmäßig ihr Gesicht raushalten dürfen, und den Mitarbeitern, deren komfortable Jahresgage von durchschnittlich 75.000 Euro eine relativ hohe Leidensprämie inkludieren dürfte. Mittlerweile ist diese Anstalt fast ausschließlich eine Anstalt zur Befriedigung der legitimen Bedürfnisse ihrer Angestellten und der weniger legitimen Bedürfnisse ihrer politischen Verfügungsberechtigten geworden, eine symbiotische Verstrickung von Politik und Politikunterworfenen mit dramatisch sinkender Relevanz für die Außenwelt.“[xi]
Wenn nun die Informationskompetenz durch das plumpe Vorgehen der SPÖ und der ORF-Führung die ohnehin schon schwer angeschlagene Glaubwürdigkeit weiter untergräbt und die Informationssendungen deshalb weitere Marktanteilsverluste hinnehmen müssen, dann werden die Fragen nach der Sinnhaftigkeit eines gebührenfinanzierten Rundfunks immer lauter und drängender und die Bereitschaft der SPÖ, den ORF zu verteidigen und zu beschützen, wird zudem abnehmen. Schließlich stoßen auch der ständig steigende Finanzierungsbedarf des ORF und die damit verbundenen regelmäßigen Gebührenerhöhungen in der Bevölkerung auf immer mehr Unverständnis, vor allem zu Zeiten einer Wirtschafts- und Finanzkrise.
Der Ruf verfällt: Panik setzt ein
Die Pelinka-Affäre schadet tatsächlich dem ohnehin schon angeschlagenen Image und der Glaubwürdigkeit des ORF, wie eine repräsentative Meinungsumfrage zeigt: „49 Prozent der Befragten, die von Pelinkas Bewerbung wissen, stimmen der Aussage zu: ,Der ORF gerät nun völlig unter den Einfluss der SPÖ.“[xii] Und „61 Prozent glauben, die Sozialdemokraten haben von allen Parteien im ORF am meisten zu sagen.“[xiii]
Keine rosigen Aussichten für die gut bezahlten ORF-Mitarbeiter. Ihre übertriebenen und beinahe panischen Reaktionen, schließlich ist ein Büroleiter eine eher untergeordnete Position ohne große Gestaltungsmöglichkeiten, sind nur aus dieser Perspektive verständlich und erklärbar. Zumal: „Wenn die SPÖ etwas von Wrabetz will, dann genügt doch ein Anruf von Medienstaatssekretär Ostermayer“[xiv], stellt Ex-SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina trocken fest.
Über 1.300 ORF-Journalisten unterschreiben eine Petition[xv], in der ein „unabhängiger ORF“ gefordert wird. Unter anderem heißt es in dem Aufruf: „Wir fordern von der Geschäftsführung, alle Vorhaben, die das Ansehen des ORF als unabhängiges Medienunternehmen beschädigen, zurückzunehmen.“[xvi]
Doch für die Beschädigung des Ansehens sorgen nicht nur Wrabetz, Rudas und Pelinka. Fritz Dittlbacher, einer der empörten Redakteure, der bereits 1999 einen für die SPÖ unangenehmen TV-Beitrag entschärft haben soll,[xvii] ist just in den Tagen, als die Aufregung um Pelinka am größten ist, erneut in einen ähnlichen Fall involviert. Er soll gemeinsam mit dem Wortführer der ORF-Protestbewegung, Dieter Bornemann, einen für Bundeskanzler Werner Faymann unangenehmen Beitrag aus der ZiB gekippt und stattdessen durch eine relativ unverfängliche Moderation ersetzt haben. Es geht um Inserate, die Werner Faymann 2007 und 2008 als SPÖ-Infrastrukturminister bei der Asfinag bestellt haben soll.
Die rote Einflussnahme geht weiter
„Wie Die Presse jetzt erfahren hat, wurde auch in der ‚Zeit im Bild‘-Redaktion ein Beitrag zum Thema für die „ZiB" um 19.30 Uhr vorbereitet. Nur ist dieser 50 Sekunden lange Beitrag nie auf Sendung gegangen, auf die aktuellen Vorwürfe wurde nur in einer Moderation eingegangen.“[xviii]
Dittlbacher und Bornemann dementieren und sprechen von „Verschwörungstheorien“, die Entscheidung sei „aus rein journalistischen Gründen gefallen.“[xix]
Die Kampagne der ORF-Redakteure gegen „Sozenschnösel“ Pelinka, die breite mediale Unterstützung erfährt, zeigt schließlich Wirkung. Niko Pelinka wirft das Handtuch, er zieht seine Bewerbung als Büroleiter zurück.
Während die meisten Printmedien den Rückzug Pelinkas als Sieg der „heldenhaften“ ORF-Redakteure im Kampf um Unabhängigkeit und Objektivität feiern, analysiert Journalist Andreas Unterberger treffend: „(…) damit hat sich der Rundfunk noch um keinen Millimeter in Richtung Pluralismus, Qualität und Ausgewogenheit verschoben. Vom Generaldirektor bis zum Chefredakteur der Fernsehinformation bleiben stramme SPÖ-Exponenten im Kommandosessel, ohne Unterbrechung durch einen Unabhängigen oder anders Gesinnten. (…) Der einzige Pluralismus bleibt dort einer zwischen grünen, trotzkistischen oder linksliberalen Seilschaften und den brav auf die Parteilinie Horchenden."[xx]
Nach der Aufregung um Pelinka ist nun wieder Ruhe am Küniglberg eingekehrt. Die Bedeutung und die Marktanteile des ORF schmelzen langsam aber kontinuierlich dahin, die Rundfunkgebühren steigen stetig und die ORF-Redakteure können nun wieder, von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt, ungehindert ihren „unabhängigen“ linken Journalismus pflegen. Die SPÖ wird künftig ihre Freunde und Vertrauten etwas diskreter in wichtige Positionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hieven.
Kurz: im ORF läuft alles wieder in gewohnten und „geordneten“ Bahnen, aber, so fragt sich der starke Mann in der österreichischen Sozialdemokratie, Wiens Bürgermeister Michael Häupl: „Was hat das mit der SPÖ zu tun?“[xxi]
Dies ist die letzte Folge der Serie „Die roten Meinungsmacher“.
Werner Reichel hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und ist seit vielen Jahren im Privatrundfunkbereich tätig und lehrt an einer Wiener Fachhochschule Radiojournalismus.
Die roten Meinungsmacher – SPÖ Rundfunkpolitik von 1945 bis heute“ ist im Handel erhältlich:
http://www.amazon.de/roten-Meinungsmacher-SP%C3%96-Rundfunkpolitik-1945-heute/dp/3868880461/ref=sr_1_sc_1?ie=UTF8&qid=1338905588&sr=8-1-spell
Nähere Infos zum Buch und zum Autor: www.wernerreichel.at
Endnoten
[i] www.diepresse.com (24.12.2011).
[ii] www.andreas-unterberger.at (22.01,2012).
[iii] Ebenda.
[iv] www.profil.at (11.01.2011).
[v] Falter. 11.1.2012.
[vi] Falter. 11.1.2012.
[vii] Falter. 12.1.2012.
[viii] http://www.andreas-unterberger.at/2012/01/fusnote-254-niko-pelinka-ij-die-alten-linken-haben-gewonnen/ (21.1.2012).
[ix] Der Standard. 27.11.2011.
[x] Vodopivec. 1975.
[xi] Die Presse. 13.01.2012.
[xii] Der Standard. 14/15. 01. 2012.
[xiii] profil.at (23.1.2012).
[xiv] Falter. 12.1.2012.
[xv] Die Petition „Für einen unabhängigen ORF“ ist im Anhang zu finden.
[xvi] Siehe ORF-Petition „Für einen unabhängigen ORF“ im Anhang dieses Buches.
[xvii] Siehe Euro-Team-Affaire.
[xviii] diepresse.com (4.1.2012).
[xix] diepresse.com (9.1.2012).
[xx] www.andreas-unterberger.at (21.1.2012).
[xxi] www.kleinezeitung.at (10.1.2012).