Am Hörfunkmarkt müssen ORF und SPÖ nun mit der neuen privaten Konkurrenz leben. Der Kampf ums Monopol ist damit aber noch nicht zu Ende. Denn privates Fernsehen darf in Österreich, im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Staaten – inklusive Albanien – nach wie vor nur via Kabel oder Satellit verbreitet werden. Terrestrisches Fernsehen, also via Antenne frei empfangbares TV, darf Ende der 90er Jahre in Österreich ausschließlich der ORF ausstrahlen.
Den Zeitungsherausgebern in den Bundesländern ist das Abenteuer Privatfernsehen nach wie vor zu teuer und zu riskant. Damit stehen sie nicht alleine da, auch Helmut Thoma, Chef von RTL, meint: „Solange der ORF so viele Werbemöglichkeiten wie jetzt hat, ist es gescheiter, das Geld zusammenzulegen und anzuzünden.“[i]
Und da die Wahrscheinlichkeit, dass die SPÖ die Werbezeiten des ORF einschränkt, noch geringer ist als ein Sechser im Lotto, greifen die Zeitungsherausgeber auf eine schlechte alte österreichische Tradition zurück: Man macht mit dem ORF gemeinsame Sache und beschließt einen neuen, den mittlerweile vierten „elektronischen Grundkonsens“. Im Sommer 1999 wird der neuerliche Kuhhandel, den man großspurig „österreichische Medienmarktordnung“ nennt, zwischen der öffentlich-rechtlichen Anstalt und dem VÖZ (dem Verband der österreichischen Zeitungen) besiegelt.
Bei diesem neuerlichen Interessensabgleich werden, wie auch bei den vorangegangen Deals, die Zeitungsherausgeber vom ORF gnadenlos über den Tisch gezogen. Kernpunkt der Vereinbarung: Für den Fall der Einführung von terrestrischem Privatfernsehen soll „eine Sendeleiste von täglich max. einer Stunde in ORF 2 bundesländerweise für private Programmanbieter ausgeschrieben werden.“[ii]
Bloß kein Privatfernsehen
Die regionalen Zeitungsverlage könnten nach diesem Modell, unter der Aufsicht des ORF, ein bisschen regionales Fernsehen machen, ohne all zu viel Geld investieren zu müssen. Die Kosten und das Risiko halten sich bei einer einstündigen Sendung, die auf ORF2 abgespielt wird, in Grenzen. Verleger und ORF wollen mit diesem Modell echtes Privatfernsehen verhindern, denn ihr Deal sieht zudem vor, dass die dritte noch freie Frequenzkette für terrestrisches Fernsehen nicht für private Anbieter ausgeschrieben, sondern für digitales Fernsehen reserviert bleiben soll.
Wenn dann in rund zehn Jahren digitales Fernsehen eingeführt wird, dann will der ORF diese Frequenzkette gleich mit mehreren Spartenkanälen besetzen. Die Strategie ist bekannt, man reißt sich möglichst viele der noch freien Frequenzen unter den Nagel, um eine echte Liberalisierung des Marktes und damit ernsthafte Konkurrenz von Anfang an unmöglich zu machen.
Auch das finden die Zeitungsverleger durchaus okay, zumindest jene aus den Bundesländern, denn Kronen Zeitung und Kurier sind angesichts der seltsamen Privat-TV-Pläne ihrer Verbandskollegen aus dem VÖZ ausgetreten.
Der vierte elektronische Grundkonsens erinnert nicht ganz zufällig an das unsägliche Radio-Print-Modell aus dem Jahr 1987. Aber selbst damals war die unverschämte Packelei zwischen den regionalen Zeitungsherausgebern und dem ORF zur Verhinderung einer echten Rundfunkliberalisierung aufgrund der vollkommen überzogenen Forderungen gescheitert.
Auch diesmal platzen ihre Pläne, zumal am 1.7. 1999 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde der Tele 1 Privatfernseh GmbH[iii] für zulässig erklärt und das terrestrische Fernsehmonopol des ORF prüft.
Der eigentliche Todesstoß erfolgt aber am 3.10.1999. Bei der Nationalratswahl stürzt die SPÖ unter Viktor Klima auf 33,1 Prozent ab, die FPÖ mit Jörg Haider liegt mit 26,9 Prozent wenige Stimmen vor der ÖVP auf Platz 2.
Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs.
Werner Reichel hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und ist seit vielen Jahren im Privatrundfunkbereich tätig und lehrt an einer Wiener Fachhochschule Radiojournalismus.
Die roten Meinungsmacher – SPÖ Rundfunkpolitik von 1945 bis heute“ ist im Handel erhältlich:
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Nähere Infos zum Buch und zum Autor: www.wernerreichel.at
Endnoten
[i] Siehe Kornmüller. 2001. Seite 168.
[ii] Fidler. 2006. Seite 296.
[iii] Die Tele 1 GmbH, an der die Kronen Zeitung beteiligt ist, hatte bereits 1993 um eine terrestrische Frequenz angesucht. Nachdem auch der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abgewiesen hatte, wandte man sich an den EGMR.