Leistungsträgersteuer schadet Wirtschaftsstandort Österreich!

Die österreichische Politik treibt seltsame Blüten. Die angekündigte Schuldenbremse beschleunigt nicht das Denken, welche Ausgaben und Aufgaben der Staat in Hinkunft reduzieren soll, sondern beflügelt primär die Kreativität, welche Einnahmen gesteigert werden sollen.

In diesem Zusammenhang soll die „Reichensteuer“ eingeführt werden, neuerdings verharmlosender „Solidarabgabe“ genannt, um dem Schlagwort Gerechtigkeit zu entsprechen.

Andererseits entdecken die Sozialpartner neuerdings die Liebe zu „hoch qualifizierten Auslands-Österreichern“. Diese sollen im Zuge der demografischen Entwicklung für den heimischen Arbeitsmarkt rückgeholt werden. Mehr als 100.000 Fach- und Spitzenkräfte, die in Österreich zum Nulltarif teuer ausgebildet wurden, arbeiten zum überwiegenden Teil in Deutschland, der Schweiz und den USA. Vermutlich werden sie auch dort bleiben, vor allem weil die grenzenlose Steuerdebatte um Einkommensteuer-Aufschläge, Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer usw. dieses an sich gute Ansinnen zum Rohrkrepierer machen dürfte.

Das ständige Aufwärmen von Steuererhöhungsplänen mit gleichzeitigem Schüren von Neidkomplexen durch Populisten aller Parteien im Kampf um Wählerstimmen schadet der Leistungsbereitschaft und Standortattraktivität Österreichs, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Bereits jetzt verlassen Österreich pro Jahr einige tausend Hochqualifizierte mehr als zurückkommen! Obwohl die heimischen Unternehmungen seit Jahren unter starkem Fachkräftemangel(!) leiden, negiert die Politik dieses Problem. Der Kampf um bestausgebildete Arbeitskräfte wird der entscheidende Faktor sein, um unser Wachstumspotenzial in den kommenden zehn Jahren aufrecht zu erhalten.
    Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind neben unternehmerischer Innovation der entscheidende Faktor im globalen Wettbewerb, um das Wachstums- und Beschäftigungspotenzial zur Aufrechterhaltung des Sozialstaats zu finanzieren. Die sogenannte „Reichensteuer“, richtigerweise: „Leistungsträgersteuer“, würde aber Österreich und Wien im speziellen in der Standortfrage als Osteuropa-Headquarter weiter schädigen. Schon jetzt klagen Personalberater über die Schwierigkeit, das Top-Management von Firmen nach Österreich zu bekommen. Zürich läuft in dieser Hinsicht Wien den Rang ab. Der Versuch, ausländische Spitzenkräfte ins Land zu holen, ist angesichts der 255 im dritten Quartal ausgestellten ROT WEISS ROT Cards, davon 47 für Sportler, alles andere als ein durchschlagender Erfolg. Die Erklärung dafür liefert der Brutto/Nettoeinkommensrechner des Finanzministeriums!
  • Ein höherer Grenzsteuersatz vermindert nicht nur die Attraktivität Österreichs als Arbeitsplatz für Hochqualifizierte, auch für bereits in Österreich Erwerbstätige sinkt der Anreiz für Überstunden, Zusatzleistungen und Innovationen. Dementsprechend werden die Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung kurz- und langfristig gedämpft.
  • Kontraproduktiv ist diese „Leistungsträgersteuer“, weil die Steuerbelastung insgesamt und die Grenzsteuersätze bei der Einkommensteuer im Besonderen bei uns schon extrem hoch sind. Kein Nachbarland hat eine höhere Einkommensbesteuerung als Österreich. Der deutsche Grenzsteuersatz von 45 Prozent setzt erst bei einem Einkommen von EUR 250.730,- Euro pro Jahr ein, also dort, wo sich unsere Politikerelite einen weit über 50-prozentigen Steuerzuschlag vorstellt. Das vorteilhafte deutsche Ehegatten-Splitting dämpft die Gesamtbelastung von Spitzenkräften noch zusätzlich.
    Italien mit 43 Prozent Grenzsteuer ab jährlich EUR 73.000,- Euro schont mit tiefen Eingangsteuersätzen von 23 und 27 Prozent die niedrigeren Einkommensteile. In der östlichen Schweiz startet man mit bescheidenen 10 Prozent und muss zwischen EUR 150.000-250.000 Euro (je nach Kanton) mit höchstens 31,8 Prozent nicht einmal ein Drittel seines Bruttoverdiensts dem Staat überlassen.
    Träumen kann man dagegen von den Flat-tax-Modellen in Tschechien (15%), Ungarn (16%) und der Slowakei (19%). Ein Überspannen des „Steuer“bogens könnte sowohl Firmen mit ihren Angestellten sowie Selbständige zum „Go East“ für Besserverdiener animieren. Das von Wien nur 60 Kilometer entfernte Pressburg versteckt sich nicht mehr hinter dem Eisernen Vorhang. Eine Verlagerung von Lebensmittelpunkten würde sich nicht nur auf das Aufkommen der Einkommensteuer, sondern natürlich auch auf das der indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, etc) negativ auswirken.
  • Es ist richtig, dass in einer Reihe von Ländern eine „Leistungsträgersteuer“ diskutiert oder umgesetzt wird, für Österreich hat dies aber leider keine Relevanz, denn in allen Fällen (selbst Großbritannien und Frankreich) liegt die Einkommensteuerbelastung weit unter heimischem Niveau. Wenn Warren Buffett für sein Millionen-Einkommen mit 17 Prozent Steuer weniger als seine Putzfrau an Steuerleistung abliefert, ist das ein amerikanisches, kein österreichisches Fairness-Problem.
  • Aufzuräumen ist auch mit der Vorstellung, die führenden Wirtschaft- und Spezialkräfte erbringen zu wenig Steuerbeitrag für die Allgemeinheit. Faktum ist, dass 1 Prozent der höchsten Einkommen rund 10 Prozent der Gesamteinkommen beziehen, dafür aber 20 Prozent zum gesamten Einkommensteueraufkommen beitragen. Die besten 10 Prozent bekommen 34 Prozent der Gesamteinkommen und leisten mit 58 Prozent den Löwenanteil an Lohn- und Einkommensteuer. 2,6 Millionen Erwerbstätige (von 4,1 Millionen insgesamt) zahlen seit der letzten Tarifreform überhaupt keine Einkommensteuer mehr. Von fehlender sozialer Asymmetrie in Österreich somit keine Spur!
  • Die Sinnhaftigkeit einer Besteuerung hat sich auch an der Ergiebigkeit der Steuer zu orientieren. Das ist schon bei der Aktiengewinnsteuer gehörig daneben gegangen, und wäre in diesem Falle noch eklatanter. Ab 250.000,- Euro Jahreseinkommen wären rund 11.000 Steuerpflichtige betroffen, bei 300.000,- Euro sogar nur noch 7.500. Logisch, dass der Melkertrag erst bei 55 Prozent Grenzsteuersatz in die dreistellige Millionenhöhe vordringt. Diese Idee taugt daher nicht ansatzweise zur Finanzierung der wesentlichen Ausgabenbrocken. So steigen die Bundeszuschüsse für Pensionen von 2011 auf 2012 von 9,6 auf 10,2 Milliarden Euro, die Beamtenpensionen von EUR 8,0 auf 8,9 Milliarden. Eine „Leistungsträgersteuer“ würde also bloß knapp ein Fünftel der gestiegenen Pensionszuschüsse in 2012 erlösen. Welchen Grenzsteuersatz lässt sich die Regierung dann für 2013 einfallen?

proMarktwirtschaft ist daher der festen Meinung, dass die Politiker ihr Gehirnschmalz der Eindämmung der Staatsausgaben widmen sollten, anstatt Stimmungsmache gegen Leistungsträger bei gleichzeitiger Attraktivitätseinbuße des Wirtschaftsstandortes Österreich. Denn die entscheidende Sanierung des strukturellen Budgetdefizits Österreichs, welche in den letzten zwei Hochkonjunkturjahren verschlafen wurde, findet nach Meinung von Europäischer Kommission, Internationalem Währungsfonds und proMarktwirtschaft ausgabenseitig statt.

Peter Brezinschek,

proMarktwirtschaft Brief 1 

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

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