Christian Felber, Mitbegründer von Attac in Österreich, hat ein Buch präsentiert: Die Gemeinwohl-Ökonomie. In dieser "Gemeinwohl-Ökonomie" sollen die „Betriebe nicht in Konkurrenz zueinander nach Finanzgewinn streben“, sondern „mit dem Ziel des größtmöglichen Gemeinwohls kooperieren“.
Felber tritt aber etwa auch für mehr direkte und „partizipative“ Demokratie ein - gibt dabei allerdings bereits ein sehr enges Korsett einer Gesellschaftsordnung vor, sodass der „Souverän“ nur noch innerhalb der letztlich bereits vorgegebenen Alternativen wählen kann.
Und hier liegt vielleicht auch das Kernproblem des gesamten Ansatzes: Der Autor meint offenbar a priori zu wissen, was die Leute wollen, was für sie gut ist. Felber spricht allerdings immerhin auch von „Vorbildwirkung“ – hoffentlich hält er sich daran: Gerade eine bessere Demokratie lässt sich ja wohl kaum per Diktat verwirklichen…
Für viele klingen manche von Felbers Thesen vielleicht verheißungsvoll. Und solange er nur Werbung für mehr Kooperation machen möchte, ist dies ja vor allem auch absolut legitim. Doch Felber will uns gleich alle „umpolen“; er meint, wir müssten endlich „umlernen“ – und dazu bedürfe es notfalls eben auch entsprechender Sanktionen...
Er präsentiert seinen Ansatz als „Dritten Weg“ - statt Kapitalismus und Sozialismus - klingt aber an manchen Stellen beinahe „marxistischer“ als Marx. Denn mit der Umverteilung des Geldes (Beispiel: niemand darf etwa mehr als 500 000 Euro vererben) ist es noch keineswegs getan – es soll offensichtlich eher um eine gesamtgesellschaftliche Umerziehung gehen. Aber Felber ist ja nur ein sehr typisches Beispiel für ein an sich weit verbreitetes Phänomen: Gleichheit durch Umverteilung; immer mehr „Rechte auf…“; Political Correctness gleichsam als Religionsersatz.
Christian Felber hat Talent für geschicktes Marketing; er wirkt freundlich, redet sanft, dichtet und tanzt – doch seine wahre Liebe gilt ganz offensichtlich der Konstruktion des neuen Menschen! Und seine Denkanstöße mögen als Anregung zumindest teilweise auch interessant sein – allen Ernstes zu meinen, man könne die gesamte Menschheit wirklich konsequent zum eigenen Glück zwingen, ist jedoch entweder naiv oder eine gefährliche Drohung.
Denn freiwillig kooperieren wollen die Leute doch leider oft nur mit jenen, die stärker sind als sie selbst – nicht aber umgekehrt! Deshalb ist ja Umverteilung zuallererst einmal auch eine Umverteilung des Rechts des Stärkeren - gegen den sich eben die Schwächeren verbündet haben. (Was ja wiederum nichts darüber aussagen muss, wer denn nun wirklich im Recht ist.) Oder aber man kooperiert eben in erster Linie mit jenen, die einem ohnehin schon nahe stehen: Familie, Freunde, Bekannte. Je „verwandter“, desto besser funktionieren nun einmal Kooperation und Nächstenliebe…
Konkurrenz kann man nie ganz ausschalten. (Auch nicht, indem jeder, der im freien Spiel der Kräfte verliert, sofort als „benachteiligt“ bezeichnet wird.) Aber auch absolute Gleichheit wird es kaum jemals geben. Wollen wir etwa eine Erbschaftssteuer auf „gute Gene“ – es ist ja eigentlich nicht einzusehen, warum nur ökonomische Werte umverteilt werden sollen - höhere Intelligenz, Gesundheit oder Attraktivität hingegen nicht?
Dies umzusetzen, wäre natürlich schwierig bis unmöglich – aber deshalb muss der jetzige Zustand ja noch lange nicht gerecht sein. Und wollte man dann übrigens auch gleich für staatliche Partnervermittlung eintreten – unter dem Motto: Chancengleichheit für alle?
Viele Menschen wollen leider Sieger und Besiegte – auch wenn dies manchmal grausam sein mag. Auch den Reiz der Gefahr, aber auch des Verbotenen, wird sich die Menschheit kaum nehmen lassen. Und es wird wahrscheinlich auch immer sowohl „Ausbeuter“, als auch „Schmarotzer“ geben.
Und auch die Hierarchien werden nie enden - Beispiel Gesundheit: Machen wir uns bitte nichts vor. Letztlich wird es immer etwa so viele „Klassen“ in der Medizin geben wie Ärzte, aber auch Patienten... Und im Bildungsbereich, der „Magister für alle“? Man tut niemandem einen Gefallen, wenn Menschen Ausbildungswege einschlagen, die nicht ihren eigentlichen Talenten entsprechen – oder für die gar keine Nachfrage besteht.
Obwohl wir auf vielen Ebenen längst ein Versagen der auf zentrale Plan- und Machbarkeit ausgerichteten Institutionen und Ideologien erleben, scheinen manche sogar noch auf deren Ausweitung zu setzen. Eine wirklich offene Gesellschaft erreicht man aber wohl eher über Vertragsfreiheit „von unten“ – als durch von oben verfügte Zwangsbeglückung. Also durch Kooperation in Form von Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen eigenständigen und autonomen Partnern. Statt durch Nivellierung und Gleichmacherei.
Für freiheitsliebende Menschen könnten Ansätze wie jener Felbers andererseits auch eine Warnung sein: Den Verführern und Zwangsbeglückern endlich den Wind aus den Segeln zu nehmen - statt ständig neues Wasser für deren Mühlen zu liefern. Und nicht auch selbst mit zweierlei Maß zu messen.
Fazit: Die Welt ist, wie sie ist – aber sie könnte sicher auch besser sein. Wenn auch nicht so, wie wir uns das auf dem Reißbrett gerne ausmalen… In diesem Spannungsfeld müsste man vielleicht versuchen, sehr wohl Utopien (zumindest als Denkanstoß: "was wäre wenn...?“) zu formulieren - es aber dann erstens jedem selbst überlassen, ob und an welcher Utopie er sich orientieren möchte; zweitens akzeptieren, dass nur graduelle Schritte der Annäherung realistisch sind; und drittens einsehen, dass das manchmal gar nicht so schlecht ist.
"Unterscheide, ohne zu trennen. Vereine, ohne zu egalisieren." (Herbert Pietschmann)
Christoph Bösch, M.A. ist Publizist in Wien und Gründer der Initiative "Mehr Wahlrecht".