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In Deutschland haben Union und SPD bei den Wahlen gewaltige 13 Prozentpunkte verloren. Sie sind nun ziemlich genauso schwach, wie SPÖ und ÖVP 2013 bis 2017 waren. Das jämmerliche Scheitern der letzten österreichischen Regierung sollte daher auch für den großen Nachbarn eine Lehre sein. Ist es aber nicht. Dabei sind dort alle drei Parteiführer der geplanten Koalition sogar schon vor deren Start politisch schwerst angeschlagen. Dabei ist dort jetzt schon ein totaler Dissens darüber ausgebrochen, was der Wortlaut der Koalitionsvereinbarung überhaupt bedeutet.
Ganz Europa spürt jedenfalls von Tag zu Tag mehr, was im größten Land des Kontinents passiert: Angela Merkel, Martin Schulz und Horst Seehofer klammern sich in verzweifelter Todesangst aneinander. Sie werden daher am Ende fast unendlich langer und immer weiter verlängerter Verhandlungen schließlich doch noch in eine Koalition stolpern – oder eher kriechen.
Jeder einzelne dieser drei Parteiführer hat die gleiche persönliche Motivation: Er (oder sie) hat berechtigte Angst, von der eigenen Partei abgeschossen zu werden, falls die Koalitionsverhandlungen scheitern. Denn mit Merkel, Schulz und Seehofer würden CDU, SPD und CSU ja bei den dann wohl folgenden Neuwahlen noch weiter verlieren. Zeigen doch Umfragen ständig noch schlechtere Ergebnisse für Schwarz wie Rot als bei der Wahl. Und würde nun der Versuch einer "großen" Koalition scheitern, dann würde diese Wählerwanderung noch intensiver werden.
Das wissen Merkel, Schulz und Seehofer. Daher werden sie wohl nach einem dramatisch inszenierten Verhandlungsfinale am Schluss das Koalitionspapier unterfertigen. Und jeder der drei wird behaupten, sich durchgesetzt zu haben.
Das zeigt sich schon jetzt beim wichtigsten Thema, also bei der Völkerwanderung. Der Text dazu steht zwar schon fest, wird aber von jeder Seite total unterschiedlich interpretiert. Er lautet: Man sei sich einig, dass die Zuwandererzahlen "die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden".
Das ist ein politischer Formelkompromiss, der völlig konträre Auslegungen zulässt. Die SPD verkündet, dass diese Worte rein "deskriptiv" zu verstehen seien, also eine bloße Annahme über den Verlauf der Zukunft darstellen. So wie es etwa Aussagen über das Wetter im nächsten Monat sind. Sie würden nicht bedeuten, dass nicht auch 220.001 "Flüchtlinge" ins Land kommen dürfen.
Auf der anderen Seite sieht vor allem die CSU darin ein "Bekenntnis" zu einer fixen Obergrenze. Es würden keinesfalls mehr Flüchtlinge kommen können.
Nun, rein sprachanalytisch sind beide Interpretationen möglich, die der SPD hat aber mehr Plausibilität. Hätte man wirklich Konsens über eine Obergrenze erzielt, hätte man das ja klar hineinschreiben können. Auch die Formulierung "180.000 bis 220.000" deutet auf eine Schätzung der erwarteten Dimension hin und nicht auf eine fixe Grenze.
Während sich die Parteien mit solchen Peinlichkeiten über die Ziellinie zu retten versuchen, ignorieren sie völlig, dass der Großteil der Deutschen weder 180.000 noch 220.000 "Flüchtlinge" haben will, die auch künftig jährlich(!) ins Land kommen dürfen, sondern viel weniger. Dabei ignorieren sie ebenso, dass solche Formelkompromisse, bei denen sich schon vor Unterschrift-Leistung totaler Dissens zeigt, die Bürger immer noch mehr verärgern – selbst jene Minderheit, die für eine Fortsetzung der Völkerwanderung ist.
Noch mehr werden sich alle anderen Deutschen – also die migrationskritische Mehrheit – ärgern, wenn sie entdecken, welche Nebelschwaden andere Aspekte dieses Themas noch verhüllen. Denn in einer anderen Passage heißt es, dass ab 1. August monatlich 1000 Personen als "Familiennachzug" von Flüchtlingen kommen dürfen.
Dabei ist nicht nur unklar, ob sogenannte Härtefälle in diese Menge fallen – und was "Härtefälle" überhaupt sind, ist doch in der Gutmenschrhetorik jeder ein Härtefall. Durch diese Debatte wird vor allem verwischt, dass dieses 1000er Limit nur für sogenannte nachrangige Flüchtlinge gilt, also für solche, die eigentlich nur vorübergehend bleiben dürfen. Für alle jene hingegen, die den vollen Asylstatus bekommen haben und werden, gibt es jedenfalls unbegrenzten Familiennachzug. Ohne dass da viel darüber geredet wird. Der geht jetzt sogar schon so weit, dass nun auch die Zweitfrau eines geflohenen Syrers einreisen darf, wie vor ein paar Tagen ein Gericht dekretiert hat.
Als ob das Thema Massenmigration nicht reichen würde, um die Menschen zu verärgern, haben sich die Koalitionsbastler auch darauf geeinigt, den französischen Wünschen in Sachen EU und Euro entgegenzukommen. Allerdings ist noch nicht ganz klar, wie weit man dabei gehen wird. SPD-Chef Schulz will sich hier jedenfalls besonders stark als "Europäer" profilieren.
Das wird mit großer Sicherheit für die Deutschen, wie aber auch die Österreicher oder Niederländer bedeuten, dass sie weitere Hunderte Milliarden zur Dauerfinanzierung der südlichen Schuldenländer zahlen, die ja keinerlei Anstalten zu einer echten Sanierung machen. Warum sollten sie auch, wenn jemand anderer zahlt?
Geradezu zur Illustration dieser alptraumartigen Prophezeiung hat der französische Notenbank- und EZB-Direktor Benoit Coeure parallel zur Schlussphase der deutschen Koalitionsverhandlungen erklärt, dass bei einer weiteren Finanzkrise die Zinsen noch weiter in den negativen Bereich getrieben werden; dass es sogar erforderlich sein könnte, "Vermögenstitel zu erwerben, die riskanter sind als öffentliche Schulden oder Firmenschulden". Überdies verlangte er eine "gemeinsame Einlagensicherung", die bedeutet, dass deutsche und österreichische Banken (im Klartext: Bankkunden) direkt für die Einlagen auf französischen oder italienischen Instituten haften. Der Franzose will de facto so wie sein Präsident die Finanzierung aller Staatsschulden noch direkter als ohnedies schon jetzt durch die Banknotenpresse ermöglichen.
Ein noch verstärkter Raubzug auf alle Sparer ist ebenso wie das weitere deutsche Einknicken gegenüber der Massenmigration nicht nur für die Deutschen, sondern auch für die Österreicher eine absolut katastrophale Entwicklung.
Es erscheint mehr als zweifelhaft, ob Österreich alleine imstande sein wird, wenigstens die EU- und Euro-Pläne Frankreichs und der SPD zu stoppen. Bei der Migration hat das Land sowieso keine Chance, die deutsche Politik zu stoppen. Bei Änderungen in Sachen EU und Euro hätte es die rein vertragsrechtlich zwar schon. Aber ist die neue Regierung, ist der neue und politisch unerfahrene Finanzminister stark genug, in Europa eventuell allein gegen alle zu stehen?
In Österreich wird freilich über die wirklich großen Fragen nicht einmal diskutiert. Die veröffentlichte Meinung interessiert sich seit Wochen nur für ein studentisches Liederbuch aus dem vorigen Jahrtausend ...
In Deutschland wiederum war es bisher Wolfgang Schäuble, der in Sachen Euro das Schlimmste verhindert hat. Den aber hat Merkel ja ins Parlamentspräsidium abgeschoben – ganz eindeutig vor allem deshalb, damit niemand mehr mit Gewicht ihr widersprechen kann, wenn sie zur Bewahrung des eigenen Jobs weitere fundamentale Fehler begeht.