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SPD-Chef Martin Schulz ist von seiner Partei binnen weniger Tage aus allen Funktionen abgeschossen worden. Parteivorsitzender Horst Seehofer wird von der CSU nach Berlin abgeschoben, nachdem er ein paar Monate ums Überleben gekämpft hatte. Nur Angela Merkel, die eigentlich Hauptschuldige am katastrophalen Abschneiden der alten Koalition, will volle vier Jahre im Amt bleiben – mit den gleichen Partnerparteien, aber um 14 Prozentpunkte weniger Wählerzustimmung. Das ist fast rührend. Dabei haben jetzt schon mehrere der großen alten Männer der CDU sie voll und öffentlich ins Visier genommen. Wer das politische Einmaleins kennt, müsste wissen: Jetzt ist für Merkel die allerletzte Möglichkeit gekommen, noch einen geordneten Abgang zu organisieren, sonst wird sie so brutal abgeschossen wie es den anderen beiden (Ex-)Chefs der Koalitionsparteien passiert ist.
Die wohl entscheidende Wende in der CDU hin zur Abenddämmerung für Merkel hat jetzt die Wortmeldung von Volker Rühe, dem langjährigen Verteidigungsminister und CDU-Generalsekretär gebracht. Da er auf Grund seines Alters nichts mehr werden will, spricht er offener als viele andere in der CDU das aus, was vielerorts über die Bundeskanzlerin gesagt wird.
Rühe in einem Interview wörtlich: "Jeder muss mal aufhören." Und: Merkel habe für die CDU "desaströs verhandelt". Und: "Die CDU braucht jetzt ein Zukunftsteam, keine Ergebenheitstruppe." Und: "Mein Zorn gilt nicht nur dem Verhalten von Angela Merkel, sondern genauso einer weiteren CDU-Führung, die das alles geschehen lässt und die Zukunft der CDU verspielt." Und: "Merkel solle "die wichtigsten Positionen in Kabinett und Fraktionsführung mit potenziellen Kanzlerkandidaten besetzen, die aber noch wichtige Erfahrungen brauchen."
Rühe nannte auch zwei Namen für diese Rolle: die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (überraschend klare Siegerin der letzten Saarland-Landtagswahl; bei Umfragen in der CDU findet sie unter den potenziellen Merkel-Nachfolgern die meisten Sympathien; und ideologisch ist sie vom linken CDU-Flügel zuletzt etwas nach rechts gerückt) sowie Staatssekretär Jens Spahn (bisher im für die CDU nun verlorenen Finanzministerium tätig, betont konservativer Schwuler, der sich demonstrativ als inhaltlicher Alliierter von Sebastian Kurz zeigt).
Im Gegensatz zur CDU, so Rühe, habe die SPD mit Andrea Nahles und Olaf Scholz jetzt gleich zwei potenzielle Kanzlerkandidaten von Gewicht für die Zukunft. "Wenn man so will: zwei Asse für die Zukunft. Wir haben nicht mal einen."
Wenn jetzt sogar schon die aus dem letzten Loch pfeifende SPD von einer gewichtigen CDU-Stimme als Vorbild hingestellt wird, dann heißt das schon was. Rühe hat aber Recht: Merkel hat seit Jahren alle potenziellen Nachfolger hinausgedrängt. Die CDU hat jetzt nicht nur alle wichtigen Ministerien verloren, nur damit sie selbst Kanzlerin bleibt; es sind auch alle CDU-Köpfe rund um sie extrem schwach.
Und Rühe ist keineswegs der einzige Kritiker, der jetzt offen wird. Friedrich Merz, der lange als "die" große Hoffnung der Union gegolten hat, rief zu einer Ablehnung des Koalitionsvertrags durch die CDU auf (was natürlich das Ende Merkels zur Folge hätte). Ähnlich die Mittelstandsvereinigung, die Junge Union und viele Ortsverbände.
Gewiss: Wenn die nötigen Abstimmungen (CDU-Parteitag und SPD-Urabstimmungen) positiv für die "GroKo" ausfallen – was aber keineswegs sicher ist –, wird die nächste Regierung wieder mit Merkel beginnen. Aber die Demontage der Frau aus Mecklenburg-Vorpommern wird dennoch rasch voranschreiten.
Und zwar aus mehreren Gründen. Der wichtigste: Die AfD etabliert sich als Alternative von Woche zu Woche besser und stabiler. Wer etwa die Aschermittwochrede des (rhetorisch übrigens nur mittelmäßigen) Parteichefs Meuthen beobachtet hat, hat auch das AfD-Publikum gesehen. Dieses ist jung, wirkt seriös und gutbürgerlich. Weit weg von den Glatzen, XYZ-Schicht-Angehörigen und Schmiss-Gesichtern, die linke Fernsehanstalten normalerweise gerne bei rechtspopulistischen Parteien zeigen. Die Deutschen verlieren zunehmend die Angst vor der AfD. Was sowohl für CDU wie auch SPD einen weiteren Aderlass bedeuten wird.
Die sich jetzt abzeichnende GroKo ist außerdem schon lange nicht "groß": Laut den jetzigen Umfragen stehen die drei Parteien zusammen nur noch bei rund 45 Prozent, bilden also im Grund eine Minderheitsregierung. Nur zum Vergleich: Die schwarz-blaue Regierung in Wien bewegt sich bei aktuellen Umfragen zwischen 57 und 59 Prozent.
Aber auch sachpolitisch stehen der deutschen GroKo problematische Zeiten bevor. Die wichtigsten jetzt schon absehbaren Krisenpunkte der neuen Regierung:
Es ist also durchaus möglich, dass Merkel nicht über die immer unruhiger werdende eigene Partei stürzt, sondern über den gewaltigen Berg an Problemen, sowohl der schon länger bestehenden wie auch der durch den sozialdemokratisch dominierten Koalitionsvertrag erst geschaffenen. Am wahrscheinlichsten ist, dass beides zusammenspielen wird, dass die Koalition sachlich scheitert, und dass zugleich die CDU-Unzufriedenheit explodiert.
Das wird spätestens dann passieren, wenn Deutschland wieder Defizite schreibt. Dabei hat das Land durch die gigantischen und in Wahrheit uneinbringlichen Target-Forderungen an die anderen Euro-Länder und durch die von keinerlei Rückstellungen gedeckten Pensionszusagen ohnedies längst ein Riesendefizit. Aber das rechnet man einfach nicht in die Statistiken ein ...