Elfeinhalb Punkte wider die linke Angst vor der FPÖ
18. Januar 2018 00:40
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 6:30
Hätten SPÖ und die diversen anderen Oppositionsparteien einen Funken Anstand im Leib, dann würden sie jetzt hochoffiziell verkünden: "Wir distanzieren uns von allen Demonstrationen gegen den bevorstehenden Ball der FPÖ. Diese Distanzierung ist kein Zeichen der Sympathie für die FPÖ, aber ein Beweis, dass wir prinzipiell gegen alle Aktionen sind, die mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Gewalt verbunden sind. Gegen FPÖ und Regierung wollen wir demokratisch und parlamentarisch, aber nicht auf der Straße kämpfen." Noch ist zwar Zeit für eine solche Erklärung, aber bisher ist nichts zu hören.
Eine solche Erklärung wäre jedenfalls spätestens ab dem Zeitpunkt fällig geworden, da der (der SPÖ nicht gerade fernstehende!) Wiener Polizeipräsident offiziell mitgeteilt hat, dass für den heurigen FPÖ-Akademikerball mit "deutlich höherer Gewaltbereitschaft" der von der heimischen Linksszene aus ganz Europa zusammengetrommelten Linksradikalen zu rechnen ist. Wenn einmal ein Polizeipräsident sagt: "Es wird nicht so friedlich wie in den letzten beiden Jahren", dann sollte es für eine demokratische Partei eigentlich keinen Raum zu verwaschenen Undeutlichkeiten geben.
Wenn sich die Linksparteien hingegen weiter verschweigen oder nur herumreden, dann gibt es dafür nur zwei Erklärungen: Entweder einflussreiche Flügel sympathisieren klammheimlich (oder offen) mit den Linksextremisten; oder die jeweiligen Parteiführungen rechnen zynisch mit den Wählerstimmen der Gewalttäter.
Aber gibt es nicht wirklich Linke, die ganz ohne Zynismus ehrliche Angst vor einer Regierung mit FPÖ-Beteiligung haben? Ja, die gibt es.
So wie es halt Menschen gibt, die sich vor dem Kometen fürchten, vor schwarzen Katzen, vor ungünstigen Sternkonstellationen, vor Chemtrails. So wie die einen behaupten, "die Juden" hätten die New Yorker Twin Towers zum Einsturz gebracht; und die anderen, das Deutsche Reich würde noch existieren; oder so wie die dritten meinen, man solle nochmals den Kommunismus versuchen und müsse dabei nur die kleinen Fehler Stalins vermeiden.
Wer von den Sich-vor-der-FPÖ-Fürchtenden aber auf rationale Argumente zu hören bereit und imstande ist, der sollte folgende zehn Punkte überlegen:
- Die FPÖ ist populistisch: Ja, das ist sie. Sie schielt oft mehr auf die kurzfristige Stimmung der Menschen als auf das langfristige und nachhaltige Interesse Österreichs. Aber mit Verlaub: So populistisch ist die SPÖ im mindestens gleichen Ausmaß seit Jahrzehnten.
- Die SPÖ hat ständig für noch mehr Staatsausgaben gekämpft, obwohl diese die Schulden noch weiter erhöhen.
- Sie hat strikt jede Erhöhung des Pensionsantrittsalters verweigert, obwohl sämtliche Pensionsexperten wie auch OECD und EU sagen, das österreichische Pensionssystem wäre ohne grundlegende Reform des Antrittsalters mittelfristig zum Scheitern verurteilt.
- Sie war immer ohne Rücksicht auf die langfristige Notwendigkeit einer Landesverteidigung dem Bundesheer gegenüber sehr – sagen wir: skeptisch.
- Die FPÖ in die Regierung zu nehmen, ist schon ein Verbrechen an sich: eine interessante, ja kühne Behauptung, die auf vielerlei vergisst. Denn:
- Was tut dann die SPÖ im Burgenland?
- Welchen Zweck hätte der "Kriterienkatalog" von Christian Kern sonst gehabt, als die Tür für Rot-Blau zu öffnen (was er mit großer Wahrscheinlichkeit auch realisiert hätte, hätte die ÖVP nicht die Wahl gewonnen)?
- Was hat die Bundes-SPÖ 1983 bis 1986 getan?
- Und war nicht Kreisky 1971 eindeutig zur Koalition mit der FPÖ bereit (nach eineinhalb Jahren FPÖ-Unterstützung für eine SPÖ-Minderheitsregierung), hätte er damals nicht die Absolute errungen - obwohl die FPÖ damals noch von einem ehemaligen SS-Offizier geführt wurde?
- Die FPÖ ist rechtsextremistisch: Nein, das ist sie in keiner Weise. Denn extremistisch heißt: Man will die Verfassung stürzen, oder man will Gewalt anwenden. Ich kenne kein einziges Indiz, das diesen Vorwurf gegen die FPÖ belegen würde.
- Die FPÖ ist deutschnational. Das ist sie seit vielen Jahren nicht mehr, heute ist sie eindeutig und forciert österreichischnational. Das war sie freilich früher sehr wohl, auch viele ihrer Exponenten. Nur: Deutschnational waren 1918 auch Sozialdemokraten und Christlichsoziale. Letztere waren es bis zu Hitlers Machtergreifung 1933. Bei den Sozialdemokraten waren es etliche Spitzenfunktionäre sogar noch nach 1945. FPÖ (und Vorläufer VdU) waren zweifellos noch länger deutschnational gesinnt. Aber die Nachkriegs-FPÖ war nie für einen Anschluss oder gar gewaltsamen Anschluss, sondern sie redete immer nur von einer gemeinsamen deutschen Kulturnation. Das ist etwas ganz anderes. Das ist zwar nicht meine Sichtweise, aber es ist eine legitime und vor allem seit den Napoleonischen Kriegen im ganzen deutschen Sprachraum verbreitet gewesene Haltung, die man unter die deutsche Romantik einordnen kann.
- Die FPÖ steht den Burschenschaften sehr nahe: Ja, auch das ist richtig. Aber wo ist da das Delikt? Die Burschen- und Sängerschaften sind seit langem legale Organisationen, die halt in der Tradition dieses romantischen Kulturdeutschnationalismus stehen. Sie wurden 1938 von den Nazis genauso aufgelöst wie alle anderen Nicht-NS-Organisationen. Gewiss: Sehr viele Burschenschafter sind (auch illegale) Nazis geworden. Aber mit Verlaub: Auch bei den Sozialdemokraten sind sehr viele zu den Nazis gewechselt.
- Auch schon heimlich (und "illegal") vor 1938;
- siehe die damaligen Wahlergebnisse gerade in "roten" Wahlkreisen;
- siehe den Anschlussjubel eines gewissen Karl Renner;
- siehe die von Gudula Walterkirchen in ihrem jüngsten Buch aufgedeckten vielen Querverbindungen zwischen roten und braunen Bürgerkriegs-Kämpfern des Jahres 1934.
- Aber die FPÖ steht doch auch den Schlagenden unter den Verbindungen nahe: Ja, richtig. Wo aber ist da das Delikt? Zwei Menschen zerschneiden sich in einem freiwillig eingegangenen Duell Wange oder Stirn, verletzen sich also leicht. Das ist zwar in meinen Augen absurd, aber im Grund harmloser als all die vielen Menschen, die sich bei Extremsportarten ebenso freiwillig oft noch viel schwerer verletzen, bis hin zu Lähmung oder Tod. Oder die intensiven Konsumenten schwerer Rauschgifte. Oder die Raucher (war nicht der letzte rauchende Bundeskanzler ein SPÖ-Mann?).
- Die FPÖ-Minister sind unfähig zu regieren: Das ist durchaus möglich – halt genauso wie es bei vielen anderen Ministern der letzten Regierung der Fall gewesen ist (von den zwei Bundeskanzlern bis zum Sozialminister, vom Justizminister bis zur Familienministerin).
- Die FPÖ ist undemokratisch: Völlig falsch. Sie hat jedes Wahlergebnis akzeptiert. Ohne dagegen zu protestieren und zu demonstrieren wie die linken Parteien, wenn es nicht passt. Sie ist sogar – zumindest verbal – die intensivste Vorkämpferin der direkten Demokratie. Diese ist ja eindeutig die Realisierung dessen, was SPÖ-Halbgott Kreisky einst mit "alle Bereiche mit Demokratie durchfluten" gewollt hat.
- Die FPÖ-Minister sind Neonazis: Das ist eine völlig unbewiesene und damit infame Behauptung. H.C. Strache ist zwar kein großer Intellektueller oder gar professioneller Antifaschist. Aber:
- Tatsache ist: er schmeißt jeden hinaus, der sich antisemitisch äußert.
- Tatsache ist: Er verteidigt die jetzige israelische Regierung so massiv wie kaum ein anderer europäischer Politiker.
- Tatsache ist, dass es in keiner Regierung so viele Ex-Nazis gegeben hat wie in den ersten sozialistischen Alleinregierungen unter Kreisky.
- Tatsache ist, dass Alt-Sozialdemokrat Fischer gerade im "Profil" ein Interview gegeben hat, in dem er auf die Frage nach Antisemitismus in Österreich(!) wild auf den israelischen(!) Premier hinhaut (ohne dass einer der professionellen Antiantisemiten auch nur einen Ton gesagt hätte).
- Die FPÖ ist gegen die EU: Das war sie eine Zeitlang, aber von der EU-Gegnerschaft hat sie schon lange vor der Wahl abgelassen. Und außerdem müsste auch eine solche Gegnerschaft demokratisch zulässig sein.
- Oder ist die Mehrheit der Briten zu Faschisten geworden, weil sie für den EU-Austritt gestimmt haben?
- Oder waren die Sozialdemokraten bis zum Ende der 80er Jahre Faschisten, als sie die EU noch vehement ablehnten?
- Oder waren es die Grünen bis Ende der 90er Jahre, etwa auch durch ihr Nein beim EU-Referendum?
- Die FPÖ ist gegen die Asylanten: Das stimmt (auch wenn es eine verbale Verkürzung ist). Das stimmt aber genauso auch für die Kurz-ÖVP. Und für den Doskozil-Flügel der SPÖ.
- Die FPÖ hat der SPÖ die Arbeiterstimmen gestohlen: Das stimmt. Das ist wahrscheinlich der tiefste Grund des SPÖ-Zorns. Das beweist freilich, dass es bei der Empörung gar nicht um irgendwelche hehren ethischen Aspekte geht, sondern schlicht um den Machtverlust der SPÖ und all ihrer Satrapen vom ORF über die NGOs bis zum Beamtenapparat. Davor hat freilich noch jeder Machthaber der Geschichte panische Angst gehabt.
Also zugegeben: Zumindest in diesem Punkt ist die Angst der Linken völlig berechtigt.
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