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Erstaunlich, wie enthüllend der Erstauftritt der neuen schwarz-blauen Regierung im Parlament und die Reaktion der Opposition darauf gewesen sind.
H.C. Strache hat als Vizekanzler dreimal so lang geredet wie Sebastian Kurz. Das ist ein weiteres starkes Indiz, dass Strache jetzt schon an der FPÖ-Basis wegen der vermeintlichen oder wirklichen koalitionären Notwendigkeiten unter Beschuss gekommen ist. Dort haben offenbar viele nur für Totalopposition Verständnis. Strache muss sich offenbar intensiv rechtfertigen, selbst für den in Wahrheit völlig unbedeutenden Ceta-Vertrag, der ja nur von Kronenzeitung und einigen linken NGOs zum Problem hochstilisert worden ist.
Trotzdem oder gerade deswegen ist Strache für seine Tapferkeit und seine konstruktive Orientierung zu bewundern.
Das Erfrischendste an den Worten von Sebastian Kurz war, als er auf die diversen Jahres- und Gedenktage des kommenden Jahres zu reden kam (die er – teilweise politisch inkorrekt – als "Jubiläen" bezeichnete). In Hinblick auf das Jahr 1968 erwähnte er nämlich zu Recht nur den tapferen Kampf der Tschechoslowaken gegen die kommunistische Unterdrückung und ersparte uns völlig den in linken Medien üblichen Weihrauch für die anarchistisch-marxistische Studentenrevolution desselben Jahres, der ja auch manche ÖVP-Politiker wie Christoph Leitl total trunken gemacht hat.
Ähnlich erfrischend ist, dass Kurz den Gedanken der Notwendigkeit von mehr "Anstand" der Politik gegenüber den Steuerzahlern zu formulieren gewagt hat. Seit ich Politik beobachte, habe ich nie einen solchen inneren Jubel zu einer Aussage eines Regierungschefs gespürt.
Und ebenso erfreulich war, dass Kurz folgende drei Epochen der österreichischen Geschichte besonders hervorhob (und zwar nur diese drei):
Bei Strache wie Kurz begeisternd war, dass beide den Wert von Ordnung und Sicherheit gepriesen haben. Das hat dann zwar wiederum die drei Oppositionsparteien besonders geärgert. Aber genau das ist es, wonach sich die Österreicher am meisten sehnen.
Peinlich war in der ORF-Fernsehübertragung der Wahl der neuen Nationalratspräsidenten, dass sie als Füller während der Abstimmungsvorgänge gleich zweimal sowohl den vorbereiteten Film über Herrn Sobotka wie auch den über Frau Kitzmüller abspielten. Aber dort sind sie halt nicht nur knalllinks, sondern auch handwerklich unfähig. Professionelle Sender würden einfach gescheite Leute ins Studio setzen, die jede Lücke durch analytische Diskussion überbrücken können. Professionelle Sender halt. Die handwerkliche Unfähigkeit des ORF konnte man auch daran erkennen, dass die von Sebastian Kurz vorgestellten neuen Minister des öfteren nicht von der Kamera anvisiert worden sind. Egal, ob daran der Mangel an Kameras oder an Kenntnis der neuen Mannschaft die Ursache waren: Man bekommt nur den Eindruck, dass denen eh alles schon wurscht ist.
Wieso etwa wird Herr Blümel vom ORF dabei als "ehemaliger" Wiener ÖVP-Chef vorgestellt? Blümel ist das nämlich durchaus geblieben. Und wieso werden Freiheitliche ständig entweder als "umstritten" oder als "rechtskonservativ" oder als "provokant" oder noch abfälliger als "stramm" bezeichnet? Hauptsache ist offenbar, dass man die Freiheitlichen mit jedem Adjektiv herunterzumachen versucht (was angesichts der politischen Machtverhältnisse eigentlich masochistische Dummheit ist – oder ein Kalkül, dass sich die neue Regierung das alles gefallen lässt).
Das Köstlichste am parlamentarischen Start der neuen Regierung waren die tief depressiven Mienen der Sozialdemokraten. Eigentlich würde man ihnen aus lauter Mitleid am liebsten einen Psychotherapeuten finanzieren – zumindest wenn man glauben könnte, dass deren Gewerbe irgendeinen Nutzen bringt.
Christian Kern hat sich in die Rolle eines Oppositionspolitikers einzuleben versucht. Hut ab, das war tapfer, schon allein nach seinem Abstieg der letzten Tage. Inhaltlich war es freilich eher eine Ansammlung von Stänkereien im Stile des Michael Häupl. Und die klar erkennbare Festlegung: Die SPÖ sieht sich nur noch als Interessenvertretung jener Menschen, die weniger als 1300 Euro pro Monat verdienen. Das ist zumindest klar und ehrlich. Offen bleibt dabei freilich, ob die SPÖ bei dieser Kernwählerstrategie bei den nächsten Wahlen noch über die Vierprozent-Grenze kommen wird. Aber das ist ihre Sache.
Der jämmerlichste Tiefpunkt des Koalitionsstarts war aber der auf Kern folgende Auftritt des neuen ÖVP-Klubobmanns. Dass sich Kurz parlamentarisch so schwach unterstützen lässt, zeigt eine bedenkliche Schwäche bei der Personalauswahl. Glaubt der ÖVP-Chef wirklich, dass es ihm nichts schadet, wenn er neben lauter Anfängern in der Regierung auch von der Fraktion im Parlament nur total suboptimale Unterstützung bekommt? Glaubt er wirklich, dass sein großes eigenes Talent die Notwendigkeit einer ganzen Mannschaft substituierten kann? So verzichtet Wöginger auf das, was eigentlich das Wesen jeder Debatte sein solle, nämlich auf den Vorredner - eben Christian Kern - zu replizieren, statt dessen berühmt er sich eitel, wie lange er selbst schon im Parlament sitzt. Was er offenbar für interessant hält.
Dabei wäre die Replik auf Kern wirklich leicht gewesen. So hat sich der SPÖ-Chef binnen weniger Sätze selbst total widersprochen. Zuerst hat er nämlich den Eindruck zu erwecken versucht, dass Österreich am Ende der SPÖ-Kanzlerschaften wirtschaftlich sensationell dastünde. Wenige Sätze später jedoch zeichnet Kern ein katastrophales Bild des Arbeitsmarkts, wo sich für jeden frei werdenden Arbeitsplatz sechs Bewerber interessieren würden. Aber dem Herrn Wöginger fiel nicht einmal dieser reichliche Widerspruch auf, obwohl er offenbar schon seit Ewigkeiten im Parlament sitzt.
Erstaunlich: Auch wenn die beiden Herren nicht gerade meine Generation vertreten, so scheint mir doch eindeutig: Der beste und substanziellste Redner neben Kurz war eindeutig der pinke Matthias Strolz. Dieser hat viel von seiner ersten polemischen Kritik an der Regierung zurückgenommen, und sich auf deren wirklichen Schwachpunkte konzentriert, die er sehr pointiert herauszuarbeiten imstande war.