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Schwarz und Blau haben die Koalitionsverhandlungen um Eckhäuser professioneller, klüger und sachorientierter gehandhabt, als das bei den letzten Regierungsbildungen der Fall gewesen ist. Und sie können erst recht durch den Vergleich mit der unendlich langen und unendlich peinlichen Verhandelei in Deutschland punkten, wo man jetzt erst die eigentlichen Verhandlungen beginnt, obwohl man lange vor Österreich gewählt hatte. Dennoch ist Schwarz-Blau trotz aller Brillanz bei der Regierungsbildung ein schwerer inhaltlicher Fehler und ein schwerer taktischer Fehler passiert.
Doch vorerst sei das große Lob ausgesprochen. Nie haben in diesen Verhandlungswochen irgendwelche Verhandlungsteilnehmer rote Linien gezogen oder Ultimaten gestellt. Nie ist wirklicher Streit oder gar eine persönliche Attacke nach außen gedrungen, wie sie in den letzten zehn Jahren absoluter Alltag der Koalition gewesen sind (vor allem in den Regierungen Faymann und Kern; die zwei Gusenbauer-Jahre davor waren da etwas besser).
Dieser Dauerkonflikt hat ja die Politik auch so abstoßend gemacht – vor allem für jene Menschen, die sich kaum in der Tiefe mit den Inhalten befassen. Sie haben nur gemerkt: Da wird dauernd gestritten.
Hinter diesem Streit der letzten Jahre sind immer dieselben zwei Phänomene gestanden:
Blau und Schwarz liegen hingegen in vielen Punkten sehr eng beieinander. Vor allem dort, wo sie gemeinsam hinter der in diesem Lande ja seit langem vorhandenen konservativen Mehrheit und deren Werten stehen. Die da schlagwortartig sind: Heimat, Recht und Ordnung, Leistung, Anständigkeit, Christentum, Familie, Bekenntnis zur Tradition und zuletzt vor allem: geschlossene Ablehnung der illegalen Migration.
"Europa" als eine Zeitlang dominierender ÖVP-Wert ist hingegen nach der Schüssel/Molterer-Zeit wieder in den Hintergrund gerückt. Die schwarze Haltungsänderung hat wohl mehr mit großen Fehlentwicklungen in der EU selbst zu tun als mit Meinungsänderungen in der ÖVP. Die FPÖ wiederum war zwar einst "die" Europa-Partei, aber sie hat in den 80er Jahren das Interesse an Europa verloren und ist zunehmend EU-kritisch geworden. Seit die britischen Probleme durch den Brexit offenkundig geworden sind, ist sie aber von jedem Gedanken an einen EU-Austritt wieder abgerückt. Also auch da keine echte Differenz.
Durch all diese Werte gibt es ein breites Fundament, auf dem die Koalition gut stehen kann. Ein deutlich stabileres als bei Rot-Schwarz. Freilich: In einem anderen, ebenso wichtigen Bereich gibt es hingegen zwischen Schwarz und Blau kaum mehr Gemeinsamkeiten als zwischen Rot und Schwarz: Das ist das ganze Feld der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die FPÖ ist heute nämlich viel weniger wirtschaftsliberal, als sie unter Haider gewesen ist. Daher wird es wohl genau auf diesem Feld zu den ersten ernsteren Konflikten zwischen den neuen Koalitionspartnern kommen.
Wirtschaft und Finanzen dürften die große inhaltliche Schwäche der neuen Regierung sein. Auch bei der ÖVP. Dabei hat genau dieser Bereich bisher immer geradezu das inhaltliche Zentrum der ÖVP-Identität gebildet. Selbst unter starken Obmännern hat die Partei neben dem Parteichef immer auch noch einen zweiten Mann, der aufs Geld geschaut hat, in die Auslage gestellt: Etwa im Tandem Raab-Kamitz, Klaus-Koren, Schüssel-Ditz oder Schüssel-Grasser.
Für Sebastian Kurz hingegen sind Wirtschaft und Finanzen lange nicht mehr so wichtig wie für alle seine Vorgänger. Bei ihm hat man bis zuletzt nicht einmal den Namen gewusst, wer sein Finanzminister sein wird. Das mag zwar parteitaktisch weniger schaden, weil Rotgrün noch viel weniger Wirtschaftskompetenz haben. Das ist aber sachlich und langfristig für Österreich schlecht.
Der inhaltliche Fehler einer zu geringen Beachtung des Themenkreises Wirtschaft und Finanzen führt damit auch nahtlos zum taktischen Fehler. Das ist die Personalauswahl für die Ministerliste. Dieser Auswahl etwa von neuen Ministern wurde vor allem auf ÖVP-Seite viel zu wenig und viel zu spät Aufmerksamkeit geschenkt. Man denke nur, wie professionell große Unternehmen neue wichtige Mitarbeiter screenen und testen.
Das ist ein alter Fehler: Aus lauter Angst, dass irgendetwas zu früh bekannt wird, wird gleich gar nicht intensiv nachgedacht. Eigentlich hätte Kurz nämlich schon seit Wochen ein mehr oder weniger fixes Team mit fähigen (und dazu bereiten) Ministern im Kopf haben müssen.
Statt dessen hat er das Pferd beim Schwanz aufgezäumt und den gleichen Fehler begangen, den er schon bei der Listenerstellung für die Wahl begangen hat: Kurz hat sich so wie damals als erstes darauf festgelegt, dass mehr Frauen als bei der letzten Regierung dabei sein müssen.
Damit hat er sich selbst am meisten behindert: Das ohnedies extrem schwierige Finden von geeigneten Ministern ist dadurch doppelt schwer geworden. Er hat dadurch quasi offiziell determiniert, das Geschlecht sei wichtiger als die Tauglichkeit und Fähigkeit einer Person. Er hat damit jeder Frau in der künftigen Regierung den abwertenden Stempel aufgedrückt, dass sie nicht wegen ihrer Fähigkeit, sondern wegen ihres Geschlechts auf dem Ministerposten sitzt. Dass sie eine bloße Quotenministerin sei.
Dabei hat die ÖVP mit solchen schon recht schlechte Erfahrungen gemacht: Man denke an den Reigen von Bandion-Ortner bis Karmasin (Man denke aber natürlich auch an die – bis auf Riess-Passer – durchwegs schwachen blauen Ministerinnen. Oder man denke an die durchwegs schwachen roten Unterrichtsministerinnen). Dabei hätten gerade ÖVP und FPÖ mit Sicherheit keine einzige Stimme verloren, wenn sie sich nicht an irgendeine Frauenquote gebunden hätten.
Damit sei natürlich nicht gesagt, dass Männer die besseren Minister sind. Es geht um ganz etwas ganz anderes: Jemand Guten für einen solchen Job zu finden, ist so schwierig, dass man es vermeiden sollte, darüber hinaus durch Quoten-Kriterien die ohnedies kaum vorhandene Auswahl noch weiter einzuschränken.
Gerade Kurz selbst hat ja immer wieder betont: Es geht um Qualität und Fähigkeit, um politische und sachliche Kompetenz, sodass man die Zwangsjacke eines Bundesländer- oder eines Bünde-Proporzes meiden sollte. Und genausowenig sollte man eben den Zwang eines Geschlechterproporzes haben. Wenn Kurz etwas von Mathematik versteht, müsste er wissen, jedes zusätzliche Kriterium macht die Wahrscheinlichkeit noch geringer, eine möglichst gute Wahl zu treffen.
Noch dazu, wo bei jedem Ministerposten ohnedies schon zuerst die Entscheidung fällt, von welcher Partei der neue Ressortchef kommen muss, selbst wenn die andere einen besseren Kandidaten für dieses Ressort hätte.
Noch dazu, wo immer öfter geeignete Menschen Einladungen ablehnen, Minister zu werden.