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Es wird die erste Kampfabstimmung seit Generationen um den mächtigsten Posten der SPÖ, also um den Thron im Wiener Rathaus. Daraus lernen wir etliches über die Partei, ihren derzeitigen Zustand und ihre Zukunft.
Erstens: Die Kampfabstimmung ist aus Parteiperspektive ein schweres finales Versagen von Michael Häupl. Dieser hat offensichtlich mit seinen alkoholschweren Augen keinen Durchblick mehr in der Partei. Ähnliches passiert freilich oft auch ganz ohne Alkohol, wenn jemand zu lange im Amt bleibt (was übrigens stark an Angela Merkel in Deutschland erinnert).
Zweitens: Die SPÖ ist nun offenbar endgültig in zwei Parteien zerfallen, die schon längst nichts mehr miteinander zu tun haben. Das konnte zwar eine Zeitlang nach außen noch übertüncht werden. Seit der insbesondere von der Wiener Stadtregierung so heftig unterstützten "Flucht"-Bewegung hält die Tünche aber nicht mehr, die eine Zeitlang eine bodenständige Arbeiterbewegung und das sich seit den Siebziger Jahren wie ein Krebsgeschwür ausbreitende linksradikale Ideologen-Sammelsurium zusammengehalten hat. Die wichtigsten in der SPÖ zu ortenden Zentrifugal-Kräfte:
Drittens: Andreas Schieder ist nicht nur ein Exponent eines in der Wiener Partei über Generationen mit ganzen Oligarchenfamilien herrschenden Parteiaristokratie-Systems, sondern – besonders anschaulich auch durch seine Frau Wehsely – Inbegriff des linken Welcome-Refugee-Fanatismus, der nur noch in den Grünen (und den Neos) einen Partner finden kann.
Viertens: Michael Ludwig kann im Gegensatz zur Propaganda seiner parteiinternen Gegner nicht bloß mit der FPÖ gut, sondern auch mit der ÖVP. Freilich: Nicht nur die Bobo-, Ideologen- und Studenten-Blase hinter Schieder ist ein reines Minderheitenprogramm, sondern auch Ludwig hat das Problem, dass die SPÖ viele ihrer früheren Stammwähler – die eigentlich auch Ludwig-Wähler wären – derzeit Richtung FPÖ verloren hat.
Fünftens: Ludwig und Doskozil wären das einzige Programm, das diese Wähler zurückgewinnen könnte. Daher wäre es für Schwarz-Blau parteitaktisch viel günstiger, sollte Schieder gewinnen.
Sechstens: Ich wäre überrascht, wenn im Kampf um den neuen Machthaber die wirklichen Probleme dieser Stadt angesprochen würden. Wie der für Fußgänger und Autofahrer immer schlimmere Radfahrterror. Wie die Verschandelung der Stadt durch Spekulanten-Hochhäuser. Wie der durch ein dirigistisches Mietrecht verursachte Wohnraummangel. Wie die Skandale im Gesundheitswesen vom nie fertig werdenden Krankenhaus Nord bis zu den Gangbetten. Wie die fortschreitende Islamisierung. Wie die sich rapid verschlechternde Sicherheitslage in immer mehr Stadtvierteln. Um nur einige zu nennen.
Siebentens: Schieder war noch viel mehr als Kern Totengräber von Rot-Schwarz. So hat er zum Beispiel das in der Regierung schon abgesegnete Sicherheitsgesetz im Parlament torpediert.
Achtens: Auf Bundesebene tobt der Kampf zwischen den beiden SPÖ-internen Flügeln schon länger. Sind doch in den letzten Jahren schon zweimal SPÖ-Bundeschefs durch die internen Intrigen der Parteiflügel abgeschossen worden. Gusenbauer, weil er sowohl die Gewerkschaften wie auch die Wiener SPÖ gegen sich hatte (wobei Häupl damals überdies Faymann als persönliche Bedrohung ins Kanzleramt abschieben wollte). Und Faymann, weil er in Sachen "Flucht" wenn auch mit langer Verspätung erkannt hatte, dass die Partei mit ihrer Welcome-Linie in die sichere Niederlage rennt, worauf der linke Flügel brutal gegen ihn geputscht hat.
Neuntens: Die Wiener Entscheidung wird auch für die Bundes-SPÖ entscheidend sein. Und Christian Kern, der ja eineinhalb Jahre täglich Zickzack gefahren ist, wird dann endlich wissen, welchen Kurs er fahren soll. Es sei denn, er wird nach einem Ludwig-Sieg dann selbst zugunsten von Doskozil weggeputscht.
Zehntens: In anderen Ländern von Frankreich bis Griechenland und Spanien haben ähnliche Konflikte sogar schon zu einer totalen Parteispaltung der Sozialisten geführt. Zwei ganz aktuelle Beispiele zeigen, wie weit heute all das inhaltlich auseinander ist, was sich in Europa Sozialdemokrat beziehungsweise Sozialist nennt:
PS: Ich hatte dieser Tage eine Fernsehdiskussion mit den zwei hochgradig linken Sozialisten Georg Hoffmann-Ostenhof und Bruno Aigner. Nachher fragte ich sie, wer eigentlich heute Chef der Sozialistischen Internationale sei, die lange eine der einflussreichsten internationalen Organisationen gewesen ist. Beide wussten es nicht, was der wohl beste Beweis für die heutige Bedeutungslosigkeit des internationalen Sozialismus ist. Beim Googeln fand ich den Namen Giorgos A. Papandreou von der heute völlig unbedeutenden griechischen Pasok-Partei.
PPS: Gleichzeitig zu all dem sind in Österreich die Grünen, das Alter Ego der SPÖ, in eine noch viel schlimmere Implosion als die Sozialdemokraten selbst gestürzt.
PPPS: Einen Tag nach dem Gemetzel Schieder-Ludwig wählt Österreichs größtes Bundesland, nämlich Niederösterreich. Das klingt fast so, als hätte sich die ÖVP all das bestellt.