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Popeye aus der Hofburg ist rücktrittsreif

Alexander van der Bellen kommt aus den Fettnäpfen gar nicht heraus. Jetzt ist er überhaupt im tiefsten Napf seiner Karriere versunken. Denn er hat nach einem nicht dementierten (und damit im Grund bestätigten) Bericht der außenpolitisch immer gut informierten "Presse" vor den 27 Botschaftern der anderen EU-Länder in Wien angekündigt, dass er die beiden FPÖ-Politiker Gudenus und Vilimsky als Minister ablehnen würde. Damit hat der Mann gleich mehrere katastrophale Dummheiten begangen.

Die größte Dummheit – und die macht ihn eigentlich rücktrittsreif – ist es, eine solche rein innerösterreichische Ankündigung vor ausländischen Diplomaten zu machen. Van der Bellen hat damit einen schweren Verstoß gegen die nationale Souveränität und das Selbstbewusstsein Österreichs begangen. Er erweckt den Eindruck, als ob sich Österreich vor dem Ausland in irgendeiner Weise dafür rechtfertigen müsste oder sollte, wer hierzulande Minister wird. Als ob die Republik unter EU-Kuratel stehen würde. Als ob er primär die EU und nicht die Österreicher als für ihn relevant ansehen würde.

Wäre das wirklich so, wäre es ganz schlimm. Aber es ist wohl bloß Dummheit und Unerfahrenheit. Und das ist schlimm genug.

Diese Dummheit hängt wohl mit einer zweiten zusammen: Van der Bellen hat in seiner Unerfahrenheit in Sachen Diplomatie offenbar ernstlich geglaubt, dass bei einem Hintergrundgespräch vor 27 Botschaftern gefallene Äußerungen wirklich unter der Tuchent der Verschwiegenheit bleiben würden. Tollpatschiger geht’s nimmer. Noch schlimmer wäre nur die alternative Erklärung: dass er gar nicht begriffen hat, dass das eine grobe Fehlleistung ist, deren Hinausdringen eine Katastrophe wäre.

Der Altgrüne ist Opfer seiner vorjährigen Wahlkampagne, als er sich als Bollwerk gegen eine freiheitliche Regierungsbeteiligung verkauft hat. Jetzt wollte er halt irgendwie schauen, dass er an seinen damaligen großen Tönen nicht ganz erstickt. Als Rest seiner damaligen Ankündigung ist ihm daher dieses Veto gegen zwei FP-Politiker eingefallen. Er hat offenbar geglaubt, damit auf der sicheren Seite zu sein. Eifert er doch scheinbar nur seinem Vorvorgänger Klestil nach. Dieser hatte ja im Jahr 2000 auch genau zwei ihm vorgeschlagene FPÖ-Politiker als Minister abgelehnt.

Van der Bellen liegt aber auch mit diesem Nachahmungsdelikt total daneben. Und zwar gleich mehrfach. Denn zum einen sind ihm zum Unterschied von Klestil damals bisher noch gar keine Namen vorgeschlagen worden. Daher waren seine nunmehrigen Äußerungen nicht nur deplatziert, weil eben primär gegenüber Vertretern anderer Länder gemacht (was bei Klestil nicht nachweisbar war), sondern auch total voreilig, weil es noch gar keine namentlichen  Vorschläge gibt.

Van der Bellen hat zwei Namen genannt, die gar nicht zu den wahrscheinlichen Ministerkandidaten Straches zählen. Denn der eine ist der freiheitliche Spitzenmann in Wien, der andere im EU-Parlament, beide Funktionen sind nur schwer ersetzbar. Auch auf der Gerüchtebörse notieren sie als denkbare Minister nicht sehr hoch.

Aber offenbar wollte der Mann aus der Hofburg damit wie Popeye the Sailor Stärke zeigen, ohne wirklich stark zu sein, weil er sich eben gegen unwahrscheinliche Namen stark macht.

Damit glaubte Van der Bellen wohl besonders listig zu sein. Er hat aber mangels strategischer Denkfähigkeit gleich weitere Dummheiten begangen: Er hat durch sein Veto gegen die zwei FPÖ-Politiker nämlich indirekt sämtlichen anderen potenziellen FPÖ-Ministern einen Persilschein ausgestellt. Darunter also auch solchen, gegen die eventuell wirklich substanzielle Gründe vorliegen. Was ja bei Gudenus oder Vilimsky nach allem, was bekannt ist, nicht der Fall ist.

Van der Bellen begreift aber noch etwas viel Gravierenderes nicht: 2017 ist nicht 2000. Bis auf die üblichen Linkszeitungen (Süddeutsche, Guardian, Le Monde, El Pais, …) und bis auf ein paar linksradikale Demonstranten würde kaum jemand in Europa an irgendeinem freiheitlichen Minister etwas besonders Aufregendes finden. Denn Europa hat heute ganz andere Sorgen. Und damals war die EU massiv von Sozialisten beherrscht, die ein paar Monate lang eine geschlossene antiösterreichische Sanktionenfront organisieren konnten.

Heute hingegen sind Sozialisten europaweit eine aussterbende Rasse, die fast schon unter politischem Artenschutz steht.

  • Siehe in den letzten Wochen ihre krachenden Niederlagen und ihr Ausscheiden aus der Regierung durch die Wahlen in Deutschland, Tschechien und Österreich.
  • Siehe ihre in den Monaten und Jahren davor erlittenen Schlappen in Frankreich, Spanien und den Niederlanden, um nur die größten zu nennen.
  • Siehe Polen oder Ungarn, wo jeweils überhaupt nur noch zwei Rechtsparteien relevant sind.
  • Siehe die mit fast absoluter Sicherheit bevorstehenden Niederlagen der Linken in den zwei letzten von ihnen regierten größeren EU-Ländern, also Italien und Rumänien.

Damit schrumpft es letztlich zur reinen Hetze eines heimischen Linkspolitikers, wenn er jetzt über das Ausland Stimmung gegen die FPÖ machen will. Oder eben zur abgrundtiefen Dummheit, nicht zu begreifen, dass im Ausland die Stimmungslage heute eine völlig andere als damals ist.

Es würde auch nicht ganz überraschen, wenn dieser peinliche Fehler Van der Bellens jetzt überhaupt zum Gegenteil führen sollte: nämlich dazu, dass einer der beiden Genannten (oder beide) jetzt von den Freiheitlichen gleichsam aus Prinzip auf ihre Ministerliste gesetzt wird. Obwohl das ohne VdB gar nicht geplant gewesen wäre. Motto: Das schauen wir uns jetzt an.

Was tut dann der alte Mann aus der Hofburg? Zieht er wieder einmal unbedachte Worte zurück oder versucht, sie zumindest zu verwischen? Oder lehnt er die beiden wirklich ab?

Wie würden in diesem Fall Bundes- und Vizekanzler reagieren? Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Bundeskanzler Kurz dann seinen Koalitionspartner gleich von Anfang an im Stich lassen würde. Kurz und Strache dürften daher - auch in Kenntnis ihrer heutigen Stärke - nicht so wie Schüssel und Haider 2000 kampflos nachgeben.

Diese beiden waren ja damals in einer viel bedrängteren Lage als die heutigen Bald-Koalitionäre. Damals war nicht nur der internationale Gegenwind stark. Damals musste auch mit zwei schwierigen innerösterreichischen Fakten umgegangen werden: nämlich damit, dass die SPÖ als mandatsstärkste Partei in die Opposition geschickt wurde, und damit, dass Schüssel für den Platz drei eigentlich den eigenen Gang in die Opposition angekündigt hatte.

Nichts davon belastet Kurz und Strache. Sie könnten daher durchaus zu dem Schluss kommen, dass sie dem Bundespräsidenten in diesem Fall keinen anderen Ministerkandidaten vorschlagen werden. Sie müssen ja nicht.

Dann gibt es zwar (beispielsweise) keinen Infrastrukturminister Vilimsky, aber auch keinen anderen. Vilimsky könnte jedoch durch einen geschickten Schachzug statt Minister halt Kabinettschef etwa des freiheitlichen Innenministers werden, der formal auch für das Infrastrukturministerium zuständig wird. Informell wird aber Vilimsky dafür zuständig. Für eine Kabinettschef-Bestellung braucht es ja den Bundespräsidenten nicht. Und Vilimsky könnte dieses Ministerium praktisch genauso führen, wie wenn er selbst Minister wäre. Was schon bei vielen Kabinettschefs de facto der Fall gewesen ist. Er bräuchte lediglich hie und da die Unterschrift des formell zuständigen Ministers.

Zugleich würde dann aber dauerhafter Kriegszustand zwischen den beiden Seiten des Ballhausplatzes herrschen. Etwas, was ab 2000 selbst Klestil trotz einer viel günstigeren Situation nicht durchgestanden hat. Er ist ja nach seinem Doppelveto sehr kleinlaut geworden und hat bis zu seinem Tod (zusammen mit seinen privaten Verwicklungen) nur noch eine unbedeutende Rolle gespielt.

Überdies käme der Regierung (oder speziell den Freiheitlichen) eine Feindfigur wahrscheinlich sehr zupass. Nachdem die SPÖ gerade an Selbstzerfleischung eingeht und fast nicht mehr satisfaktionsfähig ist, könnte die Regierung durchaus Van der Bellen als das verwenden, was der Milliardär und Immigrationsbefürworter Soros für den ungarischen Premier Viktor Orbán ist. Diesem sind ja auch die Sozialisten als Gegner durch Implosion abhanden gekommen, weshalb er sich einen neuen gesucht hat (erfolgreiche Politiker benutzen fast immer auch einen Feinddarsteller).

Wenn man also die Dinge ein paar Schachzüge voraus durchdenkt, stehen die Figuren des Bundespräsidenten recht schlecht auf dem Brett, heute jedenfalls viel schlechter als 2000. Ja – wenn man Dinge durchdenkt. Das aber ist noch nie die Stärke des heutigen Benutzers der Maria-Theresianischen Gemächer gewesen …

PS: Aber haben nicht Kurz wie Strache in den letzten Tagen ihren Respekt vor dem Bundespräsidenten ausgedrückt? Ja, das haben sie. Aber es wäre sehr naiv, protokollarische Höflichkeit mit taktischer Naivität oder gar politischer Unterwürfigkeit zu verwechseln.

PPS: Ein Bundespräsident mit Rückgrat und Ahnung um die wirklichen Skandale in Europa hätte etwa den Vertreter des (noch sozialistischen) Italiens beim Botschaftergespräch sehr kritisch fragen können und müssen, warum jetzt das chauvinistische und antiösterreichische Lied "Fratelli d'Italia" zur offiziellen Hymne aufgewertet wird. Und den Vertreter des (noch sozialistischen) Inselstaates Malta hätte er fragen können und müssen, warum dort ganz offensichtlich aus politischen Gründen eine regierungskritische Bloggerin ermordet worden ist.

PPPS: Manche Linke meinen, es wäre aber schon ein deutliches Alarmsignal und Beweis für die Besorgnisse des Auslandes, dass jetzt alle 27 Botschafter der EU-Länder in Wien zusammengetreten sind und den Bundespräsidenten vorgeladen haben. Aber auch hier irren sie schon wieder fundamental. Denn genau das tun diese 27 allmonatlich, mit jeweils einem anderen Gast. Vor Jahren haben sie das übrigens zweimal auch mit mir gemacht …

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